Hamburg. Die HSV-Handballer wollen gegen Lemgo den Bundesliga-Fehlstart abwenden. Doch die finanziellen Sorgen wiegen schwer.

Für die Heimpremiere der HSV-Handballer an diesem Freitag (19.45 Uhr, Barclaycard-Arena) gegen den TBV Lemgo hat sich Trainer Michael Biegler etwas einfallen lassen. Er hat die Deckung umgestellt, nachdem er bei der Bundesliga-Auftaktniederlage in Leipzig am vergangenen Sonntag feststellen musste, „dass die Systemlösung noch nicht richtig funktioniert hat“. Und er hat im Training an der Aggressivität gearbeitet, auch daran habe es zuletzt gefehlt.

Biegler, 54, soll in Hamburg aus den Überbleibseln einer großen Mannschaft und zehn neuen Spielern eine Einheit formen. Eine große Aufgabe, aber wer beim Pressetermin am Donnerstag nach Bieglers die Worte Christian Fitzeks vernehmen konnte, wird finden, dass sie in diesem Verein noch eine der leichteren ist. Der Geschäftsführer nutzte das Podium, um einen unvermittelten Hilferuf abzusetzen.

„Unsere Situation ist extrem schwierig“, sagte Fitzek: „Wir sind immer noch zu 100 Prozent von unserem Hauptsponsor abhängig. Andere Vereine in der Bundesliga sind uns im Sponsoring um zehn Jahre voraus. Wir brauchen die Unterstützung der gesamten Stadt.“ Etwa 4,5 Millionen Euro seien notwendig, um professionellen Männerhandball auf dem aktuellen Niveau anzubieten – in der Barclaycard-Arena. Allein die Miete seiner schmucken Heimspielstätte kostet den HSV mehr als eine Million Euro im Jahr. Und die Auslastung ist bei den Heimspielen längst nicht mehr auf dem Niveau der Saison 2010/11, als durchschnittlich 10.690 Fans an den Altonaer Volkspark pilgerten. Für das Lemgo-Spiel sind bislang nur gut 4100 Karten verkauft.

Der Show-Aufwand wurde deutlich reduziert

Dass der Oberrang künftig geschlossen bleibt, hat laut Fitzek nicht nur finanzielle Gründe: „5700 Zuschauer unten erzeugen eine bessere Atmosphäre als 5800 über die ganze Halle verteilt.“ In den vergangenen beiden Jahren habe man nur in insgesamt sieben Heimspielen eine Auslastung gehabt, die die Kapazität des Unterrangs überstieg. Auch der Aufwand für die Show bei den Heimspielen wurde deutlich reduziert, auf ein Feuerwerk etwa wird künftig verzichtet.

In der Sporthalle Hamburg käme man wohl auch mit einem Etat von 3,5 Millionen Euro über die Runden. „Aber das ist nicht unser Anspruch“, sagte Fitzek, 54, „wir wollen uns in unserer tollen Arena etablieren und wieder mehr Zuschauer anlocken.“ Noch aber ist es das Millionen-Engagement von Clubmäzen Andreas Rudolph (GHD), das den Spielbetrieb sicherstellt, so wie schon seit zehn Jahren – nur eben nicht mehr auf dem Niveau, das 2011 die deutsche Meisterschaft und 2013 den Gewinn der Champions League möglich gemacht hat.

In den vergangenen beiden Jahren dann erlebte der HSV einen sportlichen und finanziellen Niedergang. Das man sich dennoch auf den langjährigen Präsidenten verlassen habe, sei fahrlässig gewesen. „Einen Sponsor wie An­dreas Rudolph wird es nicht mehr geben“, sagte Fitzek. Eine solche Abhängigkeit sei auch nicht erstrebenswert: „Wir müssen uns neu erfinden dahin gehend, dass jeder Sponsor willkommen ist, aber keiner lebensnotwendig.“

Fitzek hat sich zum Ziel gesetzt, den Club mithilfe vieler kleiner Partner in die Selbstständigkeit zu führen. „Die großen regionalen Sponsoren sind alle vergeben, meist im Fußball. Wir brauchen inhabergeführte Unternehmen, die handballinteressiert sind – und ein bisschen verrückt.“ Der Mittelstand in Deutschland erlebe einen Boom, davon müsse auch der HSV profitieren. Umso wichtiger sei es, den Handball in Hamburg wieder präsenter zu machen. Man wolle die Mannschaft mit PR-Aktionen „viel stärker durch die Stadt treiben“.

Dass der Verein vor Jahresfrist erst in dritter Instanz die Bundesligalizenz erstreiten und die Insolvenz nur knapp abwenden konnte, habe viel Image und auch Zuschauer gekostet. Die sportliche Talfahrt bis auf den neunten Tabellenplatz habe ein Übriges getan. „Der HSV hat in den vergangenen Jahren Dinge durchgemacht, die eigentlich kein Verein überlebt“, sagte Fitzek.

Jetzt gelte es, die sportlichen Ansprüche anzupassen. Graues Mittelmaß? Gibt es für Fitzek in der Bundesliga nicht. „Wir reden hier über die Spitze Europas“, sagte der frühere Nationalspieler, „mehr, als uns hinter den fünf führenden Clubs zu etablieren, wird vorerst nicht zu leisten sein.“

Andere Vereine wie Magdeburg hätten vorgemacht, wie man sich aus einer Talsohle befreit, wenn alle zusammenstünden: Verein, Fans und die lokale Wirtschaft. Fitzek: „Das muss in Hamburg auch möglich sein.“