Hamburg. Basketballer der Towers, Huskies-Footballer oder HSV-Handballer könnten nach dem Aus des Eishockeyteams Fans und Sponsoren anlocken.
Für Reiner Brüggestrat fühlt es sich noch immer so an, als wäre ein enger Freund gestorben. Der Vorstandssprecher der Hamburger Volksbank hat das Aus der Hamburg Freezers, deren US-Eigner Anschutz Entertainment Group (AEG) am Dienstagabend endgültig entschieden hatte, auf einen Lizenzantrag für die Saison 2016/17 in der Deutschen Eishockey-Liga zu verzichten, noch nicht verdaut. Brüggestrat hat jedoch nicht nur eine emotionale Bindung zu den „Eisschränken“, sondern auch ein wirtschaftliches Interesse. Die im November 2008 erbaute Trainingsstätte der Freezers im Volkspark trägt den Namen des Kreditinstituts. Datiert ist der Vertrag noch bis November 2018.
Unmittelbare Konsequenzen hat das Aus nicht. „Sechs Prozent des Etats kamen durch die Freezers. Rein ökonomisch ist das nicht existenzgefährdend. Aber natürlich wollen wir die Volksbank Arena auch weiter mit Sport füllen“, sagte Brüggestrat, der Mitglied im Hamburg Freezers e. V. ist. In den kommenden Wochen will der Förderverein klären, ob und wie die Nachwuchsabteilung des Proficlubs zu retten ist. Ein Erhalt der Young Freezers in der Deutschen Nachwuchs-Liga ist unwahrscheinlich. Rund 250.000 Euro kostete das Team pro Saison, den Großteil übernahmen die Freezers.
Kooperation mit Crocodiles wird geprüft
Um aktiv mitzuhelfen, dass der Eishockeysport in Hamburg nicht komplett von der Bildfläche verschwindet, soll auch eine Kooperation mit den Crocodiles geprüft werden, die in der drittklassigen Oberliga nun klassenhöchster Hamburger Vertreter sind. In Kürze sollen auch Gespräche mit der Stadt und Irmelin Otten, der Präsidentin des Hamburger Eis-und Rollsportverbands, intensiviert werden. Als Hoffnungsträger sieht Brüggestrat Freezers-Kapitän Christoph Schubert, der mit enormer Eigeninitiative für die Rettung gekämpft hatte. „Schubert wäre der perfekte Mann dafür, Eishockey von unten wieder aufzubauen. Das hat sein Engagement in den letzten Tagen gezeigt“, sagte Brüggestrat.
Die Initiative einiger Fangruppen, die die Freezers gern zu einem Neustart in einer unteren Spielklasse bewegen würden, dürfte indes im Sande verlaufen. Die Markenrechte an Clubname, Logo und dem Slogan „Der Norden sind wir“ liegen komplett bei der Spielbetriebs GmbH, deren einziger Gesellschafter die AEG ist. Dass diese die Rechte abtritt, ist unwahrscheinlich. Und so stellt sich zunächst einmal die Frage, welche Teams in Hamburg die Freezers ersetzen könnten.
HSV-Handballer allein in der Volksbank Arena
Die Handballer des HSV Hamburg, durch die Insolvenz der Betriebsgesellschaft in die Dritte Liga abgerutscht, sind jetzt plötzlich allein zu Haus in der Volksbank Arena. „Wir finden es unendlich traurig, dass wir unsere Nachbarn verlieren“, sagte Vizepräsident Martin Schwalb am Donnerstag anlässlich der Vorstellung von Neuzugang Jan Forstbauer vom Bundesligisten MT Melsungen. Es sei sogar geplant gewesen, mit den Freezers gemeinsam um neue Geldgeber zu werben. Dass der frühere deutsche Meister und Champions-League-Sieger nun an die Freezers-Sponsoren herantrete, verbiete sich aber: „Wir werden auf keinen Fall Leichenfledderei betreiben“, stellte Schwalb klar. Vier Monate nach der Insolvenz und dem Rückzug des Bundesligateams sieht der frühere Meistertrainer den HSV „auf gutem Weg. Wirtschaft und Stadt lassen uns nicht hängen.“ Mit dem rechten Rückraumspieler Forstbauer, der einen Dreijahresvertrag erhielt und ein Studium beginnen will, ist die Personalplanung weitgehend abgeschlossen.
Neue Heimspielstätte wird die Sporthalle Hamburg. Für ein bis zwei Saisonspiele will der HSV ins vertraute Ambiente der Barclaycard Arena zurückkehren. Ob es nun mehr werden, darüber gab es bereits Gespräche mit Arena- und Freezers-Chef Uwe Frommhold, der zunächst ohne Hometeam plant. Schwalb: „Wenn wir helfen können, sind wir gesprächsbereit. Wir müssen aber erst einmal sehen, wie wir angenommen werden.“ Kalkuliert wird mit 700 bis 800 Zuschauern.
Towers hoffen auf neue Eventfans
Mit der Frage, ob die Hamburg Towers vom Aus der Freezers profitieren könnten, hat sich Sportchef Marvin Willoughby bereits beschäftigt: „Natürlich hoffen wir, dass ein Teil des Eventpublikums zu uns nach Wilhelmsburg abbiegt. Schwerer dürfte jedoch der entstandene Imageschaden wiegen, der potenzielle Sponsoren abschrecken könnte, in den Profisport zu investieren. Da müssen wir neues Vertrauen aufbauen.“ Der Zweitliga-Basketballclub hält an seinen Planungen fest, die Bundesliga nicht kurzfristig zu erzwingen, auch weil sich der Etat mit bislang 1,2 Millionen Euro gegenüber der vergangenen Spielzeit nicht verändert hat.
„Wir müssen uns Schritt für Schritt entwickeln, und der nächste ist, dass wir unsere Bekanntheit in der Stadt, die nach meiner Einschätzung unter zehn Prozent liegt, erhöhen“, sagt Willoughby. Alle Heimspiele werden auch in der nächsten Saison in der Inselparkhalle (3400 Plätze) gespielt, ein Ausflug in die Barclaycard Arena steht nicht einmal ausnahmsweise zur Debatte. „Wenn irgendwann 3000 Leute vor der Tür stehen sollten, weil sie kein Ticket bekommen haben, können wir über einen Umzug nachdenken“, sagt Willoughby. Der Besucherschnitt in der vergangenen Saison lag bei rund 2900.
Huskies steigen auf Popularitäts-Skala
Bis zu 2000 Fans kommen zu den Heimspielen der Hamburg Huskies. Die Footballer sind damit der nach dem HSV wohl populärste Erstligist der Stadt, obwohl das Stadion im Hammer Park auf die Bedürfnisse in diesem Sport so gar nicht zugeschnitten ist. Vom Aus eines Profiteams haben die Huskies schon einmal profitiert: Nach dem Rückzug des NFL-Europa-Teams Hamburg Sea Devils 2007 lief deren Fanclub Sea Vibrations zum damaligen Zweitligisten über. Dass die Huskies selbst ein ähnliches Schicksal erleiden, ist kaum zu befürchten: Die Spieler sind Amateure, der Club hat nur kleine Sponsoren und lebt vornehmlich von den Mitgliedsbeiträgen.
Auf das Ende der Freezers haben die Huskies bereits reagiert – und ihr GFL-Heimspiel gegen die Berlin Rebels (So, 15 Uhr) zum „Fan Day“ erklärt. Wer im Trikot der Freezers, des aus der Frauen-Bundesliga ausgeschiedenen Volleyballteams Aurubis oder der HSV-Handballer kommt, erhält freien Eintritt. Zudem rief Schubert die Freezers-Fans auf, am Sonntag (12 Uhr, Barmbeker Straße) das Bundesligaderby der Hockeyherren des Harvestehuder THC und des Uhlenhorster HC zu besuchen, um UHC-Idol Moritz Fürste für dessen Unterstützung bei der Rettungsaktion zu danken.
Botschaft von Huskies-Coach Patrick Esume im Zuge der Freezers-Rettung: