Ein Tor von Mario Götze in der Verlängerung sichert der deutschen Fußball-Nationalmannschaft einen 1:0-Finalsieg nach Verlängerung gegen Argentinien – und den vierten WM-Titel nach 1954, 1974 und 1990.
Rio de Janeiro. Als die Mission erfüllt war, gab es kein Halten mehr. Bundestrainer Joachim Löw konnte kurz mit seinem Assistenten Hansi Flick abklatschen, dann verschwand er in der Jubeltraube der deutschen Nationalspieler. Durch ein Traumtor von Mario Götze in der 113. Spielminute hat sich die deutsche Fußballnationalmannschaft nach 1954, 1974 und 1990 den vierten WM-Titel gesichert. Das 1:0 nach Verlängerung gegen Argentinien war ein unfassbar hartes Stück Arbeit, doch am Ende stand der verdiente Lohn für die deutsche Auswahl, die als erste europäische Mannschaft auf dem amerikanischen Kontinent den Titel holte. Um Mitternacht deutscher Zeit stemmte Kapitän Philipp Lahm den goldenen Pokal, den ihm Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff überreicht hatte, in den Nachthimmel von Rio.
Löw hatte gegen Argentinien zum dritten Mal in Folge die Elf seines Vertrauens aufbieten wollen. Doch sein wohlüberlegter Plan wurde nur wenige Minuten vor dem Anpfiff durchkreuzt. Statt auf den zuletzt bärenstarken Sami Khedira, der sich nach dem Warmmachen mit Wadenproblemen abmeldete, musste Löw auf Christoph Kramer setzen (siehe Seite 2). Was für ein Paukenschlag! Trotz der Umstellung blieb Philipp Lahm auf der rechten Abwehrseite. Um Superstar Lionel Messi sollten sich abwechselnd Linksverteidiger Benedikt Höwedes, Innenverteidiger Mats Hummels sowie die defensiven Mittelfeldspieler Bastian Schweinsteiger und Kramer kümmern. Und für die Offensive zeigten sich erneut Toni Kroos, Thomas Müller, Mesut Özil und Miroslav Klose verantwortlich.
Doch von Deutschlands nach dem geschichtsträchtigen 7:1-Halbfinalsieg über Brasilien so hochgelobter Abteilung Attacke war nach dem Khedira-Schock wenig zu sehen. Löws Mannschaft machte zwar das Spiel, war aber ohne Stabilisator Khedira enorm anfällig für Konter. Bereits nach drei Minuten war es Gonzalo Higuaín, der einen verunglückten Freistoßtrick der Deutschen auf der anderen Seite fast zum frühen Stimmungsdämpfer nutzte. Der Neapolitaner war auch die Hauptfigur des nächsten DFB-Missgeschicks, als er nach einer zu kurzen Kopfballrückgabe von Kroos alleine vor Torhüter Manuel Neuer auftauchte, aber vorbeischoss. Neuer wurde nach dem Finale als bester WM-Torhüter ausgezeichnet.
Neun Minuten später war Higuaín erstmals treffsicher – aus deutscher Sicht aber glücklicherweise aus Abseitsposition. Die 30. Spielminute blieb allerdings eine Schockminute, da Khedira-Ersatz Kramer, der eine Viertelstunde zuvor von Ezequiel Garay versehentlich niedergestreckt worden war, rausmusste. Kroos rückte ins defensive Mittelfeld, Löws Lieblingsjoker André Schürrle kam – und hatte gleich die erste deutsche Torchance (37.).
Anders als fünf Tage zuvor gegen Brasilien, wo 90-minütiger Einbahnstraßenfußball höchster Qualität geboten wurde, entwickelte sich von nun an im Maracanã ein echter Fußballkrimi mit hochkarätigen Chancen auf beiden Seiten. Die beste hatte Deutschland in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit mit einem Höwedes-Kopfball an den rechten Pfosten. Zwei Minuten nach Wiederanpfiff schlich sich Messi im Rücken Boatengs davon und kreuzte wie aus dem Nichts alleine vor Neuers Tor auf. Doch auch der Schuss des mehrfachen Weltfußballers, der als Entschädigung zum besten Spieler des Turniers gewählt wurde, wollte den Weg ins Netz einfach nicht finden, was neben den rund 13.000 Deutschen im Maracanã vor allem die brasilianischen Anhänger freute, die dem Erzrivalen aus dem Nachbarland den Titel nicht gönnten.
In der Folge verloren die Deutschen den Zugriff auf das Spiel und konnten den Weltmeister von 1978 und 1986 nicht unter den Druck setzen, der nötig gewesen wäre, um die beste Defensive des Turniers aus den Angeln zu heben. Argentinien blieb, vor allem durch Messis Einfälle, gefährlich, hatte aber auch weniger Zug zum Tor. Kurz vor Ende der regulären Spielzeit endete die grandiose WM-Geschichte des besten Torjägers aller Zeiten. Für Klose, der viel gearbeitet hatte, kam Mario Götze. Dann ging es in die Verlängerung – und wie!
Schürrle scheiterte aus sieben Metern an Romero, der eingewechselte Rodrigo Palacio mit einem Heber frei vor Neuer. Und dann kam Götze: Eine Hereingabe Schürrles nahm der Münchner mit der Brust an und bugsierte den Ball im Fallen volley an Romero vorbei ins Netz. 1:0! Es folgte eine Abwehrschlacht, die Führung wurde über die Zeit gebracht. Der vierte WM-Titel war perfekt. Die Feiern sollen jetzt erst so richtig beginnen. Um 16 Uhr hebt an diesem Montag der Flieger der Nationalmannschaft in Rio ab, um am frühen Dienstagmorgen in Berlin zu landen. Dort ist am Vormittag die größte deutsche Fußballparty aller Zeiten geplant.
Die Statistik
Deutschland: 1 Neuer (Bayern München/28 Jahre/52 Länderspiele) - 16 Lahm (Bayern München/30/113), 20 Boateng (Bayern München/25/46), 5 Hummels (Borussia Dortmund/25/36), 4 Höwedes (FC Schalke 04/26/28) - Kramer (Gladbach) ab 31. Schürrle (FC Chelsea), 7 Schweinsteiger (Bayern München/29/108), 18 Kroos (Bayern München/24/51) – 13 Müller (Bayern München/24/56), 11 Klose (Lazio Rom/36/137) ab 88. Götze, 8 Özil (FC Arsenal/25/62) ab 120. Mertesacker
Argentinien: 1 Romero (AS Monaco/27/54) – 4 Zabaleta (Manchester City/29/43), 15 Demichelis (Manchester City/33/41), 2 Garay (Benfica Lissabon/27/25), 16 Rojo (Sporting Lissabon/24/28) – 6 Biglia (Lazio Rom/28/26), 14 Mascherano (FC Barcelona/30/105) – 8 Pérez (Benfica Lissabon/28/11) ab 86. Gago, 10 Messi (FC Barcelona/27/93), 22 Lavezzi (Paris St. Germain/29/37) Ab 46. Aguero – 9 Higuaín (SSC Neapel/26/43) ab 78. Palacio
Schiedsrichter: Rizzoli (Italien)
Zuschauer: 74.000
Tore: 1:0 Götze (113.)