Was Stefan Schröder, Pascal Hens, Torsten Jansen und Johannes Bitter, die vier Weltmeister der HSV-Handballer, von der neuen Saison erwarten.

Sölden. Mehr Symbolik geht eigentlich nicht. Als sich die HSV-Handballer an ihrem trainingsfreien Tag im österreichischen Sölden auf den Weg zum 3058 Meter hohen Gaislachkogl machen, umhüllt dichter Nebel ihr fernes Ziel. Boden und Berg sind während der knapp halbstündigen Fahrt kaum zu erkennen, die Orientierung in luftiger Höhe fällt allen schwer – wie fundierte Prognosen für die anstehende Bundesligasaison, die am 24. August beginnt. „Dass wir am Ende wie in den vergangenen neun Jahren wieder einen internationalen Wettbewerb erreichen, scheint mir diesmal nicht realistisch. Ich rechne eher mit Rang sieben bis neun“, meint Torhüter Johannes Bitter.

In der schwarzen Gondel mit der Nummer 78 haben die vier Hamburger Handball-Weltmeister von 2007 Platz genommen: Bitter, 32, Kapitän Pascal Hens, 34, Rechtsaußen Stefan Schröder, 33, und Linksaußen Torsten Jansen, 37. „Wir standen kurz vor dem Exitus, sind im allerletzten Moment reanimiert worden und erst einmal alle erleichtert, dass es überhaupt weitergeht“, sagt Hens. „Jetzt haben wir eine neue, jüngere Mannschaft, mit dem Franzosen Christian Gaudin einen neuen Trainer, der noch nicht perfekt Deutsch spricht. Wir studieren gerade neue Spielzüge und Abwehrsysteme ein, und das alles in einer sehr kurzen Vorbereitungszeit. Da ist es fast ein Ding der Unmöglichkeit, dass alles optimal klappt.“

Der Kapitän, wie Jansen seit elf Jahren beim HSV, erwartet einen „holprigen Saisonstart”, auch angesichts der respektablen Gegnerschaft in den ersten vier Begegnungen, die da Gummersbach, Hannover-Burgdorf, Meister Kiel und Vizemeister Rhein-Neckar Löwen heißt. „Wir müssen uns schnell zusammenfinden, geduldig und möglichst alle gesund bleiben. Unser Ziel sollte es als Erstes nur sein, unser Bestes zu geben, guten Handball zu spielen. Dann sehen wir ganz in Ruhe weiter.“

Torsten Jansen, der älteste, aber noch immer einer der fittesten Profis im Team, hat die Diskussion mit ernster Miene verfolgt. Sie gefällt ihm nicht. Er schüttelt wiederholt den Kopf. „Wir sind momentan eine Wundertüte, okay. Wer aber kann zu diesem frühen Zeitpunkt schon seriös voraussagen, wie gut oder schlecht wir spielen werden? Ich teile diesen allgemeinen Pessimismus nicht. Wir haben einen starken Kader, wir sind sehr erfahren, und das zählt im Handball, und absolut konkurrenzfähig. Da kann immer etwas gehen.“

Stefan Schröder, der kommende Mann fürs Marketing, nickt: „Wir sollten von vornherein nichts ausschließen. Das kommt bei den Sponsoren meistens nicht gut an. Die Leute wollen nicht wissen, was nicht geht, sie wollen eine interessante Geschichte hören. Und wir haben doch einiges zu erzählen.“ Deutscher Meister werden wir wahrscheinlich aber nicht, wirft Hens ein. Dafür sei der Kader auf den wichtigen Rückraumpositionen dann doch zu dünn besetzt.

Einig ist sich das Quartett, dass die kommende Spielzeit die größte Herausforderung in der Geschichte des HSV Handballs darstellt, seit die Mannschaft im Spätsommer des Jahres 2002 aus Bad Schwartau nach Hamburg zog. „Wir stehen nach neun fetten vor ein oder zwei dürren Jahren, in denen wir uns konsolidieren und die Weichen für die Zukunft stellen müssen“, sagt Bitter. „Wir sollten deshalb unsere Ansprüche ein wenig herunterschrauben, auch wenn das nicht meiner Mentalität als Leistungssportler entspricht. Unsere Fans und unsere Sponsoren werden das aushalten, dass wir eine begrenzte Zeit mal nicht um Titel spielen. Sie wissen, was passiert ist, und sie werden die nötige Geduld aufbringen”, hofft Bitter. „Ich werde es aber weiterhin hassen zu verlieren – und das in jedem Spiel mit aller Macht zu verhindern suchen.“

Hens fordert, der Verein müsse die Zeit jetzt nutzen, um in dieser Saison die Transfers für die nächsten Jahre vorzubereiten, Leute zu holen, „die uns wirklich helfen können“. Im Moment stimme auf dem Spielermarkt das Preis-Leistungs-Verhältnis einfach nicht. Die ersten Testspieler, der Kroate Mario Galijot, 26, und der Ukrainer Alexander Semikow, 27, haben Sölden bereits verlassen. Nach der Rückkehr nach Hamburg sollen sich in der nächsten Woche zwei weitere Kandidaten vorstellen.

Der Nachwuchs lässt Hens, Bitter, Schröder und Jansen jedoch hoffen, dass der HSV einige seiner Personalien mit Hausmitteln lösen kann. Bis allerdings ein Alexander Feld, 21, und ein Tim Stefan, 19, im Rückraum oder ein Bulle wie Tim-Oliver Brauer, 22, am Kreis athletisch, technisch und taktisch bereit für Einsatzzeiten zwischen zehn und 15 Minuten sind, könnte diese Spielzeit vorbei sein. Das Talent des Trios sei unverkennbar, die Bundesliga bleibe dennoch für jeden jungen Spieler eine Herausforderung, sagt Jansen.

Als die Gondel wieder an der Talstation ankommt, beginnt sich der Nebel zu lichten. Der Blick auf den Gipfel wird frei. Dass der HSV irgendwann wieder dorthin will, ist für die Weltmeister von 2007 selbstverständlich.