Hamburg. Marvin Willoughby, Geschäftsführer und Sportdirektor der Wilhelmsburger, hatte sich am Sonntag vom Österreicher getrennt.

Marvin Willoughby war anzusehen, wie nahe ihm die vorangegangen gut 48 Stunden gegangen waren. Der empathische Sportchef der Veolia Towers Hamburg wirkte müde, wischte sich mehrfach mit der flachen Hand durchs Gesicht, als er am Montagnachmittag in der Wilhelmsburger edel-optics.de Arena vor Medienvertretern begründete, weswegen er Cheftrainer Raoul Korner (48) beurlaubt und durch dessen Assistent Benka Barloschky ersetzt hatte. Es sei ein seit längerer Zeit gereifter Gedanke gewesen, kein Geistesblitz, sagte der 44-Jährige.

Marvin Willough­by (44), Geschäftsführer Sport der Veolia Towers Hamburg, trifft alle wichtigen Entscheidungen
Marvin Willough­by (44), Geschäftsführer Sport der Veolia Towers Hamburg, trifft alle wichtigen Entscheidungen © dpa | Georg Wendt

Veolia Towers Hamburg: Finaler Impuls zum Trainertausch kam aus dem Team

Was er nicht sagte: Der finale Impuls zum Trainertausch bei den Bundesliga-Basketballern kam nach Abendblatt-Informationen aus der Mannschaft. Unmittelbar nach der indiskutablen Leistung bei der 65:80-Heimpleite am Sonnabendabend gegen ratiopharm Ulm sprachen sich Führungsspieler proaktiv bei Willoughby dafür aus, einen Wechsel auf der Position des Headcoaches zu vollziehen und Korner nicht erst die Chance zu geben, mit nachverpflichteten Akteuren einen Kurswechsel einzuschlagen.

Die Begründung: Es würde in der aktuellen Konstellation nichts verändern. Dabei ist es wichtig herauszuheben, dass sich Korner menschlich nichts zu Schulden kommen lassen hat. Der umgängliche Österreicher war beliebt. Das Team und er hatten sich schlicht auseinandergelebt, was die sportlichen Vorstellungen betraf.

Der neue Towers-Cheftrainer Benka Barloschky (l./35) gilt als guter Lehrmeister – und ist damit ein idealer Förderer für Top-Talent Ziga Samar (21
Der neue Towers-Cheftrainer Benka Barloschky (l./35) gilt als guter Lehrmeister – und ist damit ein idealer Förderer für Top-Talent Ziga Samar (21 © WITTERS | LeonieHorky

Wann genau in den vorigen beiden Monaten diese Entwicklung einsetzte, weiß Willoughby nicht zu datieren. „Es war offensichtlich anhand der Art und Weise, wie die Mannschaft aufgetreten ist, dass der Kontakt zum Trainer nicht mehr ausreichend da war. Nicht nur in den Spielen, sondern bei den Interaktionen drum herum.“

Zum „Elefanten im Raum“, so der Towers-Gründer, wurden schließlich die Partien gegen Oldenburg (95:96) und Würzburg (96:73) vor dem Jahreswechsel, in denen Barloschky den grippekranken Korner vertrat. „Auf die Trainingswoche mit Benka hat das Team sehr gut reagiert, auch der Auftritt in den Spielen war ein ganz anderer“, sagte Willoughby. Korner sei vor dessen Rückkehr in Heidelberg (87:83) mitgeteilt worden, dass „etwas passieren“ müsse, letztlich sei der knappe Sieg gegen den Abstiegskandidaten aber ein „Rückschlag zum vorherigen Prozess“ gewesen, den unter anderem Co-Kapitän Lukas Meisner öffentlich kritisiert hatte.

Die Mannschaftsführung Barloschkys kam gut an

Die Mannschaftsführung Barloschkys kam bei den Akteuren gut an. Dass der am Neujahrstag geborene Bremer der nächste Trainer der Towers werde, habe ohnehin seit Längerem festgestanden. „Benka ist nach mir und meinem Kollegen Jan Fischer der am längsten beschäftigte Mitarbeiter, zwischen uns passt kein Blatt Papier, wir haben 100-prozentiges Vertrauen in seine Arbeit. Nur die Art, wie er in diese Position gekommen ist, hätten wir uns anders gewünscht“, sagte Willoughby.

Ob Barloschky, dessen Kontrakt mit den Towers im Sommer bis 2024 verlängert worden war, zunächst bis Saisonende oder bis Ablauf seines Arbeitsverhältnisses als Cheftrainer eingeplant ist, ließ Willoughby offen: „Benka besitzt einen Vertrag als Trainer.“ Assistiert wird der 35-Jährige bis auf Weiteres von Korners Landsmann Stefan Grassegger (33) und vorübergehend Fabian Villmeter, der eigentlich unter dem erklärungsbedürftigen Titel „Director Basketball Operations and Development“ die Schnittstelle zwischen Profis und Jugend koordinieren soll.

„Perspektivisch ist der Job als Co-Trainer nicht die Rolle, die wir uns für Fabian wünschen, da er seine eigentliche Aufgabe super erledigt, aber momentan müssen wir alle Kräfte bündeln“, sagte Willough­by. Die Suche nach einem neuen Assistenten läuft, so der Sportchef: „Wir werden uns sicher noch anders aufstellen.“

Suche nach neuen Spielern – Towers halten Ausschau

Was die Suche nach neuen Spielern betrifft, ließ sich der 44-Jährige nichts entlocken. Korner hatte stets betont, das Budget gebe keine Verpflichtungen her – branchenüblicher Sprachgebrauch, dem nicht zu viel Glauben zu schenken ist. Tatsächlich halten die Towers seit einigen Wochen Ausschau auf dem Markt, vorrangig nach Distanzwerfern und sekundären Spielinitiatoren. Inwiefern sich dieses Profil unter Barloschky ändert, bleibt abzuwarten.

Sicher ist, dass der neue Übungsleiter ein Mitspracherecht bei Transfers besitzt. „Die Zusammenstellung des Kaders erfolgt nie losgelöst vom Trainer, andererseits kann der nicht einfach holen, wen er möchte“, sagte Willoughby und stellte klar, dass Korner seine Wunschspieler bekommen habe, sofern sie bezahlbar waren.

Die riskante, um nicht zu sagen naive Herangehensweise, ein Team mit nur zehn Profis in die Doppelbelastung aus Bundesliga und EuroCup zu schicken, verteidigte Willoughby: „Wir waren uns von Anfang an bewusst, mit einem dünnen Kader in den Wettkampf zu gehen, und leben damit. Das entscheide letztlich ich, so wie ich entschieden habe, den Trainer zu beurlauben und durch Benka zu ersetzen. Und wenn es schlecht läuft, übernehme ich auch die Verantwortung dafür.“