Hamburg. Er warf die Hamburg Towers in der 2. Basketball-Bundesliga zum Titel. Jetzt spricht Justus Hollatz über den Hype um seine Person.

Am Mittwoch wird Justus Hollatz mal wieder die große Bühne betreten. Nicht in der edel.optics.de-Arena, wo das große Talent der Hamburg Towers gewöhnlich die Fans begeistert. Dieses Mal wird es für den 18-Jährigen intimer und vor allem musikalischer. Anlässlich der Verabschiedung der Abiturienten in der Eliteschule des Sports in Dulsberg tritt Hollatz in der Aula vor 150 Gästen mit dem Schulchor auf, um mit seinen Mitschülern „Oh, Happy Day“ zum Besten zu geben.

Hamburger Abendblatt: Herr Hollatz, gibt es eigentlich etwas, das Sie nicht können?

Justus Hollatz: Ja, ich bin total unmusikalisch!

Wie bitte? Wenn dem so wäre, würden Sie doch nicht im Schulchor auftreten.

Hollatz: Meine Stimme wird in der Masse meiner 30 Mitschüler untergehen, aber man bekommt leicht gute Noten, wenn man im Chor ist.

Ganz schön raffiniert. Oder haben Sie den Platz im Chor nur bekommen, weil Sie jetzt ein Promi sind?

Hollatz: Ich genieße in der Schule keinerlei Privilegien wegen meines sportlichen Aufstiegs. Es gab nach der Meisterschaft Glückwünsche und die Bitte, den verpassten Stoff schnell nachzuholen.

Wie reagieren Ihre Mitschüler auf Sie nach dem Aufstieg mit den Towers?

Hollatz: Es sind so viele Menschen gekommen, die mir gratuliert haben. Auch Lehrer, mit denen ich zuvor noch nie ein Wort gewechselt hatte. Meine Mitschüler haben mir Fotos geschickt, als sie mich im Fernsehen gesehen haben. Es ist schon viel auf mich eingeprasselt.

Wie schützen Sie sich vor falschen Freunden, die sich nur im Licht Ihres Erfolgs sonnen wollen?

Hollatz: Es war in der Tat so, dass Leute ankamen, von denen ich zuvor zwei Jahre nichts gehört habe. Ich habe mich für die Glückwünsche bedankt, das war es dann auch. Ich habe ein gutes Umfeld und weiß, auf welche Freunde ich mich verlassen kann.

Hat sich Ihr Leben durch den Aufstieg und das Interesse an Ihnen verändert?

Hollatz: Außer, dass ich bei Instagram 1000 Follower mehr habe, eigentlich gar nicht. Es ist jetzt nicht so, dass ich mehr Liebesbriefe bekomme oder viel mehr Autogrammwünsche habe. Auch zu Hause bei meinen Eltern hat sich nichts verändert. Ich helfe noch genauso viel im Haushalt wie vorher. Aber zur Feier meines Vertrages muss und will ich meine Familie noch zum Essen einladen.

Vermissen Sie die Anonymität vor Ihrem Durchbruch bei den Towers, oder genießen Sie die „Hollatz-Mania“ im Club-Umfeld?

Hollatz: Mir ist der Hype um mich relativ egal. Ich lebe damit, könnte aber genauso gut darauf verzichten. Es ist ein komisches Gefühl, Fans in meinem Trikot zu sehen. Davon habe ich aber als kleiner Junge geträumt. Das ist jetzt Realität und eine unglaubliche Ehre.

Hatten Sie schon Zeit, die Eindrücke zu verarbeiten, oder fühlt sich der Bundesliga-Aufstieg noch wie ein Traum an?

Hollatz: Meine Meistermedaille liegt neben meinem Bett, und ich schaue sie mir jeden Tag an. Sie frischt die Gedanken an den Titel immer wieder auf. Aber irgendwie fühlt es sich immer noch an wie im Märchen. Zweitligadebüt gegen Baunach, dann die Play-offs. Im Finale treffe ich den entscheidenden Ball zum Titel, und anschließend erkläre ich dem Bürgermeister im Rathaus diesen Wurf. Das ist verrückt und alles schwer zu greifen. Deshalb schaue ich mir diesen Treffer immer wieder auf Video an, um zu überprüfen, ob das wirklich alles passiert ist.

Sie haben eine ungewöhnliche Coolness in der heißen Phase der Saison ausgestrahlt. Macht Sie gar nichts nervös?

Hollatz: Doch, Hunde! Ich bin mal als Kind gebissen worden. Aber ich verrate Ihnen etwas: In den ersten fünf Spielen war ich jedes Mal nervös, als ich auf den Court gegangen bin. Auch in den Play-offs war die Nervosität da, aber ich kann das ganz gut verstecken, sodass es keiner mitbekommt. Ich will Ruhe ausstrahlen.

Sie gelten als größtes Spielmachertalent des Landes. Ihre Nervenstärke ist auch anderen Clubs aufgefallen. Warum haben Sie Ihren Vertrag in Hamburg verlängert? Womöglich hätte anderenorts mehr Geld gelockt.

Hollatz: Ich habe bei den Towers alles, was ich brauche. In der Nacht vor meiner Vertragsunterschrift habe ich allerdings kaum geschlafen. Den ersten Profivertrag vergisst man nicht.

Den hätten Sie sicher auch bei größeren Clubs unterschreiben können.

Hollatz: Wäre ich jetzt schon zu einem großen Verein gegangen, hätte ich bei null anfangen müssen. Ich kenne den Trainer nicht, den Club nicht, meine Rolle nicht. Es hätte ja sein können, dass ich mit dem BBL-Team trainiere, aber nicht spiele. Spielerfahrung ist durch nichts zu ersetzen. Fiete Arp ist doch beim HSV ein gutes Beispiel.

Wie meinen Sie das?

Hollatz: Er hat beim HSV in der Zweiten Liga kaum gespielt und geht mit 18 Jahren zu Bayern München. Wer weiß, wie seine Perspektiven da sind? Ich möchte erst einmal in der Bundesliga Fuß fassen, bevor ich über andere Dinge nachdenke. Ich habe jetzt erst einmal richtig Bock, mich mit den Towers in der BBL zu eta­blieren.

Apropos Fußball. Man sagt Ihnen nach, ein talentierter Kicker zu sein.

Hollatz: Meine Brüder und ich haben bei GrünWeiß Harburg und beim Harburger SC gespielt. Zwei, drei Jahre habe ich parallel zum Basketball noch als Innenverteidiger und Sechser Fußball gespielt. Ich hätte mit zwölf Jahren zum FC St. Pauli wechseln können.

Zu Ihrem Lieblingsclub, für den Sie schon mal am Millerntor aufgelaufen sind.

Hollatz: Ich habe in der Jugend mit Lennart Duve zusammengespielt. Sein Vater Jens war Funktionär bei St. Pauli und wir durften Einlaufkinder am Millerntor sein. Ich bin gegen Hoffenheim mit Marvin Compper eingelaufen. Das war ziemlich cool. Aber ich wollte nicht fünfmal pro Woche von Harburg an die Feldstraße zum Training fahren. Deshalb bin ich beim Basketball geblieben. Keine so schlechte Entscheidung, oder?

Gewiss nicht. Viele Experten trauen Ihnen den Sprung in die NBA, die beste Basketball-Liga der Welt, zu. Wann melden Sie sich zum Draft an?

Hollatz: Der NBA-Draft ist vielleicht irgendwann mal ein Thema. Jetzt habe ich mich damit nicht befasst. Ich bin noch zu schlecht für die NBA. So ehrlich muss ich sein.

In einem Interview hat Bundestrainer Rödl erwähnt, dass er Sie auf dem Zettel hat.

Hollatz: Das habe ich zuerst gar nicht mitbekommen, erst meine Mutter hat mich darauf aufmerksam gemacht. Herr Rödl hat in der Chemnitz-Serie kurz Hallo zu mir gesagt. Ich war überrascht, aber es hat mich total gefreut. Irgendwann möchte ich mal für die A-Nationalmannschaft spielen.

Welche Rolle spielt Ihre Familie bei den Entscheidungen, die Sie treffen?

Hollatz: Ohne meine Familie wäre ich nie so weit gekommen. Sie haben mich früher überall hingefahren. Meinen Geschwistern und mir hat es an nichts gefehlt. Meine Oma Anni ist früher immer zu uns nach Hause gekommen, um für uns zu kochen, damit wir was Vernünftiges zu essen hatten, bevor wir ins Training gingen. Noch heute macht sie uns Lunchpakete, wenn ich in Wedel spiele.

Stimmt es, dass Sie in einer Basketball-verrückten Familie aufgewachsen sind?

Hollatz: Oh ja, so kann man das sagen. Meine Oma Anni und Opa Helmut sammeln jeden Zeitungsartikel von mir und haben sich erst einmal ein Telekom-Abo geholt, damit sie in der neuen Saison meine Bundesligaspiele sehen können. Meine Schwester Josefine, die gerade ein Praktikum bei den Towers macht, hat auch richtig Talent, spielt in der Hamburger Auswahl. Und gegen meinen Bruder, der in Oldenburg spielt, hoffe ich, in der nächsten Saison in der Bundesliga spielen zu können. Das ist unser Traum.

Auf dem Grundstück Ihres Elternhauses sollen extra Gummiplatten verlegt worden sein, damit Sie einen besseren Trainingsplatz haben.

Hollatz: Den Platz nutze ich heute noch, um meinen Wurfrhythmus zu behalten. Mein Papa hat früher auch gespielt und war praktisch unser Privattrainer. Manchmal haben meine Geschwister und ich auch gegen ihn gespielt, aber als er merkte, dass er keine Chance mehr gegen uns hat, hat Papa es lieber sein lassen. (lacht)

Sie wohnen noch zu Hause, dabei könnten Sie sich nach Ihrem ersten Profivertrag doch wahrscheinlich eine tolle Wohnung gönnen.

Hollatz: Mein Plan war es immer, bis zum 20. Lebensjahr auszuziehen. Das werde ich auch schaffen. Wenn ich mein Abitur im nächsten Jahr gemacht habe, werde ich in Wilhelmsburg in meine erste eigene Wohnung ziehen. Das wird bestimmt cool. Aber bis zu den Prüfungen ist es doch ganz gut, wenn ich mich nicht auch noch ums Kochen kümmern muss.

Sie sprechen die Schule an. Wie wollen Sie Abitur und Basketball-Bundesliga unter einen Hut bekommen?

Hollatz: Ab Februar hat die Schule für mich Priorität. Dann wird das Training bei den Towers ein wenig zurückgefahren, damit ich lernen kann. Das ist mit Sportchef Marvin Willoughby besprochen. Ein vorzeitiger Schulabbruch war nie ein Thema. Eine Verletzung kann eine Karriere von einem auf den anderen Moment beenden. Da will ich vorbereitet sein.

Sind Sie als Schüler vor Klausuren genauso abgeklärt wie in einem Play-off-Finale?

Hollatz: Schön wär´s! Von der Nervenbelastung her ist eine Klassenarbeit für mich deutlich heftiger als ein Play-off-Spiel. Sport und Mathe liegen mir ganz gut. Bio ist eher kritisch, aber der Lehrer macht ganz entspannten Unterricht. Deutsch in der Oberstufe heißt viele Bücher lesen. Das ist ein bisschen ätzend.

Jetzt können Sie ja erst einmal Ihren entspannten Sommer genießen, bevor der Stress mit Schule und Bundesliga beginnt.

Hollatz: Ich hatte zwei, drei Wochen Ruhe. Die habe ich auch gut genutzt. Viel im Bett gelegen, abgeschaltet und meine Freunde getroffen. Aber ich habe ja noch ein Ziel im Sommer.

Die U-18-EM in Griechenland?

Hollatz: Genau. Es stehen Lehrgänge an, in denen ich mich empfehlen möchte. In der U15 war ich mal im Perspektivkader, wurde aber nie genommen. Ein Länderspiel habe ich noch nicht auf dem Konto, aber das ändert sich ja vielleicht bald.