Sechs U21-Europameister von 2009 waren Korsettstangen auf dem Weg zum WM-Triumph. Im Finale ragte von ihnen Jerome Boateng heraus. Der Abwehrspieler gewann nahezu jeden Zweikampf.
Rio de Janeiro. Mario Götze schoss das goldene Tor, Bastian Schweinsteiger war der Leader, aber einen mindestens ebenso großen Anteil am Triumph im WM-Finale gegen Argentinien hatte Jerome Boateng. Der Innenverteidiger machte das Spiel seines Lebens, er brachte Lionel Messi und Co. als Turm in der Schlacht zur Verzweiflung.
Und nicht umsonst legte ihm Mats Hummels ein paar Augenblicke nach dem Schlusspfiff dankbar den Arm um die Schulter – Boateng war immer da gewesen, wo es gebrannt hatte, auch für seinen im Endspiel nicht immer fehlerlosen Nebenmann. Die Szene stand sinnbildlich für das Teamwork in der ganzen Manschaft, das Bundestrainer Joachim Löw nach dem Schlusspfiff bewegt als „unglaublich“ bezeichnete.
DFB-Präsident Wolfgang Niersbach erinnerte in seinem Interview in der ARD kurz nach der Siegerehrung nicht umsonst sofort an die „Klasse von 2009“, die Boateng im großen Finale von Rio de Janeiro so grandios angeführt hatte – und die dem deutschen Fußball noch viele weitere Jahre Freude bereiten soll. „Es standen heute sechs Spieler auf dem Platz, die vor fünf Jahren in Schweden U21-Europameister geworden sind“, sagte Niersbach – und lag damit nicht ganz richtig.
Durch den kurzfristigen Ausfall von Sami Khedria waren im Endspiel nur fünf Helden von 2009 dabei, neben Boateng und Hummels noch Torwart Manuel Neuer, Benedikt Höwedes und Mesut Özil. Andererseits: Boateng hätte im Endspiel auch gut für zwei zählen können. Mit nahezu perfektem Stellungsspiel und Timing im Zweikampf, herausragender Übersicht und seinem erstklassigen Kopfballspiel war er am Sonntag die entscheidende Figur in der Vierer-Abwehrkette.
Boateng gewann 83 Prozent seiner Zweikämpfe (Hummels: 64 Prozent) und strahlte ebenso wie Neuer eine geradezu Ehrfurcht gebietende Präsenz aus. „Ich bin körperlich müde, aber innerlich überglücklich, dass wird es geschafft haben. Das Spiel war auch auf dem Platz aufregend, superintensiv“, sagte Boateng und wirkte dabei wie so oft in Interviews ein wenig hölzern.
Geradezu ein Spaziergang war dagegen damals bei der U21-EM das 4:0 im Finale in Malmö gegen England gewesen. Und trotzdem veranschaulicht dieses Spiel vorzüglich, dass „wir nicht zuletzt durch unsere gute Nachwuchsarbeit so weit gekommen sind“, wie es Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff formulierte.
Bei den in Brasilien bereits in der Vorrunde gescheiterten Three Lions war von den damaligen Akteuren nur James Milner dabei. In der DFB-Elf bildete das Sextett, das den Durchmarsch von Malmö nach Rio schaffte, einen unersetzbaren Block – vor allem die fünf Defensivkräfte. „Das sind alles Leader, Winnertypen“, sagte der damalige U21-Trainer Horst Hrubesch über „seine Jungs“.
Wie wichtig es ist, bereits bei den Junioren die richtige Ausbildung zu erhalten, verdeutlichte Mats Hummels. „Wir haben frühzeitig gemeinsam gelernt, die Dinge richtig einzuordnen. Deshalb hebt niemand nach einem Sieg ab, und keiner verzweifelt an einer Niederlage. Wir gehen mit unseren Leistungen sehr sachlich um“, sagte der Dortmunder. Diese Sichtweise habe ihnen nicht zuletzt Hrubesch vermittelt.
„Wir wissen heute schon, dass weitere tolle Spieler nachrücken“, sagte Niersbach voller Stolz und Vorfreude nach dem Triumph im Maracana. Und der Präsident meinte nicht ausschließlich die Spieler, die jünger sind als die „Klasse von 2009“ und die in Brasilien schon dabei waren. Aber schon beim Aufzählen ihrer Namen muss jede Fußball-Nation auf der Welt erkennen, dass der neue Weltmeister am Anfang einer goldenen Ära stehen könnte: Thomas Müller, Toni Kroos, Shkodran Mustafi, Matthias Ginter, Ron-Robert Zieler, Christoph Kramer, Julian Draxler, Erik Durm, André Schürrle und Mario Götze.