Hamburg. Benka Barloschky, Cheftrainer der Veolia Towers Hamburg, über Stress, Mentalität, seine Vertragsverlängerung und Pedro Calles.

Zwei Wochen Spielpause in der Basketball-Bundesliga haben die Veolia Towers vor dem Heimspiel am Freitag (19 Uhr, Magenta Sport) gegen Brose Bamberg nicht nur für längere Trainingseinheiten genutzt, sie holten mit Jordan Davis (25) einen neuen US-Spielmacher aus Spanien. Im Gegenzug verließ mit US-Point-Guard Kendale McCullum (26) der bisherige Topscorer die Hamburger, der die hohen Erwartungen nicht erfüllen konnte. Er schloss sich dem litauischen Tabellenzweiten Rytas Vilnius an.

Alles Anlass genug, um beim Essen in Wilhelmsburg mit dem neuen Cheftrainer Benka Barloschky (35) die Lage beim bedingt noch abstiegsgefährdeten Tabellen-13. zu besprechen. Barloschky bestellt Wasser, Bruschetta, Pizza Margherita, hinterher einen Espresso und beantwortet diesmal entspannt alle Fragen. Kein Wunder, hatten die Towers doch die letzten beiden Bundesligaspiele vor der Ligaunterbrechung gegen Bayreuth (86:74) und bei Bayern München (89:70) gewonnen.

Hamburger Abendblatt: Herr Barloschky, ich hatte Sie zu unserem Gespräch im „Pokalsiegerbesieger“-Shirt erwartet...

Benka Barloschky: Netter Scherz. Dafür wollten wir unsere Medien- und Marketingabteilung aber nicht aus ihrem wohl verdienten Urlaub holen.

Im Ernst: Wie wichtig war der Sieg vor zwei Wochen beim FC Bayern München, der dann fünf Tage später in Oldenburg deutscher Pokalsieger wurde?

Barloschky: In unserer Lage ist jeder Erfolg extrem wichtig. Noch wichtiger für mich war das Verhalten der Mannschaft im dritten Viertel, als die Bayern bis auf acht Punkte herankamen, das Spiel zu kippen drohte. Da haben wir endlich jene Widerstandskraft gezeigt, die wir zuvor in vielen Begegnungen hatten vermissen lassen. Dass wir den Lauf der Münchner stoppen konnten, war für mich der eigentliche Erfolg.

Hat dieser Sieg die Mentalität des Teams nachhaltig verändert?

Barloschky: Siege heben immer die Stimmung, zwei in Folge noch mal mehr. Wie die Mannschaft dann nach dem fünftägigen Kurzurlaub zum Training in die Halle kam, die Spieler mir zeigten, dass sie jetzt richtig Lust aufs Training haben, da war schon erkennbar, dass in ihren Köpfen etwas passiert ist. Jetzt gilt es, dieses Selbstvertrauen zu stabilisieren.

Vor den Siegen gegen Bayreuth und in München hatten die Towers sechs Bundesligaspiele in Folge verloren, fünf unter Ihnen als neuem Cheftrainer. Kamen da bei Ihnen Selbstzweifel auf, ob Sie der Richtige für diesen Job sind?

Barloschky: Natürlich. Ich hinterfrage stets meine Arbeit, in solch einer Situation noch mal ein Stück intensiver.

Haben Sie sich damals Rat geholt?

Barloschky: Wir kommunizieren intern sehr intensiv, besprechen uns fast täglich. Ich bin ja nicht allein. Da sind meine herausragenden Co-Trainer Stefan Grassegger und Fabian Villmeter, Sportchef Marvin Willough­by, unser Athletiktrainer Melvyn Wiredu und viele andere. Wir waren ja auch nicht in Panik. Dass eine solche Situation irgendwann auftreten könnte, hat niemanden überrascht. Wir haben in den vergangenen zwei Jahren in der Bundesliga und im EuroCup überperformt, da war mit Rückschlägen zu rechnen. Ich habe in diesen Wochen zudem öfter mit Pedro Calles telefoniert, den ich in den vergangenen zwei Jahren als Cheftrainer der Towers fachlich und menschlich schätzen gelernt habe.

Calles trainiert jetzt den Ligakonkurrenten Baskets Oldenburg. Was hat er Ihnen geraten?

Barloschky: Er hat mich ermutigt, meinen Weg zu gehen. Details gehören aber nicht in die Öffentlichkeit.

Als Sportchef Marvin Willoughby am 7. Januar nach der 65:80-Heimniederlage gegen Ulm Sie fragte, ob Sie bereit seien, Raoul Korner als Cheftrainer abzulösen, wie lange haben Sie da überlegt?

Barloschky: Ich musste nicht lange nachdenken. Cheftrainer in einem Bundesligaclub zu werden, war immer mein Ziel. Mir wurde ein Job angeboten, für den es nur 18 Stellen in Deutschland gibt. Da musst du zugreifen, wenn sich diese Chance eröffnet.

Es gibt bessere Konstellationen und Zeitpunkte, um ein Team zu übernehmen. Sie hatten die Mannschaft nicht zusammengestellt, sie befand sich in einer schweren sportlichen Krise, Ihnen standen angesichts des prallvollen Terminkalenders mit Spielen an fast jedem dritten Tag kaum Trainingseinheiten zur Verfügung, um Fehlentwicklungen nachhaltig zu korrigieren.

Barloschky: Hätte ich es Ihrer Meinung nach nicht machen sollen?

Als Co-Trainer waren Sie Teil des Problems.

Barloschky: Jetzt bin ich Teil der Lösung. Ich habe genug Selbstbewusstsein und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, dass ich mir den Job zugetraut habe. Meine Entscheidung, es zu machen, stand ziemlich schnell fest.

War Ihnen auch sofort klar, was Sie ändern müssen?

Barloschky: Raoul Korner hat nichts Grundsätzliches falsch gemacht. Aus welchen Gründen auch immer hat er die Mannschaft plötzlich nicht mehr erreicht, als sie in diesen negativen Strudel geriet, aus dem sie offensichtlich nicht mehr herauskam. Es ging also um viele kleine Details, um Ansprache, Atmosphäre, Kommunikation – Schwerpunkte für eine gute Arbeit als Team. Und ich glaube an Trainingseffekte, dass wir spielen, wie wir trainieren. Es geht um die Einstellung, unabhängig von Ergebnissen, zum Training, zur täglichen Arbeit, es geht um Gewohnheiten, die wir uns mit ständigen Wiederholungen aneignen müssen. Der Bonner Trainer Tuomas Iisalo hat mal gesagt, trainiere wie im Dschungel, spiele wie im Zoo. Was er meint: Die Spiele sollten eine Art Belohnung sein, ein Genuss für jeden. Da müssen wir hinkommen.

Ein Hauptproblem Ihres Teams, Sie sprachen es an, scheint die Reaktion auf negative Ereignisse im Verlauf eines Spiels zu sein. Wie können Sie diese Stress­situation trainieren?

Barloschky: Indem wir versuchen, sie so gut es geht zu simulieren; etwa, dass wir bei Trainingsspielen Fouls nicht ahnden, ungerechte Schiedsrichterentscheidungen treffen, ein hohes Level an Aufregung schaffen. Die Mentalität einer Mannschaft zu ändern ist allerdings ein langwieriger Prozess.

Ist Ihre Mannschaft charakterlich über alle Zweifel erhaben?

Barloschky: Wie die Spieler auf den oft sehr langen Busfahrten miteinander umgehen, Karten spielen oder gemeinsam Videos schauen, das spricht für den Zusammenhalt, für den Teamspirit. In dieser Mannschaft, das versichere ich Ihnen, gab es und gibt es keinen „faulen Apfel“.

Dennoch haben Sie mit Marvin Clark und aktuell mit Kendale McCullum zwei Spieler ausgetauscht, vermutlich nicht nur aus sportlichen Gründen.

Barloschky: Wir haben mit Anthony Polite und Jordan Davis zwei Profis gefunden, die perfekt zu unserer Philosophie passen, die Basketball leidenschaftlich leben, einen hohen Basketball-IQ haben, und die in Teams mit noch höherem Niveau als dem der Towers gespielt haben. Das waren die Hauptgründe. Clark und McCullum wollten zudem weg, nachdem sie einen neuen Club gefunden hatten.

Polite hat seine Qualitäten bewiesen, was versprechen Sie sich von Ihrem neuen Spielmacher Davis? Seine Wurfquote in Spanien war zuletzt, höflich gesagt, ausbaufähig.

Barloschky: Er trifft im Training weit besser, als es die Zahlen vermuten lassen. Und er hat eine Ausstrahlung, die dem Team sehr guttut. Wir arbeiten mit ihm rund ums Training auch an seinem Wurf, an Feinheiten in der Bewegung, daran, dass er den Wurf aus einer für ihn komfortablen Position bekommt. Klar ist doch: Wenn er neben seinen spielerischen Fähigkeiten auch noch ein hervorragender Schütze wäre, hätten wir ihn kaum verpflichten können.

Wie geht es mit Ihnen als Cheftrainer der Veolia Towers weiter?

Barloschky: Derzeit verhandelt mein Berater mit Marvin Willoughby über einen neuen Vertrag über diese Saison hinaus. Wir sind uns weitgehend einig, dass wir unsere Zusammenarbeit fortsetzen wollen.

Sie haben Familie, zwei Kinder, anderthalb und viereinhalb Jahre alt. Als Cheftrainer können Sie nicht davon ausgehen, immer an einem Ort bleiben zu können. Macht da Ihre Familie mit?

Barloschky: Das haben wir alles schon vor Jahren besprochen. Die Familie würde mitziehen, aber wir würden in Hamburg unsere Basis behalten wollen, gerade wenn die Kinder hier zur Schule gehen und sich ihren Freundeskreis aufgebaut haben.

Käme es für Sie in Betracht, noch mal als Co-Trainer zu arbeiten?

Barloschky: Das hängt von der Person des Cheftrainers ab. Bei Pedro Calles könnte ich mir diese Rolle durchaus vorstellen. Ich halte ihn für einen überragenden Coach. Als er im vergangenen Sommer von den Towers nach Oldenburg wechselte, habe ich lange überlegt, ob ich mitgehen sollte.

Veolia Towers trennen sich von ihrem Spielmacher


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  • Was oder wer hat Sie überzeugt, in Hamburg zu bleiben?

    Barloschky: Das Vertrauen, das Marvin Willoughby in meine Arbeit setzt, die Perspektive, die er mir aufgezeigt hatte, dass ich für ihn der nächste Cheftrainer der Towers sei.

    Was fasziniert Sie am Basketball?

    Barloschky: Teamsport ist für mich ein Spiegelbild der Gesellschaft: wie man aus einer heterogenen Gruppe, aus verschiedenen Kulturen, Mentalitäten eine homogene Einheit schaffen kann. Das ist eine großartige Aufgabe – im Sport wie auch im Leben. Wie schwierig das selbst im Kleinen ist, erleben wir ja gerade bei den Towers.