Hamburg. Die 18 Clubs verpflichten sich einem umfassenden Nachhaltigkeitsprogramm, das von 2024 an in die Lizenzvergabe einfließt
Die Veolia Towers Hamburg arbeiten gerade ihre vergangene Saison der Basketball-Bundesliga (BBL) auf. Dabei geht es wie gewöhnlich um Trefferquoten, Transfers, Trainer-, Teamleistungen und ums Ticketing. In diesem Sommer kommt eine umfangreiche Aufgabe hinzu.
Die Towers müssen wie alle anderen 17 BBL-Clubs einen CO2-Abdruck ihres Personals errechnen, von Spielern, Trainern, Betreuern. Das ist eine der neuen zentralen Anforderungen der BBL. Die Analyse soll in der neuen Saison vorliegen.
Nachhaltigkeitskonzept beeinflusst Lizenzierung
Die Vereine haben sich ein Nachhaltigkeitskonzept auferlegt, das von der Spielzeit 2024/2025 in die Vergabe der Erstligalizenzen einfließt. Die BBL wird damit die erste deutsche Profiliga, die Klimaschutz mit einer hohen Verbindlichkeit in ihre Statuten aufnimmt. Mehr noch: Sie verpflichtet sich zu fünf Nachhaltigkeitszielen der Vereinen Nationen, den Sustainable Development Goals.
Aus dem Katalog von 80 mit den Vereinen entwickelten Subzielen sollen in ersten Schritten 15 umgesetzt werden. Sie bilden die Basis einer langfristigen Strategie. Darauf haben sich die Vereine einstimmig geeinigt. Werden die Vorgaben nicht oder nur teilweise erfüllt, drohen Geldstrafen, im äußersten Fall der Lizenzentzug.
Sponsoren fragen nach Konzepten
„Wir haben in den vergangenen zwei Jahren gemeinsam eine Wesentlichkeitsanalyse vorgenommen, Ziele festgesetzt, die von den Clubs mittelfristig aus sich heraus auch umgesetzt werden können. Niemand soll dabei überfordert werden“, sagt Sebastiano Provenzano. Der 47-Jährige leitet seit vier Jahren in der BBL-Zentrale in Köln die Abteilung strategisches Marketing.
„Nachhaltigkeit ist kein Selbstzweck“, sagt er, „auch immer mehr Sponsoren fragen danach. Da sind unsere Erfahrungen, und das hören wir aus den Clubs. Um als Sportmarke und Organisation relevant zu bleiben, müssen und wollen wir uns den gesellschaftlichen Entwicklungen anpassen.“
Nur Alba Berlin beschäftigt Nachhaltigkeitsmanager
Die fünf Kapitel sind Maßnahmen zum Klimaschutz, Gesundheit und Wohlergehen, hochwertige Bildung, weniger Ungleichheiten und Partnerschaften zur Erreichung der Ziele. Dazu gibt es jeweils drei Unterpunkte. Die BBL empfiehlt, dafür einen Nachhaltigkeitsmanager oder eine -managerin einzusetzen.
Bis 2024 soll dafür in den Clubs mindestens eine Stelle geschaffen werden. Als einziger Verein beschäftigt EuroLeague-Teilnehmer Alba Berlin schon jetzt eine Vollzeitkraft in diesem Bereich. „Wir glauben, dass sich für diese Aufgaben Sponsoren finden lassen, die den erhöhten Aufwand finanziell unterstützen“, sagt Provenzano, der einräumt, „das könnte in der Anfangsphase die größte Hürde werden.“
CO2-Ausstoß soll um 30 Prozent verringert werden
Derzeit führt die BBL in den Vereinen einen Realitätscheck durch. Prof. Torsten Weber von der CBS International Business School in Köln, Mainz und Potsdam, der auch die Deutsche Fußball Liga beraten hat, begleitet das Projekt, besuchte in den vergangenen Monaten alle 18 Bundesligavereine.
Die von Weber vor Ort erfassten Daten bilden für jeden Verein die spezifische Ausgangslage für den angestoßenen Veränderungsprozess. So soll beispielsweise im Rahmen der Teammobilität der CO2-Ausstoß bis ins Jahr 2027 um 30 Prozent verringert werden.
Veolia Towers Hamburg besitzen Standortvorteil
Der Diplom-Soziologe Jan Fischer (42) ist neben Sportchef Marvin Willoughby (45) geschäftsführender Gesellschafter der Towers. „Viele Anforderungen der BBL im sozialen und gesellschaftlichen Bereich können wir bereits problemlos erfüllen, weil wir vor zehn Jahren aus einem Sozialprojekt, dem Verein Sport ohne Grenzen, entstanden sind, uns immer klar für Chancengleichheit, Potenzialentfaltung und gegen Rassismus positioniert haben, diese Werte im Verein auch leben“, sagt er.
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Learn4Life, Baskidball und offene Sportangebote seien Beispiele dreier Aktionen, „die wir seit Jahren in unserem Stadtteil Wilhelmsburg und an den hiesigen Schulen organisieren“. Für die Nachhaltigkeitsstrategie der BBL sei dieser diverse Standort geradezu ein Vorteil.
CO2-Ausstoß größte Herausforderung
90 Prozent der BBL-Anforderungen im Punkt Gesundheit und Wohlergehen, der Erzielung eines stärkeren Bewusstseins zum Thema Kinder- und Jugendschutz, würden die Towers schon umsetzen, auch bei der Reduzierung sozialer Ungleichheiten, dem Zugang zum Sport von Kindern und Jugendlichen aus allen sozialen Schichten, egal welchen Geschlechts, setzt der Verein Maßstäbe. Ein Bundesligaclub hatte damit kürzlich Probleme. Weil er keine Mädchenmannschaften vorhielt, sprang ein Sponsor ab.
Den CO2-Ausstoß zu verringern ist nicht nur für die Towers, für alle Clubs die größte logistische Herausforderung. Für jedes Mitglied des Teams, bei den Towers sind das rund 20 Personen, muss ein Bewegungsprofil erstellt werden. Wie kommen Spieler, Trainer und Betreuer zum Training, zu den Heimspielen: zu Fuß, mit dem Fahrrad, mit öffentlichen Verkehrsmitteln, mit Mitspielern oder den Hybrid-Autos ihres Premiumpartners?
Zuschauer Hauptverursacher von CO2-Ausstoß
Wie reist die Mannschaft innerhalb Deutschlands zu ihren Auswärtsbegegnungen: umweltschonend mit Towers-Partner Bahn, mit dem Mannschaftsbus, mit Privatautos oder dem Flugzeug? Trips zu den Europapokalspielen entfallen bei der Erhebung. Aus versicherungstechnischen Gründen haben die Towers einen Großteil dieser Daten bereits erfasst. Für die CO2-Auswertung soll jetzt ein Unternehmen beauftragt werden. Ausgangsbasis der Reduzierung ist die Saison 2021/22.
Die Klimabilanz der Spielstätten, Trainingshallen und Geschäftsstellen bleibt vorerst unberücksichtigt, in einem späteren Stadium könnten sie einbezogen werden. Die meisten Clubs spielen in städtischen oder privaten Arenen, sind dort nur Mieter, haben daher wenig Einfluss auf die Emissionen der Gebäude. Hauptverursacher des CO2-Ausstoßes sind ohnehin die An- und Abreisen der Zuschauenden.
Towers-Fans reisen zumeist mit Bus und Bahn an
Sie machen in der Gesamtbetrachtung des Spielbetriebes 60 bis 70 Prozent aus. Auch hier sind die Towers im Vorteil: Mehr als die Hälfte der Fans fahren mit Bus und Bahn zur edel-optics.de Arena in Wilhelmsburg; kostenfrei, weil die Eintrittskarten deren Nutzung einschließt.
Mit Namensgeber Veolia haben die Towers dazu einen strategischen Umweltpartner mit am Korb. Gemeinsam mit dem Umweltdienstleister wurde 2021 ein Wertstoffkreislauf geschaffen, bei dem alle in der Arena genutzten Trinkbecher aus 100 Prozent recyceltem PET-Kunststoff bestehen. Diese werden an Spieltagen, überhaupt bei allen in der Arena stattfindenden Veranstaltungen gesammelt und anschließend aufbereitet.
Nachhaltigkeit passt zur "stylischer Sportart"
„Fänden weltweit alle Sportveranstaltungen vor leeren Rängen statt, würden nur ein minimaler Anteil, unter ein Prozent, der globalen C02-Emissionen vermieden werden“, sagt BBL-Manager Provenzano. „Unser Ziel ist es vielmehr, über das Produkt Profisport die Aufmerksamkeit dafür zu erhöhen sowie aktiv und authentisch an der Nachhaltigkeit zu arbeiten.“
Mit dem jetzt vereinbarten Paket solle auch ein Zeichen gesetzt und ein Bewusstsein beim Publikum für die vielfältigen Themen geschaffen werden. „Das Mindset der Nachhaltigkeit passt bestens zu einer modernen, stylischen Sportart wie Basketball“, sagt Provenzano.
15 Nachhaltigkeitsziele
Gesundheit und Wohlergehen: Erzielung eines stärkeren Bewusstseins zum Thema Kinder- und Jugendschutz. Erhöhung des Angebots an nachhaltigen/biobasierten Speisen an Spieltagen. Förderung der gesundheitlichen Aufklärung und des gesundheitlichen Bewusstseins bei Fans.
Hochwertige Bildung: Nachhaltige Weiterbildung innerhalb der Organisationsstruktur. Vermittlung von Werten wie Fairness, Teamgeist, Verantwortung bei Kindern und Jugendlichen. Weiterbildung von Mitarbeitern, Erlernen nachhaltiger Ansätze sowie des eigenen Impacts.
Weniger Ungleichheiten: Reduzierung sozialer Ungleichheiten bei Kindern über Schaffung besserer Zugänge in den Sport. Intensivierung von Projekten und Aktivitäten, Schaffung von Anlaufstellen zu Anti-Rassismus und Diversität. Erhöhung des Anteils an Zulieferern und Dienstleistungen, die unter Menschenrechtsaspekten geprüft werden.
Klimaschutz: Reduktion der CO2-Emissionen bei Mobilität des Bundesligateams. Reduktion der CO2-Emissionen in den Geschäftsstellen. Steuerung von Finanzmitteln in Klimaschutz- oder Biodiversitätsprojekte.
Partnerschaften: Optimierung nachhaltiger Wirkungen in den Spielstätten in Kooperation mit den Hallenbetreibern. Vernetzung mit Partnern, Sponsoren für einen gemeinsamen Impact im Themenfeld Nachhaltigkeit. Aufbau einer Nachhaltigkeitsplattform zur Vernetzung von Profi- und Amateursport im Basketball.