Hamburg. Koné dementiert aber ein Wechselgerücht. Williams’ finanzielle Vorstellungen werden nicht erfüllt. Zweitligist will Talente ausbilden.

Wer Hamed Attarba­shi, 39, und Marvin Willoughby, 38, analog oder digital erreichen will, braucht derzeit viel Geduld. Trainer und Sportchef der Hamburg Towers sind im Dauerstress. Rund 70 Telefonate am Tag, dazu das Schreiben und Beantworten von Dutzenden Mails lassen wenig Raum für andere Aktivitäten. Der Basketballclub geht wieder mal auf Spielersuche. Zwei Jahre nach seiner Gründung steht der Wilhelmsburger Verein vor seinem dritten Neuanfang in der Zweiten Bundesliga ProA. Weil die Towers wohl erneut einige ihrer Stars verlieren werden, müssen im Sommer andere her. Der Wandel ist bis zu einem gewissen Grad auch gewollt. Der stete Neuaufbau könnte zum Markenkern der Hamburg Towers werden.

Welches Sportteam ersetzt die Hamburg Freezers?

„Wir sind wirtschaftlich noch nicht in der komfortablen Lage, diejenigen, die wir unbedingt halten wollen, auch um jeden Preis halten zu können. Deshalb müssen wir uns immer wieder neu erfinden“, sagt Sportchef Willough­by. „Wir haben uns aber in der Basketballszene in kurzer Zeit den Ruf erworben, dass man sich bei uns als Spieler in einem leistungsorientierten Umfeld verbessern kann.“ Das sei ein geldwerter Vorteil und erleichtere manche Verhandlungen mit Agenten und deren Klienten. Mit einem Spieleretat von rund 400.000 Euro, etwa einem Drittel des Gesamtbudgets, rangieren die Towers in der ProA nicht unter den ersten acht. Aufsteiger Rasta Vechta konnte in der vergangenen Saison 1,2 Millionen Euro für seinen Kader ausgeben.

„Wir haben zweimal overperformed“

„Mit Platz acht in der ersten und Rang fünf in der zweiten Saison haben wir bisher zweimal overperformed; sportlich alles und noch viel mehr aus unseren finanziellen Möglichkeiten herausgeholt. Diese Leistung ein drittes Mal zu wiederholen, wird eine große Herausforderung“, sagt Willoughby. Nirgendwo in der Ersten und Zweiten Liga erhielten jedoch deutsche Spieler mehr Einsatzzeiten als bei den Towers, nirgendwo sei der Anteil einheimischer Korbjäger an der Punktausbeute höher. „Bei uns versauert kein Talent auf der Bank“, sagt Trainer Attarbashi.

Publikumsliebling Jonathon Williams, 26, wird die Towers dennoch verlassen. „Jon hat finanzielle Vorstellungen, die wir nicht erfüllen können und werden“, sagt Willoughby. Der US-Flügelspieler, der zur vergangenen Saison vom Drittligisten Itzehoe nach Hamburg wechselte, hatte sich schnell in der Liga etabliert und wurde der zweitbeste Towers-Scorer hinter Spielmacher Bazoumana Koné, 22.

Koné widerspricht Gerüchten

Den wiederum jagt inzwischen fast die gesamte Bundesliga. Dass er bereits einen Vertrag in Gießen unterschrieben haben soll, dementiert Koné: „Da ist nichts dran.“ Am Sonntag saß er mit seinem NBA-Kumpel Dennis Schröder in Bamberg beim dritten Play-off-Halbfinale gegen Bayern München auf der Tribüne, das die Bamberger 96:65 gewannen und in die Finalserie einzogen. „Bazou muss jetzt den nächsten Schritt machen“, sagt Attarbashi, „dass er dazu in der Lage ist, hat er in der vergangenen Saison bei uns hinreichend bewiesen. Und es wäre eine Auszeichnung für unsere Arbeit, wenn er den Sprung in die Bundesliga jetzt schaffen würde.“

Ähnlich begehrt ist Juniorennationalspieler Louis Olinde, 18. „Louis formuliert für sich das Ziel NBA. Damit er es in die stärkste Liga der Welt schafft, muss alles optimal laufen. Wenn er gesund bleibt, kann man es aber kaum verhindern, dass er A-Nationalspieler wird“, sagt sein Agent Bennet Ahnfeldt (You First). Dass Olinde nächste Saison für die Towers wirft, schließt Ahnfeldt nicht aus: „Hamburg ist ein interessanter Standort, um den Weg weiterzugehen. Louis wollte sich aber noch andere Vereine anschauen. Das hat er getan.“ Bei den Optionen in Deutschland handele es sich um Erstligisten, die ein „gutes Ausbildungskonstrukt“ mit einem Farmteam als Kooperationspartner bieten. Bamberg mit dem ProA-Team Baunach wäre ein solcher Club. Olinde will seine Entscheidung bis spätestens Ende nächster Woche treffen.

Towers kämpfen um Spielmacher Canty

Das neue Towers-Team wollen Willoughby und Attarbashi um ihren zweiten deutschen Top-Spielmacher Anthony Canty, 25, aufbauen. „Wir kämpfen um Tony“, sagt Willoughby. Dagegen wird einer der rekonvaleszenten Center, Stefan Schmidt, 27, oder Michael Wenzl, 25, den Club verlassen müssen, wahrscheinlich Wenzl. Willoughby: „Der Betreffende weiß Bescheid.“ Die zwei höchsten Türme hatten zum Ende der Hauptrunde kurz nacheinander einen Kreuzbandriss erlitten und wären erst im November fit.

Grundsätzliche Vorstellungen, wie die neuen Towers aussehen sollen, haben Willoughby und Attarbashi nach inzwischen mehr als 1000 Telefonaten schon: fünf bis sieben leistungsstarke Deutsche, möglichst aus der Region, vier Spieler mit Doppellizenz, die auch für Kooperationspartner Rist Wedel in der Zweiten Bundesliga Nord ProB auflaufen können, sowie drei US-Amerikaner. Wichtigstes Kriterium für alle, sagt Attarbashi, sei, „dass sie charakterlich zu uns passen müssen“. Dafür betrieben er und Willoughby über ihre Netzwerke auch eine umfängliche Umfeldrecherche. Ende der Woche wollen die Towers die ersten Ergebnisse ihrer Rasterfahndung bekannt geben.