Die HSV-Handballer geben dem eigenen Nachwuchs erstmals in der Bundesliga eine Chance. Die Talentförderung der Hamburger ist in den vergangenen sieben Jahren regelmäßig ausgezeichnet worden.

Sölden. Eines will Gunnar Sadewater doch noch mal klarstellen: „Ich wehre mich dagegen, dass wir aus der Not heraus der Jugend eine Chance geben. Der richtige Zeitpunkt ist erst jetzt gekommen, dass wir anfangen können, allmählich die Früchte unserer guten Nachwuchsarbeit zu ernten.“

Sadewater, 34, ist der Jugendkoordinator der HSV-Handballer, und im Trainingslager der Bundesligamannschaft im österreichischen Sölden dürfen sich mit Torhüter Justin Rundt, 19, Kreisläufer Tim-Oliver Brauer, 22, und dem Halbrechten Tim Stefan, 19, gleich drei Talente aus dem eigenen Verein dem neuen Cheftrainer Christian Gaudin empfehlen. Hinzu kommt der 109-malige Jugend- und Junioren-Nationalspieler Alexander Feld, 21, den Interims-Geschäftsführer Karl Gladeck in Leipzig entdeckte. „Wir sind stolz, hier dabei zu sein“, sagen die vier. Das allein zeige schon eine gehörige Wertschätzung und eröffne ihnen die erhoffte Perspektive in den angestrebten Stand des Berufshandballspielers.

Die Talentförderung der Hamburger ist in den vergangenen sieben Jahren von der Handball-Bundesliga regelmäßig ausgezeichnet worden. Der HSV gehört damit zu den wenigen Clubs, die eine derartige Kontinuität vorweisen können. Nicht mal Rekordmeister THW Kiel ist dies zuletzt gelungen. Als aber beim deutschen Meister von 2011 und Champions-League-Sieger von 2013 noch jede Position mit zwei Weltklasseleuten besetzt war, blieb der Spielraum des Nachwuchses begrenzt.

Das ändert sich nun nach der Reduzierung des Saisonetats von 9,6 Millionen auf rund sechs Millionen Euro, und insofern bestimmt das etwas kärglichere Sein doch das gewandelte Bewusstsein. Sadewater hat dennoch recht: Der Elmshorner Rundt, der Barmbeker Brauer, Stefan aus Ellerau wie der gebürtige Krefelder Feld sind das Beste, was der HSV bisher aus den eigenen Reihen der Profiabteilung zu bieten hat.

Weil es derzeit im Rückraum wie am Kreis an Personal mangelt, dürfen sich Spielmacher Feld und Brauer gute Chancen ausrechnen, in den nächsten Monaten ihr Bundesligadebüt geben zu können. Auch Rundt, nach Johannes Bitter, 31, und Max-Henri Herrmann, 20, Torhüter Nummer drei, und Stefan, gerade der A-Jugend des HSV entwachsen, sollten auf ihren ersten Erstligaeinsatz nicht unendlich warten müssen.

Dass Talent nicht reicht, weiß dieses Quartett. Alle vier haben sich vorgenommen, den Weg zum Profi bedingungslos zu gehen, Studium oder Beruf hintenanzustellen. „Ich will Bundesligaspieler werden, das duldet keine Kompromisse“, sagt Feld. Welche Anstrengungen nötig werden, dieses Ziel zu erreichen, davon erhalten sie in Sölden täglich einen Eindruck. Ohne Mittagsschlaf, berichten Stefan, Jung, Brauer und Feld, sei das umfangreiche Trainingspensum kaum zu bewältigen.

Gaudin bescheinigt den Talenten „viel Potenzial“, Muskelmasse aber müssten alle zulegen. „Wenn einer wie unser Abwehrchef Davor Dominikovic vor dir steht, brauchst du einen Körper, sonst kannst du dich nicht durchsetzen“, sagt Stefan. Brauer, 120 Kilo bei 1,96 Meter Größe, hat momentan nur mehr Masse als Muskeln. Schon vor zwei Jahren war er dem damaligen Trainer Martin Schwalb aufgefallen, ein Riss des Syndesmosebandes warf den stämmigen Kreisläufer zurück. Jetzt will er sich ein Jahr Zeit geben für den Aufstieg von der U23 in die Bundesliga – möglichst mithilfe eines Zweitspielrechts bei Zweitligaaufsteiger Henstedt-Ulzburg. Stefan hat dort eins, für Brauer will Sadewater es jetzt besorgen.

„Wir glauben alle an unsere Chance“, sagt Torhüter Rundt, „wir wissen aber auch, wie viel Arbeit vor uns liegt.“ Gaudin hört Sätze wie diesen gern. Sie zeigen ihm, dass die Zukunft der HSV-Handballer jetzt begonnen hat.