Hamburg. Max Paatz, Geschäftsführer der Hamburg Sea Devils, spricht über neue Heimspielstätten – und lässt die Zukunft des Headcoaches offen.

Die Saison 2023 in der American-Football-Europaliga ELF endet für die Hamburg Sea Devils an diesem Sonntag (13 Uhr) mit dem letzten Hauptrundenspiel bei Berlin Thunder. Für Geschäftsführer Max Paatz (47) beginnt die Arbeit aber erst richtig.

„Wir müssen in den kommenden Wochen die Weichen stellen, um im nächsten Jahr wieder konkurrenzfähiger zu sein“, sagt er im Fazitgespräch.

Hamburg Sea Devils erlebten enttäuschende Saison

Hamburger Abendblatt: Herr Paatz, die Sea Devils haben nach zwei Finalteilnahmen in Serie in der dritten ELF-Saison die Play-offs verpasst und eine negative Siegbilanz erspielt. Bevor wir zur Aufarbeitung kommen: Gibt es positive Aspekte, die Sie aus der Saison 2023 mitnehmen?

Max Paatz: Wir haben unsere Vernetzung in Wirtschaft und Sport deutlich ausbauen können. Football ist keine unbedeutende Randsportart mehr, es gibt viel mehr proaktives Interesse von potenziellen Partnern. Dazu hat die Kooperation mit dem HSV Früchte getragen, wir haben auch zu Teutonia 05 und zu den Hamburg Towers umfassende Kontakte, aus denen Kooperationen entstehen können.

Umso bitterer für Sie, dass die Mannschaft sportlich nicht überzeugen konnte. Sie hatten vor der Saison angesichts des großen Umbruchs gewarnt, dass das dritte Erreichen des Finale kein Selbstgänger sei. Hätten Sie dennoch mehr erwartet?

Paatz: Ich hätte schon gedacht, dass wir erfolgreicher spielen würden, als von elf Spielen nur vier zu gewinnen. Eine Erklärung ist sicherlich das Verletzungspech, insbesondere bei unseren Importspielern. Wenn dir jede Woche aufs Neue deine Eckpfeiler wegbrechen, ist das schwierig zu kompensieren, weil viel Qualität fehlt. Das hat dann auch nichts mit dem Umbruch und dem Generationswechsel zu tun. Vieles blieb deshalb Stückwerk, wir haben nie Ruhe ins Team bekommen.

Einiges war jedoch auch hausgemacht. Fangen wir beim Quarterback an. Nachdem sich Preston Haire verletzt hatte, wurde in Isaiah Green ein US-Amerikaner geholt, der das System nicht kannte, anstatt auf Moritz Maack und Salieu Ceesay zu bauen, von denen Cheftrainer Charles Jones immer behauptet hat, sie seien erste Wahl. Warum?

Paatz: Von außen betrachtet mag das planlos erscheinen, intern jedoch standen wir mit dem Rücken zur Wand, weil die Wechselfrist ablief und wir wussten, dass Green in Istanbul in der vergangenen ELF-Saison gut abgeliefert hatte. Aber wir haben dann nach wenigen Wochen gemerkt, dass es nicht passt, und dann auf Mo gesetzt.

US-Quarterback Isaiah Green war Transferflop

Sie haben Green schnell wieder entlassen. Aber haben Sie die beiden Deutschen damit nicht ohne Not abgewertet? Und wie planen Sie im kommenden Jahr?

Paatz: Dass wir sie abgewertet haben, denke ich nicht. Mo ist ein Spieler, der sich voll in den Dienst des Teams stellt und kein Problem hat, sich hinter einem stärkeren US-Amerikaner einzuordnen. Mit welchem Quarterback als Nummer eins wir in die Saison 2024 gehen, werden wir im Herbst besprechen. Preston ist ein Spieler, der menschlich und sportlich sehr gut zu uns passt, er fühlt sich hier wohl und ist nicht umsonst trotz seiner Verletzung die ganze Zeit beim Team geblieben, um eine Bindung aufzubauen. Aber es kann genauso sein, dass wir uns für Mo entscheiden, denn unser Ziel muss es sein, neue Gesichter für die Sea Devils aufzubauen, und dabei setzen wir vor allem auf lokale Spieler.

Unser Eindruck war, dass diese Gesichter nach dem Abgang von Kasim Edebali und Miguel Boock fehlten, es gab keine Anführer, zu wenig Identifikationsfiguren.

Paatz: Dieser Eindruck täuscht nicht. Uns fehlt ein Leader, und man darf infrage stellen, ob die Positionen, die wir mit Imports besetzt haben, wirklich die wichtigsten waren. Vielleicht hätten wir bei den Passempfängern lieber auf unsere starke deutsche Fraktion setzen und stattdessen einen Top-Runningback aus Amerika holen sollen, der unser Laufspiel auf das notwendige Level gehoben hätte. Es gibt einige Spieler, die das Zeug hätten, Anführer zu sein, aber die müssen lauter werden und diese Rolle annehmen wollen.

Auch über das Trainerteam lässt sich diskutieren. In Brett Morgan hatten Sie einen Offensive Coordinator verpflichtet, der als Coach vorgestellt wurde, der die Offense auf ein neues Level heben würde. Wenige Wochen nach Saisonstart war er weg. Warum?

Paatz: Es gab interne Probleme, auf die ich öffentlich nicht näher eingehen werde, die uns zwangen, einen anderen Weg einzuschlagen. Brett ist ein sehr guter Coach, aber es hat mit dem Team nicht geklickt. Wir müssen uns bemühen, Spitzentrainer zu finden, die bereit sind, unter den gegebenen Rahmenbedingungen zu arbeiten.

Zukunft von Headcoach Jones ist offen

Abseits des Fakts, dass sein Vertrag noch für kommende Saison gilt: Was spricht dafür, dass Charles Jones Cheftrainer bleibt?

Paatz: Fakt ist: Yogi hat noch einen laufenden Vertrag und hat sich ohne Frage mit sehr viel Hingabe und Leidenschaft dem Projekt Sea Devils verschrieben. Natürlich müssen wir uns aber nach einer solchen Saison mit jeder Personalie befassen, uns reflektieren und dann ganz in Ruhe und mit dem nötigen Abstand die richtigen Entscheidungen für die Zukunft treffen. Wir werden uns dazu entsprechend mit unseren Eignern (die Brüder Zeljko und Tomislav Karajica, d. Red.) und dem Coach in den kommenden Wochen intensiv besprechen.

Wäre Defensive Coordinator Kendral Ellison nicht in der Lage, das Amt zu übernehmen? Zumal es heißt, dass er im vergangenen Jahr und auch jetzt wieder entsprechende Angebote anderer Teams hat.

Paatz: Kendral ist definitiv ein Kandidat, der es nach drei Jahren hervorragender Arbeit auch verdient hätte und auch aus lokalen Gesichtspunkten bestens geeignet wäre.

Ein wichtiges Thema hinsichtlich der Weiterentwicklung bleibt die Infrastruktur. Sie würden gern jedes Spiel im Volksparkstadion spielen, haben aber wegen der Fußball-EM auch 2024 nur einen Termin mit dem HSV vereinbaren können. Wo spielen die Sea Devils nächstes Jahr?

Paatz: Es ist bekannt, dass wir das Stadion Hoheluft nicht als optimal bewerten. Die Zuschauerzahlen dort sind in dieser Saison rückläufig, was weniger am sportlichen Misserfolg liegt als daran, dass die Fans dort dem Wetter schutzlos ausgesetzt sind und wir auch strenge Lärmschutzregeln befolgen müssen. Das Optimum wäre, ein Stadion zu haben, das wir uns mit anderen Sportarten teilen, in dem wir bei einem Fassungsvermögen zwischen 7000 und 15.000 den Großteil unserer Heimspiele absolvieren und für Highlights in den Volkspark ziehen. Für ein solches Stadion hat Teutonia 05 einen Investor, was fehlt, ist eine Fläche. Da ist nun auch die Stadt Hamburg gefordert, Lösungen zu finden.

Heimspiele im Bremer Weserstadion denkbar

Diskussionen dazu gibt es schon länger, aber bis so ein Stadion steht, vergehen einige Jahre. Droht das Szenario, dass die Sea Devils außerhalb Hamburgs spielen?

Paatz: Dieses Szenario ist sogar realistisch, und ich würde das Wort ,drohen’ in dem Zusammenhang nicht verwenden. Es ist möglich, dass wir beispielsweise2024 im Bremer Weserstadion oder an der Lübecker Lohmühle spielen. Und wir halten es durchaus für interessant, unsere Fanbasis auf ganz Norddeutschland auszuweiten.

Neue Fans gewinnt man vor allem mit zwei Faktoren: Nahbarkeit und Identifikation, aber auch sportlichem Erfolg. Was also erwarten Sie für 2024?

Paatz: Sportlich muss das Ziel sein, dass wir uns wieder für die Play-offs qualifizieren. Nach einem großen Umbruch muss man sich zwar auch Zeit geben, deshalb baue ich nicht den Druck auf, dass es der Titel sein muss. Aber es ist wichtig, Fortschritt zu definieren, und das ist für die nächste Saison der Play-off-Platz. Außerdem wollen wir unsere Hamburger Talente weiter intensiv ins Team integrieren, um die lokale Verbundenheit zu stärken. Dafür müssen wir mit jedem einzelnen Spieler sprechen, ob er bereit ist, sich dafür entsprechend aufzuopfern. Wir hatten einige Jungs, die sich gut entwickelt haben, aber auch andere, für die es okay war, nur dabei zu sein. Glanz und Glamour sind aber nicht das, was in der ELF zählt, sondern sportlicher Erfolg. Dafür braucht es Ehrgeiz und Biss, und davon müssen wir 2024 mehr zeigen.