Hamburg. Die Hanseaten hatten tatsächlich noch kein Heimspiel in der Basketball-Bundesliga gewonnen. Warum es endlich klappte.

Als die Schlusssirene um 16.52 Uhr ertönte, wirkte es fast so, als konnten es die Hamburg Towers selbst kaum glauben, was sie gerade geschafft hatten. Spieler und Trainer klatschten einander ab, eine kurze Umarmung hier, ein Lächeln da. Große Emotionen wollten nach dem 78:75 (25:26, 15:24, 15:14, 23:11) gegen Brose Bamberg zunächst nicht aufkommen. Das änderte sich aber, als sich das Team wenige Minuten später nach dem ersten Heimsieg der Vereinsgeschichte in der Basketball-Bundesliga (BBL) vor der verwaisten Fantribüne hinter dem Korb für ein Siegerfoto aufstellte und die Welle startete. „Die Mannschaft widmet diesen Sieg unseren Fans. Ich persönlich widme ihn Hendrick Drescher, der sich in unserem letzten Testspiel in Oldenburg so schwer verletzt hat und lange fehlen wird“, sagte Trainer Pedro Calles. Der 20-Jährige hatte sich das Kreuzband gerissen.

Geschäftsführer und Sportdirektor Marvin Willoughby brauchte unmittelbar nach dem Spiel erst mal ein paar Momente für sich. „Es war etwas emotional. Wir haben anderthalb Jahre hier nicht mehr gewonnen. Daran habe ich zurückgedacht. Ich bin mal kurz aus der Halle gegangen“, gab der 42-Jährige Einblick in sein Seelenleben. Wie sehr er sich gewünscht hätte, diesen Erfolg mit 3400 Fans feiern zu dürfen, war seinen Worten zu entnehmen. „Das ist ein Wermutstropfen. Wir waren vergangenes Jahr echt nicht gut, unsere Fans haben dennoch wie eine Eins hinter uns gestanden. Was wäre hier losgewesen, wenn alle da gewesen wären“, fragte Willoughby.

Hamburg Towers: Erstes Geisterspiel, auch ohne Cheerleader

Es war ein denkwürdiger Sonntag für die Wilhelmsburger. Zum ersten Mal absolvierten die Towers ein Pflichtspiel ohne Publikum. Lediglich zehn Reporter, vier Fotografen, ein Discjockey, Geschäftsstellenmitarbeiter und die Produktionscrew des Livestream-Partners „Magenta TV“ waren vor Ort. Auch die Cheerleaderinnen des Hamburg Towers Dance Teams durften nicht auftreten. Und so waren das Quietschen der Turnschuhe, die Ansagen des Arena-Sprechers Andreas Lindemeier, die Musikeinspieler und die auffällig lautstarke verbale Interaktion zwischen den Spielern und Trainern das Einzige, was zu hören war. Kurios: Weil wegen des Hygienekonzepts keine „Wischkinder“ zugelassen waren, fungierten der verletzte Towers-Profi Hans Brase (Knie) und ein Bamberger Funktionär als Aushilfen, um den Schweiß vom Parkett zu entfernen.

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Um zumindest etwas Spieltagsatmosphäre zu vermitteln, wurde vor der Partie ein neuer Einlauffilm gezeigt. Anschließend liefen die Spieler zu den gewohnten Klängen der „Hamburg City Anthem“ ein. „Wir müssen die Energie, die sonst von den Rängen kommt, selbst generieren“, hatte Toptalent Justus Hollatz vor der Partie gesagt. Und das gelang den Towers über die gesamten 40 Minuten. Vor allem Trainer Calles und die Spieler auf der Bank pushten sich gegenseitig, feierten jeden Rebound, jeden Ballgewinn, jeden Korberfolg. Gleich dreimal wurden Calles, der seine Coachingzone mehrmals großzügig auslegte, und das Team von den Schiedsrichtern ermahnt.

Es klappten längst nicht alle taktischen Abläufe

„Unsere Mannschaft hat sehr viel Energie. Der Trainer lebt uns das vor. Das ist gerade bei den leeren Rängen wichtig“, erklärte Forward Terry Allen, der 38:11 Minuten auf dem Parkett stand und mit 20 Punkten und neun Rebounds der überragende Spieler war. „Wir haben das Spiel mit Herz und Glauben gewonnen, nicht auf der Taktiktafel“, ergänzte Willoughby.

Dass spielerisch noch längst nicht alles funktionierte, war keine Überraschung. Gegner Bamberg hatte bereits drei Partien im deutschen Pokal und eine in der Champions League absolviert. Nach gutem Start der Towers übernahmen die Franken zunehmend das Zepter. Zur Pause lagen die Hamburger, bei denen bei Weitem nicht alle taktischen Abläufe klappten, 40:50 hinten. „In dieser Liga ist es ganz entscheidend, widerstandsfähig zu bleiben“, analysierte Allen.

In der Pause sprach Trainer Calles vor allem das Defensivverhalten deutlich an. „50 Punkte für Bamberg waren zu viel in der ersten Hälfte. Wir wollten aggressiver verteidigen, das ist uns auch gelungen“, sagte Kapitän Bryce Taylor (34), der nach überstandener Achillessehnenverletzung überraschenderweise sein erstes Pflichtspiel seit dem 11. Februar absolvierte. Damals spielte er für Bamberg gegen die Towers.

Spielmacher T.J. Shorts phasenweise etwas hektisch

In der zweiten Halbzeit ließen die Towers gegen eines der Topteams der BBL nur noch 25 Punkte zu. Im Gegensatz zur vorigen Saison scheinen die Towers diesmal von Beginn an konkurrenzfähig zu sein. Das Team deutete an, wie variabel es auf beiden Seiten des Spielfeldes agieren und auf unterschiedliche Situationen reagieren kann. Neben Topscorer Allen überzeugte Center Maik Kotsar, dem 14 Punkte gelangen. Für die wichtigste Führung der Partie sorgte der phasenweise etwas hektisch agierende Spielmacher T.J. Shorts, der 15,4 Sekunden vor Ende per Korbleger zum 76:75 traf. Zwei verwandelte Freiwürfe von Jordan Swing sicherten kurz danach den emotionalen Auftaktsieg. „Es gibt keine Individualisten bei uns. Wir haben zusammengehalten bis zum Schluss. So ein Spiel zum Saisonbeginn, davon werden wir lange zehren“, meinte Willoughby.

Ob die Mannschaft nächsten Sonntag gegen die Gießen 46ers ihre neue „Heimstärke“ erneut zeigen kann, ist unklar. Nach Corona-Fällen sind die Hessen in Quarantäne. Die Verantwortlichen dort hoffen, dass sie vom Gesundheitsamt freigegeben werden, sollte eine neuerliche Testreihe negativ ausfallen.