Kluge Transfers, ein großes Gemeinschaftsgefühl und ein Trainer, der seiner Mannschaft eine klare Identität verschafft hat.
Am Tag nach dem historischen ersten Bundesliga-Heimsieg der Clubgeschichte blieb es in der edel-optics.de Arena ruhig. Trainer Pedro Calles (38) belohnte die Spieler der Hamburg Towers nach dem 78:75-Sieg gegen Brose Bamberg mit einem freien Tag. Ab Dienstag beginnt beim Wilhelmsburger Club aus der Basketball-Bundesliga (BBL) die Vorbereitung auf die Partie am kommenden Sonntag gegen die Gießen 46ers.
Derzeit gehen die Hamburger davon aus, dass das Spiel gegen die Hessen, die sich nach Corona-Fällen derzeit in Quarantäne befinden, stattfinden wird. Das Gesundheitsamt in Gießen könnte das Team nach zwei neuerlichen Testreihen pünktlich für die Partie in Hamburg freigeben. Eine definitive Entscheidung wird wohl Mitte der Woche fallen.
Soweit wollte Marvin Willoughby noch nicht vorausschauen. Der Geschäftsführer und Sportdirektor freute sich, dass sein "Baby" den nächsten Meilenstein in der Clubgeschichte gemeistert hat. "Wir befinden uns auf einem Weg, aber vom ersten Tag an war Zusammenhalt da. Das ist eine Gruppe in der Kabine, die miteinander spielen will", lobte Willoughby.
In der Tat war die mannschaftliche Geschlossenheit ein wesentlicher Faktor für den Traumstart in die neue Saison. In der Vorsaison wirkte es häufig so, als wären die Towers eine Ansammlung von Ich-AG´s, die in erster Linie auf sich geschaut haben.
Gegen Bamberg arbeitete auf dem Court jeder für seinen Nebenmann und selbst die Spieler, die auf der Bank waren, haben pausenlos angefeuert, gejubelt und bei Misserfolgen aufgebaut."Wir haben unsere Schlüsse daraus gezogen. und ein ganz neues Team samt neuem Trainerteam aufgebaut. Diese Saison hat mit der Vorsaison gar nicht so viel zu tun", erklärt der Towers-Chef, der gemeinsam mit Trainer Calles insgesamt neun neue Profis verpflichtet hat.
Auch die Spieler spüren, dass die Vergangenheit abgehakt und der Teamgeist ein wesentlicher Faktor ist. "Wir haben ein Team mit extrem viel Energie. Das ist gerade wichtig, weil die Arena leer ist. Der Trainer lebt uns diese Energie vor", erklärt Profi Terry Allen. "Wir haben gute Persönlichkeiten in der Mannschaft. Wir haben Spaß zusammen", ergänzt Kapitän Bryce Taylor.
Towers sind durch Trainer Calles taktisch variabler geworden
Und die haben schnell verinnerlicht, was "Calles-Basketball" bedeutet. Intensiv, aggressiv und taktisch dazu äußerst variabel im Angriff und in der Verteidigung. Am Sonntag bekam man für einen Eindruck, wie unangenehm das für den Gegner sein kann. Bambergs Trainer Johan Roijakkers warnte seine Spieler vor der Partie, dass es wichtig sein wird, die intensive Spielweise der Towers anzunehmen. Das gelang den Franken aber nur in der ersten Halbzeit. Im zweiten Durchgang ließen die Hamburger lediglich 25 Punkte zu. "Gratulation an Pedro und die Hamburg Towers zum verdienten Sieg. Ich denke, wir haben eine gute erste Halbzeit gespielt. In der zweiten haben wir offensiv nicht mehr stattgefunden. In der Defensive waren wir in Teilen noch ganz ok, im Angriff haben wir die Ballbewegung dann einfach vergessen", lobt der Gäste-Trainer die Hamburger.
Leistungsträger haben noch Luft nach oben
Bei der Kaderzusammenstellung wurde vor allem darauf geachtet, dass Spieler verpflichtet wurden, die schon in Top-Ligen aktiv war. So überragte gegen Bamberg vor allem Terry Allen, dem 20 Punkte und neun Rebounds gelangen. Auch der neue Center Maik Kotsar, dem 14 Punkte gelangen, zeigte, dass er trotz seiner 2,11 Meter Körpergröße beweglich und treffsicher ist. Dass Leistungsträger wie Kameron Taylor, T.J Shorts oder Jordan Swing noch Luft nach oben haben und die Mannschaft trotzdem einen Weg gefunden hat, die Partie gegen einen Play-off-Kandidaten für sich zu entscheiden, gibt Hoffnung, dass die desolate Premierensaison in der BBL nur ein Ausrutscher war.
Zur positiven sportlichen Situation passte auch, dass Kapitän Bryce Taylor (34) überraschend sein Comeback feiern konnte. Im März musste sich der Neuzugang von Brose Bamberg an der Achillessehne operieren lassen. Es folgten neun Monate Leidenszeit. "Auch wenn ich nur fünf Minuten spielen konnte, freue ich mich sehr. Und noch glücklicher macht mich, dass wir das Spiel gewinnen konnten. Ich weiß, was dieser Sieg unseren Fans bedeutet", sagte der Führungsspieler, der ohne Korberfolg bei seiner Towers-Premiere blieb.
Corona: Willoughby glaubt, dass die Arena kein gefährlicher Ort ist
Doch trotz der guten Stimmung nach dem Heimsieg, drehte sich vieles bei den Towers um das Thema Corona. Das Bamberg-Spiel war für die Hamburger das erste Geisterspiel in der Clubhistorie. "Ich hoffe, dass wir als Deutschland die Pandemie abbremsen können. Wir haben ein sehr gutes Hygienekonzept, die BBL hat ein sehr gutes Hygienekonzept. Dieser Ort mit 500,600,700 Fans ist kein Ort, der gefährlich ist. Ich hoffe, dass wir die Situation erleben, dass wir in dieser Saison noch ein paar Fans in die Halle bekommen", sagt Willoughby.
Bislang sind die Towers ohne nachgewiesenen Corona-Fall durch die Pandemie gekommen. Dabei wird von den Spielern ein Höchstmaß an Disziplin eingefordert. "Die größte Problematik ist nicht die Halle, wenn wir Training oder Spiel haben. Die Jungs sind da draußen in der Stadt im normalen Leben, müssen sich zurückhalten. Ich überlege mir auch zweimal, ob ich mich mit Freunden treffe. Das ist schade. Gerade für die Jungs, die das erste Mal in Hamburg sind und seit drei Monaten in ihrer Bude hocken", erklärt der 42-Jährige und ergänzt: "Wir beschweren uns aber nicht, weil ich wir privilegiert sind, dass wir arbetien dürfen. Es gibt viele, die das nicht können. Wir versuchen, die Maßnahmen zu einhundert Prozent umzusetzen."
Basketball-Bundesliga droht Terminchaos im neuen Jahr
Am Ende, da machen die Hamburger Verantwortlichen keinen Hehl daraus, wird es darauf ankommen, möglichst ohne Infizierte durch die Saison zu kommen. Am ersten Bundesliga-Spieltag mussten gleich drei Partien abgesagt werden. Werden weiterhin mehrere Spiele pro Spieltag nicht stattfinden können, droht im neuen Jahr ein Terminchaos. "Der Spielplan wird definitiv ein Faktor. Die Kollegen in Chemnitz sind gerade hart getroffen. Sie mussten in der Vorbereitung zwei Wochen in Quarantäne, jetzt wieder. Wenn man einfach mal vier Wochen nicht als Mannschaft trainieren kann, kann man nicht mehr über professionellen Sport sprechen. Das kann jeden treffen", befürchtet Willoughby.