Hamburg. Die Stute gewinnt das Hauptrennen zum Auftakt der Horner Derby-Woche. Tierschützer kritisieren das Meeting an der Horner Rennbahn.

Amazing Grace genoss die Abkühlung sichtlich, schlürfte gierig Wasser aus dem bereitgestellten Eimer und ließ sich geduldig die strapazierten Beine abspritzen. Die vierjährige Stute hatte gerade das Hauptrennen zum Derby-Auftakt der Galoppderby-Woche in Horn souverän gewonnen. Auf der Zielgerade ließ sie den verbliebenen sechs Konkurrentinnen im mit 22.500 Euro dotierten Preis „170 Jahre Hamburg Renn-Club“ mit ihrem Speed keine Chance. Ihre Siegprämie: 13.500 Euro.

Die Topfavoritin, der Toto zahlte 15 Euro für zehn Euro Wetteinsatz, überquerte nach 2200 Metern mit anderthalb Längen Vorsprung vor Kolossal mit Mickael Forest im Sattel die Ziellinie. Ihr italienischer Jockey Marco Casamento war hinterher schwer angetan von seinem Ritt: „Amazing Grace ist ein absolutes Klassepferd. Ich musste fast gar nichts tun.“

Pünktlich zum Beginn der Galoppderby-Woche hatte zuvor der Hamburger Tierschutzverein von 1841 (HTV) erneut gegen den Missbrauch von Pferden als Sportgerät protestiert und „die brutalen Trainingsmethoden“ kritisiert. Es würden auf deutschen Galopprennbahnen auch immer wieder Pferde wegen Verletzungen oder stressbedingten Erkrankungen sterben. Laut der Tierrechtsorganisation Peta „mussten zwischen 2015 und 2019 hierzulande mindestens 50 Pferde noch auf den Rennbahnen eingeschläfert werden“.

Derby: Amazin Grace galoppiert an davon

Rüdiger Stein-Schomburg ist einer von mehreren Tierärzten, die auf der Horner Rennbahn auf das Wohl der Galopper achten. Der Veterinärmediziner aus Bargfeld-Stegen (Kreis Stormarn) führt im Hamburger Umland eine mobile Pferdepraxis, ihm gehören selbst drei Rennpferde. Die Vorwürfe sind ihm bekannt, er hält sie für übertrieben: „Das Training dient dazu, die natürliche Lust der Pferde am Laufen, am Galoppieren zu erhalten. Es ergibt keinen Sinn, die Tiere im Training auszuquetschen, sie würden dann in den Rennen keine Leistung mehr bringen.“

In Horn werden die Pferde von den Ärzten wie in all den Jahren engmaschig überwacht. Vor dem Rennen kontrollieren die Mediziner im Führring deren körperlichen Zustand, begutachten das Fell, achten besonders auf die Gangart, ob zum Beispiel ein Pferd lahmt. Dasselbe Prozedere wird direkt vor dem Start auf der Bahn wiederholt, nach dem Rennen folgt der finale Gesundheitscheck, bevor es zurück in die Stallungen geht.

Lebensgefahr bei Derby-Stürzen mit verletzten Pferden

Auch die Jockeys sind sich ihrer Verantwortung bewusst, haben kein Interesse, ein krankes oder verletztes Pferd zu reiten. Das könnte bei Geschwindigkeiten zwischen 50 und 60 km/h für sie lebensgefährlich werden, sollte es etwa zu Stürzen kommen. Im fünften der zehn Rennen in Horn, dem mit 7000 Euro dotierten Ausgleich IV „Preis der Schwartauer Werke“, zog deshalb Jockey André Best die irische Stute Hija de La Luna kurz vor dem Start zurück, nachdem er beim Aufgalopp eine leichtes Lahmen an ihrem rechten Vorderbein verspürte.

Die Hitze wiederum wäre für gut trainierte Hochleistungspferde kein gesundheitliches Problem, sagt Stein-Schomburg. In Horn wurden am Sonntagnachmittag 28 bis 30 Grad Celsius gemessen, erst bei mehr als 32 Grad sollten vorsorglich Maßnahmen ergriffen werden, sagt der erfahrene Tierarzt.

Bei mehr als 40 Grad sollten Rennen aber abgesagt werden, weil die Galopper dann zu viel Flüssigkeit verlören. Die normale Körpertemperatur der Pferde, im Ursprung Steppentiere, liegt zwischen 37,8 und 38,2 Grad Celsius, mit den körperlichen und psychischen Belastungen eines Rennens, das zwischen zwei und drei Minuten dauert, steigt diese in der Regel um ein Grad.

Pferdeschutz beim Derby: Wasser im Fokus

Ganz wichtig sei es, dass die Tiere hinterher genug Wasser zum Saufen erhielten, rund 20 Liter sollten es schon sein. Einige leeren dabei ihren Eimer sofort, andere lassen sich dafür mehrere Stunden Zeit. Zusätzlich Elektrolyte ins Wasser zu mischen, um den Mineralstoffhaushalt auszugleichen, hält Stein-Schomburg für nicht zwingend erforderlich: „Die sind meistens bereits dem Futter beigemischt.“

Der veranstaltende Hamburger Renn-Club (HRC) zog unterdessen ein zufriedenes Fazit des Aufgalopps zur Derbywoche. Mit 5000 Zuschauerinnen und Zuschauern wurden die Erwartungen übertroffen, auch der Wettumsatz lag mit 343.456,52 Euro, davon 106.378,50 Euro vor Ort auf der Bahn, klar über der Plangröße. „So darf es an den nächsten vier Renntagen weitergehen“, sagte HRC-Präsident Hans-Ludolf Matthiessen.

Am heutigen Montag um elf Uhr steht auch das Feld für das 153. Deutsche Galopp-Derby fest, das am nächsten Sonntag gelaufen wird. 21 Pferde standen am Vorabend noch auf der Liste, 20 dürfen starten. Unklarheit herrschte über den Meldestatus von Queroyal, dem Hengst des Gestütes Paschberg der Familie Kirstein in Brackel. Er müsste eventuell für 65.000 Euro nachnominiert werden.