Hamburg. Der Spielmacher hat sich zum Topstar der Wilhelmsburger Basketballer, die an diesem Mittwoch im EuroCup in London spielen, entwickelt.
Bei der Frage nach dem Lieblingsstreifen will sich Filmfan Aljami Durham partout nicht festlegen: „Es gibt zu viele gute, um einen auszuwählen.“ Auch die Wahl des bevorzugten Schauspielers ergibt kein eindeutiges Ergebnis. „Ich mag Leonardo DiCaprio und Denzel Washington, aber auch die älteren Semester“, sagt der jungsemestrige 25-Jährige. Einzig seinen favorisierten Lesestoff kann der Spielmacher der Veolia Towers Hamburg, die an diesem Mittwoch (20.30 Uhr/MagentaSport) im EuroCup bei den London Lions antreten, ohne Umschweife benennen: Basketball.
Klingt ominös, ist aus Sicht des Co-Autors jedoch nur logisch. „Ich lese das Spiel. Das bedeutet, ich reagiere darauf, was meine Gegenspieler machen“, erläutert Durham. Dass er zum Training seiner Lesefertigkeiten regelmäßig auf Videos seiner eigenen Spiele zurückgreift, rundet das Bild des multimedialen US-Amerikaners ab.
Aljami Durham hat sich zum Star der Veolia Towers Hamburg entwickelt
Dabei ist Durham mittlerweile selbst einer der Lieblingsprotagonisten nicht nur der Fans der Towers, sondern generell der Zuschauer der Bundesliga geworden. Der charismatische, aber nicht ansatzweise großspurige Aufbauspieler hat sich binnen kurzen Zeit zum Star entwickelt – sowohl der Wilhelmsburger, als auch der Liga.
Durham mag bodenständig, unauffällig und wie ein Leisetreter wirken wollen, sein Spiel ist aber viel zu laut, um sich auch nur ansatzweise verstecken zu können. Die Geschwindigkeit des laut Athletiktests schnellsten Spielers der bisherigen Towers-Geschichte können nur die Wenigsten in der Bundesliga mitgehen, die oftmals spektakulären Abschlüsse erlauben kein Blinzeln, wenn der Ball in seinen Händen ist.
Punkte, Rebounds, Assists – der US-Spielmacher liefert alles
Das Eindrucksvolle daran ist, dass Durham auch abseits seiner durchschnittlich 16,9 Punkte nahezu durch die Bank der beste Hamburger ist. Nicht einmal die Center schnappen sich mehr Rebounds (5,0) als er, keiner spielt mehr Vorlagen (4,9), bundesligaweit ist der Musterathlet der zweiteffektivste Akteur hinter Tommy Kuhse (27) von Aufsteiger Rasta Vechta.
Das sind keine leeren Werte mehr, seit die Towers zu gewinnen begonnen haben. Deshalb findet Durhams Name bereits jetzt Einzug in die Diskussion um die am Saisonende vergebene, prestigeträchtige Auszeichnung zum wertvollsten Spieler der Liga (MVP), sozusagen den Buchpreis des Basketballs.
Zu Saisonbeginn hatte der Point Guard Schwierigkeiten
Ein Thema, dessen Lektüre er ausnahmsweise ausspart. „Bekannte haben mir Artikel darüber geschickt. Das ist eine Ehre, aber ich mag da nicht zu viel hineininterpretieren, sondern möchte bescheiden bleiben“, sagt Durham.
Zu Saisonbeginn sah, um in der Sprache des Kinoliebhabers zu bleiben, wenig danach aus, dass die Romanze zwischen Durham und den Towers ein Happy-End findet. Der aus Lilburn bei Atlanta stammende Guard zeigte offensichtliche Anpassungsschwierigkeiten an das Niveau der Bundesliga, das – mit Ausnahme der London Lions – wesentlich höher als das der britischen Spielklasse ist, in der Durham zuvor für die Caledonia Gladiators in Glasgow aktiv gewesen war.
Aljami Durham, ein Leser des Spiels
Und dann machte der Linkshänder, oder besser Linksbasketballer, der sonst überwiegend rechtshändig ist, das, was er im Basketballkontext ständig macht: lesen. Übersetzt heißt dies, dass er in jeder freien Minute trainiert, vor allem mit Co-Trainer Stanley Witt (27). „Stan, aber auch die anderen Coaches haben mir kleine Details zur Verbesserung an die Hand gegeben, die mein Spiel maximieren. Inzwischen fühle ich mich sehr wohl in der Bundesliga und finde, dass ich sehr gut hierher passe, weil dir hier mehr Freiheiten und mehr Platz gewährt wird als in anderen Ligen“, sagt Durham.
„Al ist die Definition eines Spielers, den wir Trainer als ,coachable’, also gut trainierbar, bezeichnen. Er ist wissbegierig und versucht direkt umzusetzen, was ihm geraten wird“, sagt Towers-Assistenztrainer Stefan Grassegger (33) über den 1,93-Meter-Mann. Der sympathische Österreicher nennt beispielhaft eine Szene aus dem Training, in der er dem lebensfrohen US-Amerikaner einen Hinweis gegeben hatte, wie er die Verteidigung beim Blocken und Abrollen bewegen soll. „Einen Angriff später hat er es erfolgreich gemacht und wollte mich vor Freude gleich umarmen“, sagt Grassegger.
Gemeinsam mit seinem Bruder hat er ein Modelabel gegründet
Die Freude und Dankbarkeit, seinen Traumberuf auszuüben, steht Durham, der einer gutbürgerlichen Familie der Mittelklasse entspringt, ins Gesicht geschrieben, wenn er über sein Leben als Profisportler spricht. „Ich darf die Welt bereisen, erhalte Möglichkeiten, die den meisten Menschen verwehrt bleiben. Da muss ich einfach das Beste raus machen“, sagt der frühere Einser-Schüler und -Student, der Hamburgs Kunst- und Architekturmuseen sukzessive abarbeitet.
Die Ästhetik hat es Durham ohnehin angetan. Seine Bewegungen auf dem Spielfeld beinhalten Verve, seine Bestrebungen abseits davon Stil. Gemeinsam mit seinem Bruder Jalen betreibt er seit Universitätstagen das Modelabel „Real is rare“, das sogar auf der Fashion-Week in New York vertreten war. „Ich liebe Mode, aber während der Saison kümmert sich mein Bruder hauptverantwortlich darum. Er kann inzwischen sehr gut davon leben“, sagt Durham.
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Sein Haupteinkommen spielt dagegen auf absehbare Zeit der Basketball ein. Das Drehbuch dafür schreibt der DiCaprio der Towers selbst. Es soll ein Blockbuster werden.