Hamburg. Die Kiezkicker sind am Ziel angelangt. Wie die ersten Feierlichkeiten abliefern und welche Ziele jetzt noch ausgegeben werden.
Ein Lied. Das sollte die Belohnung für den Aufstieg sein. Auf Händen wurde Fabian Hürzeler getragen über den Rasen des Millerntor-Stadions getragen. Das war dem Cheftrainer des FC St. Pauli ein wenig zu viel.
„Ich bin ein Typ, der nicht gern abhebt“, sagte ausgerechnet er, einer der größten derzeitigen Trainer-Emporkömmlinge des deutschen Fußballs. Aber nein, er wünschte sich nur ein Lied, als er und die Aufstiegsmannschaft in die Kurve zwischen Haupt- und Südtribüne aufgestiegen waren. Und was für eines!
FC St. Pauli steigt in die Bundesliga auf - und feiert
„Die Nummer eins, die Nummer eins, die Nummer eins der Stadt sind wir“, sang Capo Hürzeler vor, und die Zehntausenden, die rund eine Stunde zuvor unmittelbar nach Abpfiff des 3:1 (1:0)-Sieges gegen den VfL Osnabrück den Platz gestürmt hatten, konnten gar nicht genug davon bekommen, es immer und immer wieder zu trällern. Wohl an, der Zeremonienmeister wollte es schließlich „die ganze Nacht“ hören.
Regelrechte Entertainer-Qualitäten entwickelte der 31-Jährige in diesen Minuten größter Gefühle, die die tiefe Verbundenheit und Liebe zwischen dem Team und den Zuschauern offenbarten. „Die Mannschaft war die ganze Saison Vorbild in Sachen Arbeitsethik. Heute Abend versuche ich, Vorbild zu sein. Als Feierbiest, Alteeeeeeer“, brüllte ein völlig entfesselter Hürzeler ins Mikrofon, beorderte Sportchef Andreas Bornemann, „den Designeeeeeer der Mannschaft“, nach vorn.
Kapitän Irvine in Tränen aufgelöst: „Wollte es unbedingt mit St. Pauli"
Und dann gab er noch einen letzten Auftrag in dieser Aufstiegssaison: „Jetzt will ich meinen Captaiiiiiiiin! Jacko, Jackson Irvine“, leitete der Coach ein und gab das Mikrofon weiter.
Und der Boss im Team lieferte, stimmte „Olé, olé, olé, olé, super Hamburg, St. Pauli“ an. Eine gute halbe Stunde zuvor lief es beim Kapitän. Nach Worten ringend wie sonst nur in Zweikämpfen auf dem Platz war der 31-Jährige völlig überwältigt. „Ich habe schon ein paar Tränen verdrückt“, sagte er noch, dann umarmte ihn Eric Smith – und Irvine verdrückte noch ein paar Tränen mehr.
Vor zwei Jahren war St. Pauli enttäuscht, heute oben auf
„So etwas wie jetzt habe ich noch nie gefühlt, ich bin überflutet mit Glück und Emotionen. Meine ganze Karriere habe ich dafür gearbeitet, in solch einem Team spielen zu dürfen. Wir haben uns am ersten Tag der Saison dieses Ziel gesetzt, und ich wollte es so, so sehr mit St. Pauli schaffen“, sagte Irvine. Vor zwei Jahren hatte er auf Schalke die Enttäuschung eines verpassten Aufstiegs erlebt, sie nagte bis zum Sonntag an ihm.
Die Tabellenspitze der 2. Bundesliga
1. FC St. Pauli 34 / 62:36 / 69
2. Kiel 34 / 65:39 / 68
3. Düsseldorf 34 / 72:40 / 63
4. HSV 34 / 64:44 / 58
5. Karlsruhe 34 / 68:48 / 55
6. Hannover 34 / 59:44 / 52
7. Paderborn 34 / 54:54 / 52
8. Fürth 34 / 50:49 / 50
Dann war der Australier seine Dämonen los. „Und es hilft, wenn du einen Magier in deinen Reihen hast“, sagte er noch, als Marcel Hartel vorbeilief – ehe wieder die Tränen liefen.
Verlängert Hartel jetzt auch seinen Vertrag?
Ach, Hartel. Was lief auch der. Was rannte er sich 33 Spiele die Lunge aus dem Leib. Was sprintete er, als nach Abpfiff alle nicht vorhandenen Dämme gebrochen und die Fans das Spielfeld geflutet hatten. Und was spielte dieser Mittelfeldspieler für eine sagenhafte Saison. Was spielt er noch? Bundesliga!
Einer anstehenden Vertragsverlängerung vom besten Zweitligaspieler dieser Saison steht nun nichts mehr im Weg. „Na, spielen wir zusammen Bundesliga?“, fragte der 17-fache Torschütze und 13-malige Vorlagengeber dann auch vielsagend in Richtung der Platzstürmer.
Doppeltorschütze Afolayan zahlte einst fürs Fußballspielen
Es war ein Nachmittag der Geschichten. Wörtlich, weil der Kiezclub mit dem sechsten Aufstieg Historisches erreichten; im Großen; aber auch im ganz Kleinen. „Vor sechs oder sieben Jahren“, so genau wusste er das gar nicht mehr, „habe ich noch studiert und dafür bezahlt, Fußball bei einem Amateurverein spielen zu dürfen“, sagte Oladapo Afolayan, der sechs oder sieben Jahre nach Beginn seines Tiefbau-Studiums dafür bezahlt wird, die Hamburger mit zwei Toren und dem Assist zum Kopfballtreffer von Hartel, in die Bundesliga geführt zu haben. „So etwas mitzuerleben, ist mit nichts auf der Welt zu ersetzen“, sagte der Engländer.
Der blitzschnelle Rechtsaußen ist eines der Paradebeispiele dafür, was Hürzeler im seltenen rationalen Teil der Statements nach der Begegnung als „sehr lernwillige Spieler“ bezeichnete. „Die Mannschaft hat es aus sich heraus geschafft, eine Einheit zu bilden“, lobte der Erfolgscoach, der eine eigentlich bereits vergessene Episode der Geschichte nicht auslassen wollte.
Hürzeler erinnert an seine Vorgänger Schultz und Favé
„Das Ganze hier ist nicht erst vor eineinhalb Jahren gestartet, als ich übernommen habe. Die Basis haben wir schon vorher gelegt, zusammen mit Timo Schultz und Loic Favé gelegt“, sagte Hürzeler über seinen Vorgänger Schultz sowie Ex-Assistenzkollegen Favé.
Noch ehe er dann weitere Fragen – wie die witzige von Osnabrücks sympathischem Trainer Uwe Koschinat, wie man denn „im Detail einen Aufstieg schafft“ – beantworten konnte, folgte die Bierdusche durch die Mannschaft, die den Presseraum gestürmt hatte. Von da ging es auf das improvisierte Podium zwischen Haupt und Süd.
Bornemanns Sohn gibt Meisterschaft als Ziel aus
Fertig waren sie da noch lange nicht. Mit der Partynacht am Sonntag, mit den Feierlichkeiten der nächsten Tage, aber auch nicht mit den sportlichen Zielen, die weiter so seriös wie möglich angegangen, und daher ohne verfrühten Mallorca-Trip, werden.
Der Auftrag dafür kommt von ganz oben: Bornemanns Sohn persönlich, sagte der Papa – der das so stolz sagte, wie es nur Papas sagen können, wenn sie den eigenen Nachwuchs an öffentlicher Stelle erwähnen können – fordere „die deutsche Meisterschaft der Zweiten Liga“. Wer will da schon widersprechen. „Also, auf geht’s nach Wiesbaden, wir holen uns das Ding“, sagte Bornemann senior.
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Die Nummer eins der Stadt. Und bald schon die Nummer eins der Zweiten Liga.