Hamburg. Zwei Hamburger Saunafreunde wollen minderjährigen Neuankömmlingen Sportangebote in ihre Unterkünften bringen.

Es gibt diesen einen Moment, den Samer Ismailat immer wieder zu durchleben scheint. Den des brachialen Scheiterns, an dem er vor den Scherben der privaten oder beruflichen Existenz steht.

Als der heute 40-Jährige aufwächst, von einer Karriere als Basketballer träumt, bricht in seinem Heimatland Libanon der Bürgerkrieg aus, seine Familie muss über Frankreich nach Aurich in Ostfriesland fliehen. Als sich die Profilaufbahn gegen jede Wahrscheinlichkeit dann doch abzeichnet, bricht sich Ismailat den Fuß.

Bats-Bus schafft Flüchtlingen Sportangebote

Er gründet später einen Club, die St. Pauli Bats, die mindestens semiprofessionell spielen sollen. Nach einem Durchmarsch in die Stadtliga Hamburg werden die Fledermäuse wegen eines formellen Fehlers in die Kreisliga zurückgestuft. Schließlich träumt der Vater einer dreijährigen Tochter davon, per Crowdfunding 100.000 Euro für sein Herzensprojekt zu sammeln – und schafft es nur auf 10.000 Euro an Spender, weswegen die Auszahlung verweigert wird.

„Krachend gescheitert, ich wurde ausgelacht, für verrückt erklärt“, sagt Ismailat nun und grinst mit berechtigtem Stolz. Denn seinen Traum hat er sich dennoch verwirklicht.

Ismailat und Sahm haben Bus-Idee

Den Erwerb eines Linienbusses, um damit von Flüchtlingsheim zu Flüchtlingsheim zu fahren und Kindern und Jugendlichen, Sport- und Lernangebote zu schaffen. Die Idee hat Ismailat gemeinsam mit dem Hamburger Unternehmer und Berater Wolfgang Sahm entworfen. Sahm (60) gehörte 2013 zu den Mitbegründern des späteren Basketball-Bundesligaclubs Hamburg Towers.

„Viele Flüchtlinge haben gar keine Möglichkeiten, Freizeitangebote wahrzunehmen oder überhaupt keinen Bezug dazu. Dabei ist dies, wie ich aus meiner eigenen Geschichte weiß, maßgeblich, um sich in einer Gesellschaft zu integrieren“, sagt Ismailat. Im Bus lagern mehrere Sportutensilien, aber auch Bücher und Lehrmaterial.

Initiatoren arbeiten pro bono und suchen Sponsoren

Am Steuer sitzt Ismailat persönlich, der dafür viele Fahrstunden in einem Intensivkurs nahm. Der aus Süddeutschland geholte Bus kostete 60.000 Euro, weitere 10.000 Euro waren nötig, um ihn sachgemäß auszustatten. Für geplante Maßnamen in diesem Winter werden aber noch dringend Geldmittel benötigt.

Rund 180.000 Euro sind grundsätzlich als Jahresbudget notwendig, um die zahlreichen Projekte, die den Initiatoren vorschweben, zu unterhalten. Ismailat und Sahm arbeiten derzeit pro bono. Für den Sozialarbeiter ist eine Vollzeitstelle eingeplant, sobald die Finanzierung steht. Eine weitere soll im organisatorisch-pädagogischen Bereich geschaffen werden. Ohne externe Förderer ist dies nicht zu gewährleisten.

Ehemalige Profis spielen bei St. Pauli Bats

Denn auch Mentoren sollen regelmäßig als Fahrgäste an Bord gehen, den geflüchteten Jugendlichen als Vorbilder dienen, Lernhilfe geben oder bei der Berufsberatung helfen. Für jüngere Kinder wurden Bilderbücher angeschafft, um niedrigschwellig mit dem Lesen in Kontakt zu kommen und grundlegende Sprachkenntnisse zu erwerben. "Sprache ist der Schlüssel zu allem", sagt Ismailat.

Ein Wunsch Ismailats ist es, das Interieur mit großflächigen Aufklebern von Zitaten berühmter Sportler aufzuhübschen. Das Logo seines eigenen Clubs, der mittlerweile mit Akteuren wie dem ehemaligen Bundesligaprofi Edward Seward und dem einstigen Zweitligakapitän der Hamburg Towers, Will Barnes, wieder in die Oberliga aufgestiegen ist.

Ligabetrieb zwischen Flüchtlingsunterkünften geplant

„Motor unseres Projekts ist aber der Sport. Er soll vereinen, motivieren und Werte vermitteln. Beispielsweise, dass es nur gemeinsam geht, man Mit- und Gegenspieler dafür benötigt“, sagt Sahm. Daher soll nach gutem Anlaufen der ersten Besuch der Unterkünfte ein Spielbetrieb im Ligensystem aufgenommen werden.

Naheliegend wegen Ismailats Werdegang zunächst im Basketball, später sind weitere Sportarten wie Fußball vorstellbar. „Das bietet einen besonderen Anreiz, wenn die unterschiedlichen Flüchtlingsheim gegeneinander spielen“, sagt Ismailat, der die Idee zusammen mit Sahm, seinem Saunafreund aus der Eimsbütteler Kaifu-Lodge, ausweiten möchte.

Flüchtlingszahl in Hamburg hat sich verdoppeln

„Optimalerweise inkludieren wir Vereinsmannschaften in den Ligabetrieb, sodass Geflüchtete mit in Hamburg lebenden Kindern in den direkten Austausch treten können“, sagt Sahm, der Dekaden an Erfahrung im Sportmarketing aufweist. Das Potenzial für einen geregelten Projektbetrieb ist umfangreich.

2014, als Ismailat seine Sozialarbeit auf ganz Hamburg ausweitete, lebten rund 30.000 minderjährige Flüchtlinge in der Stadt. In Folge des Ukraine-Kriegs und weiterer Konflikte hat sich die Anzahl fast verdoppelt.

"Bleib dran, gib niemals auf!"

Ihren Ansporn, sich für die Schwachen der Gesellschaft einzusetzen, ziehen Ismailat und Sahm aus ihren eigenen Biografien. Der ältere Part des Duos hat Zeit seines (Berufs-)Lebens die positiven Auswirkungen von Sport auf die Gemeinschaft und Entwicklung Jugendlicher erlebt. Der Juniorpartner sagt, er habe dadurch ein Ziel gefunden, für das es sich lohne, hart zu arbeiten, sich zu integrieren.

Manchmal habe er sich aber eine starke Hand als Unterstützung gewünscht. „Es braucht nur einen, der an dich glaubt“, sagt Ismailat, der vor allem an sich selbst glaubt. Sein Motto ist sinnbildlich für sein Leben: „Bleib dran, gib niemals auf!“

Es steht in großen Lettern auf beiden Seiten des Bats-Busses.