Hamburg. Warum der vereinslose Schlussmann nicht jedes Angebot annimmt. Und wie sein Verhältnis zu seinem langjährigen Club FC St. Pauli ist.

Ein arbeitsloser Torwart ist super. Sagen Trainer. Aber ein Torwart ohne Job ist im Grunde nichts anderes, als jeder andere Arbeitssuchende auch: eben arbeitslos.

So musste auch der ehemalige Torwart des FC St. Pauli, Robin Himmelmann, am 1. Juli beim Arbeitsamt vorstellig werden um mitzuteilen, dass Zweitligist Holstein Kiel ihm keinen neuen Vertrag für die laufende Saision gegeben hat.

Himmelmann erzählt im "Millerntalk" von seiner Situation

„Die konnten dort natürlich nicht helfen, aber immerhin ist abgesprochen, dass keiner auf die Idee kommt, jede Woche zwei Bewerbungen sehen zu wollen“, erzählt der 34-Jährige im Abendblatt-Podcast „Millerntalk“, „aber das Thema muss halt wegen Pflege- und Sozialversicherung vernünftig dokumentiert und aufgenommen werden. Genau in der Situation bin ich jetzt.“

Achteinhalb Jahre vom 11. Juli 2012 bis zum 1. Februar 2021 stand Robin Himmelmann beim FC St. Pauli unter Vertrag, absolvierte zwischen dem dem 15. Mai 2013 und dem 5. Dezember 2020 insgesamt 184 Partien.

Dann wurde er aussortiert, schloss sich bis zum 30. Juni 2022 KAS Eupen in Belgien an und half in der Rückrunde 2022/23 für neun Spiele bei Holstein Kiel aus, als dort Verletzungsnotstand zwischen den Pfosten herrschte. Die Option auf eine Vertragsverlängerung hat Kiel jedoch nicht gezogen.

Robin Himmelmann denkt über die Strafraumgrenze hinaus

„Ich hatte mir durch die Einsätze in diesem Jahr ein bisschen mehr versprochen jetzt vom Sommer“, räumt Himmelmann ein. Es gab auch Angebote, hier und da, aber es passte für ihn einfach nicht.

„Für mich war klar, dass alles, was um und in der Nähe der Ukraine ist, kein Thema ist, weil mir das zu risikoreich wäre. Auch die Entwicklungen in Israel führen für mich nicht dazu, dass ich sage, das könnte ich mir gut vorstellen“, erläutert er.

Der Torhüter ist eben jemand, der immer über den Sechzehnmeterraum hinaus gedacht hat. Dazu gehört auch die Mitarbeit als Vertreter der Vereinigung der Vertragsfußballer (VDV) in der so genannten Taskforce Zukunft Profifußball, die der Deutschen Fußball-Liga DFL Handlungsempfehlungen auf dem Weg ins Jahr 2030 geben sollte.

Mitglied in der Taskforce Zukunft des Profifußballs

Corona und damit eingeschränkte Möglichkeiten der Gespräche und Treffen sowie ein auf 37 Personen aufgeblähter Expertenkreis verhinderten aber wohl tiefgreifende Analysen über 17 im Februar 2021 veröffentlichte Handlungsempfehlungen hinaus.

„Es war ein zusammengewürfelter Haufen, wodurch Input aus allen Richtungen kam, der auch zum Teil nicht zwingend relevant für die Diskussionen war“ erinnert sich Himmelmann, „unterm Strich gab es ein Ergebnis, aber bislang bin ich eher skeptisch, inwiefern das Anwendung gefunden hat und würde Stand jetzt nicht unbedingt sagen, dass es erfolgreich war.“

Auch für soziale Themen in der Stadt und dem Viertel hat er ein offenes Herz und bei entsprechenden Aktionen auch des FC St. Pauli stand er eigentlich immer zur Verfügung. „Es war nie für mich Mittel zum Zweck, um eine bessere Position zu erlangen, sondern weil ich der Überzeugung war, dass es guten Sachen gedient hat“, erzählt er, „ ich habe da auch andere Kollegen gehabt in der Zeit, die da viel mitgemacht haben. Wir haben da ein paar coole Sachen gemacht.“

Nur Dzwigala und Smith hat Himmelmann noch kennengelernt

Auch das erklärt die große Popularität des Torwarts, die bei seiner Degradierung und der schlussendlichen Trennung zu viel Unmut bei Fans geführt hatte. Dass er am Ende nicht mehr mit der Mannschaft trainieren durfte, tat weh. Entschieden haben das Sportchef Andreas Bornemann und der damalige Cheftrainer Timo Schultz.

Immerhin ist es ihm gelungen, den Verein von den handelnden Personen zu trennen. „Die letzten Tage behält man nicht so glorreich in Erinnerung und auf das Verhältnis zu manchen Leuten hat es mit Sicherheit einen deutlichen Einfluss“, räumt Himmelmann ein, „aber es gibt viele drumherum, mit denen man jahrelang zu tun hatte, die hatten damit nichts zu tun. Zum Verein ist nichts geschmälert.“

Wie schnelllebig der Fußball ist, zeigt sich daran, dass er mit keinem einzigen Spieler aus St. Paulis aktuellen Kader noch zusammengespielt hat. Nur Adam Dzwigala und Eric Smith hatte er kurz vor seinem Rauswurf noch kennengelernt. Kontakt ins Team hinein hat er also nicht mehr, zu Ex-Kollegen dagegen schon.

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Wenn am Sonntag (13.30 Uhr/Sky) die KSV Holstein am Millerntor beim FC St. Pauli antritt, wird er nicht im Stadion sein, mit Interesse hinschauen aber sehr wohl. Dass die Schleswig-Holsteiner trotz eines großen personellen Umbruchs so stark in die Saison gestartet sind, überrascht ihn auch ein wenig. Einerseits.

Andererseits sind Spieler wie Hauke Wahl – zu St. Pauli – und Fabian Reese gegangen, die immer einen Anspruch auf einen Stammplatz hatten. „Jetzt sind junge Spieler gekommen, die Druck machen, das kann helfen“, sagt Himmelmann, „man muss sagen, das ist aufgegangen. Kiel macht einen Topjob. Es wird ein ganz enges Spiel.“