Hamburg. Louis Olinde von den Hamburg Towers ist eines der größten Talente in Deutschland. Vater Wilbert wurde dreimal deutscher Meister.
Die schöne Altbauwohnung der Familie Olinde in der Winterhuder Gryphiusstraße hat eine Deckenhöhe von 3,50 Meter. Das ist auch gut so. Vater Wilbert, 60, misst 2,02 Meter, sein 17 Jahre alter Sohn Louis mit den Endlosbeinen sogar 2,05 Meter. Und der Schlaks wächst noch.
In welcher Sportart die Riesen zu Hause sind, belegt neben dem Eingang zur Küche der Mini-Korb mit den Autogrammen der Hamburg Towers auf dem Brett. Am Ende des langen Flurs in Louis’ Kinderzimmer klebt über dem Bett ein Poster von Michael Jordan mit ausgebreiteten Armen. Auf dem Boden flattert eine Sammlung knöchelhoher Sportschuhe in Größe 48,5 jugendlich umher.
Louis Franklin Olinde ist eines der größten deutschen Basketballtalente, er ist das „Türmchen“ im Kader des Zweitligisten Hamburg Towers. Sein Vater Wilbert ging einst mit dem Spitznamen „Black Pearl“ auf Korbjagd. Die schwarze Perle wurde zu einem der ersten US-amerikanischen Stars der Basketball-Bundesliga. 1977 war Olinde aus Kalifornien zum ASC Göttingen gewechselt. Er führte jenes legendäre Team aus der Universitätsstadt, dem auch Nowitzki-Entdecker Holger Geschwindner angehörte, als Kapitän zu drei deutschen Meistertiteln.
Der Basketball wurde dem U-18-Nationalspieler Louis also mit in die Wiege gelegt. Zumal auch Mutter Ursula ihre Gene weitergab. Als 1,91-Meter-Center herrschte sie bei Zweitligist BG Göttingen einst unter den Körben. Trotzdem kann man auch bei den Olindes einen anderen Weg einschlagen als den naheliegenden. Das beweist der jüngere Sohn Jason. Der 14-Jährige spielt lieber Fußball als Rechtsaußen beim TSV Eppendorf-Groß Borstel am Brödermannsweg. „Er will sein eigenes Ding machen“, sagt Wilbert Olinde.
Olinde war auch ein guter Schwimmer
Auch Louis entschied sich erst als Zehnjähriger endgültig für Basketball. Bis dahin hatte er ähnlich begabt seine Bahnen beim Hamburger Schwimm-Club gezogen. „Ich musste mich für eins entscheiden, und Basketball macht doch mehr Spaß.“ Ursula und Wilbert Olinde redeten ihm da nicht rein. „Wir leben ja nicht unser Leben in ihm fort. Er muss sein eigenes Leben finden“, sagt die Mutter. Ob die zwei wirklich keine überehrgeizigen „Eislauf-Eltern“ seien? „Nein, wir haben großes Vertrauen in Louis, wir lassen ihm freien Lauf“, sagt der Vater.
Der studierte Diplomkaufmann berät selbstständig Unternehmen. Er nennt sich „Inspirationscoach“, an seiner Haustür steht als Firmenschild „Black Pearl“. Dieser dauerstrahlende Mann sprüht vor positiver Energie, die ihm selbst auch während seiner 1987 diagnostizierten Blasenkrebserkrankung half. In die Profi-Ambitionen seines Sohns versucht er sich nicht einzumischen.
„Ich gebe ihm nur Tipps, wenn er auf mich zukommt und mich etwas fragt. Ich habe volles Vertrauen in Louis und seine Trainer.“ Louis’ erster Trainer war der heutige Towers-Headcoach Hamed Attarbashi – als Louis sechs war und Attarbashi noch die Jugend des BC Hamburg trainierte. Auch Towers-Sportdirektor Marvin Willoughby coachte ihn lange im Piraten-Nachwuchs. Derzeit trainiert und spielt Louis parallel für drei Teams: für die Piraten in der Jugend-Basketball-Bundesliga, für die Drittligamannschaft SC Rist Wedel, und er schnuppert auch schon bei den Towers rein.
Am dritten Spieltag feierte er sein Pflichtspieldebüt gegen Heidelberg (75:77). Das war zwar nur ein dreisekündiger Blitzeinsatz direkt vor der Halbzeit mit seinem Kumpel und Klassenkameraden Lennard Larysz, 17. Sie berührten beide kein einziges Mal den Ball, verteidigten nur, „aber es war trotzdem cool“, erzählt Louis. Die Vorbereitung und die konzentrierte Stimmung in der Kabine beeindruckten ihn am meisten. „Es ging alles noch viel professioneller zu als bei Wedel. Die Towers sind ja alle Vollprofis, bei Wedel ja nur die beiden Amerikaner.“
Hohe Athletik und gutes Spielverständnis
Louis ist ehrgeizig. Der Zwölftklässler der Eliteschule des Sports am Dulsberger Alten Teichweg trainiert zweimal täglich, morgens zwei Stunden in der Schule, abends in Wedel oder Wilhelmsburg. Er fährt mit dem HVV zum Training, schläft nachmittags, trinkt Eisweißshakes zum Muskelaufbau an seinem noch zu schlaksigen Körper. Viel Freizeit bleibt ihm nicht. „Manchmal hätte ich gern mehr Zeit zum Freunde treffen und Fifa-Zocken“, sagt er. Das Gefühl, viel zu verpassen, hat er nicht. Seine Mitschüler seien schließlich auch alle Sportler. Im Frühjahr macht er sein Abitur, sein Notendurchschnitt ist derzeit 2,0, „ohne tierisch viel zu lernen“, wie er meint.
Einen Karriereplan haben sein Vater und er nicht aufgestellt. „Ich habe viele verlockende Optionen“, sagt Louis. Zum Beispiel wäre es ein Traum für ihn, irgendwann mit den Towers mal in der Ersten Liga zu spielen. Aber genauso wäre eine College-Karriere reizvoll, am liebsten an der berühmten University of California, Los Angeles, an der sein Vater 1975 NCAA-Champion wurde. „Ich mag den amerikanischen Lifestyle“, schwärmt Louis.
Seinen Vater hat er nie live spielen sehen. Nur mal auf Videokassette. „Auf YouTube gibt es ja so alte Spiele nicht“, sagt Louis. Wilbert Olinde war bis zu seinem Karriereende 1987 als Power und Small Forward aktiv. Louis spielt ebenfalls auf diesen Positionen, zusätzlich noch als Shooting Guard. „In der Jugend kann ich fast alle Positionen spielen, weil ich groß und trotzdem beweglich bin.“ Bei der U-16-EM 2014 gehörte er zur „Starting Five“, zu der ersten fünf Deutschlands. Was schätzt denn der Vater als Stärken seines Sohnes ein? „Er ist sehr athletisch, hat ein gutes Spielverständnis“, sagt Wilbert. „Und er hat mehr Zug zum Korb als ich.“ Noch arbeiten könne Louis an seinem Wurf. „Aber als ich 17 war, war ich noch nicht so gut. Und er ist sehr selbstbewusst. Das war ich nicht.“
Louis ist „selbstbewusst und zugleich höflich und bescheiden. Ein feiner Junge mit einem super Elternhaus“, sagt Towers-Coach Attarbashi. Auf die Frage, wie er sich im großen Schatten seines Vater fühle, sagt Louis lässig: „Ach, so groß ist der nicht mehr.“ Das war nur ein Spaß. „Natürlich ist er mein Vorbild. Er und Kobe Bryant.“