Hamburg. Der FC St. Pauli setzt beim 1. FC Kaiserslautern auf auf seine bewährten Kräfte – und die Siegesserie von Trainer Hürzeler.
Nach fast sechs Wochen Vorbereitung, sieben Siegen in sieben Testspielen und dem akribischen Einstudieren taktischer Varianten kommt es für den FC St. Pauli an diesem Sonnabend (13 Uhr, Sky und Liveticker abendblatt.de) endlich zur ersten Nagelprobe. Im Auswärtsspiel beim 1. FC Kaiserslautern im ausverkauften Fritz-Walter-Stadion auf dem Betzenberg muss sich zeigen, was all die positiven Eindrücke dieser so perfekt verlaufenen Vorbereitung wirklich wert sind. Sieben Duelle, sechs auf dem Feld und eines am Rand, werden aller Voraussicht dafür ausschlaggebend sein, wer nach 90 Minuten plus Nachspielzeit von einem erfolgreichen Saisonstart sprechen kann.
FC St. Pauli: Diese sieben Duelle werden wichtig gegen Kaiserslautern
Andreas Luthe gegen Nikola Vasilj: Während Vasilj mit 27 Jahren die beste Zeit seiner Karriere noch vor sich hat, sieht sein 36 Jahre alter Gegenüber dem Ende seiner Laufbahn langsam entgegen. Was den langjährigen Bundesligakeeper (VfL Bochum, FC Augsburg, 1. FC Union Berlin) nicht daran hindert, nach wie vor Leistungen auf hohem Niveau zu bringen. Luthe ist der verlässliche Rückhalt einer Mannschaft, deren Stärke ohnehin eher in der Verhinderung von Toren liegt – und das kann der 1,97-Meter-Hüne noch immer richtig gut. Eine Qualität, die zweifellos auch sein Gegenüber Vasilj besitzt. Der bosnische Nationalspieler hat sich zudem unter St. Paulis Torwarttrainer Marco Knoop auch am Ball enorm entwickelt, fungiert mittlerweile regelmäßig als elfter Feldspieler. Luthe ist auch mit 36 ein guter Zweitligatorhüter, Vasilj ist aber einer der allerbesten.
Terrence Boyd gegen Jakov Medic: Sollte Boyd seinen „Wettlauf gegen die Zeit“, so FCK-Trainer Dirk Schuster, gewinnen und seine Kniereizung überstanden haben, dürfte es zu einem physisch imposanten Aufeinandertreffen kommen. Medics 1,91 Meter müssen dem bulligen 1,88-Meter-Torjäger standhalten. Direkt eine harte Probe für den Kroaten, der noch in dieser Transferperiode in die Bundesliga wechseln könnte. Boyd war in der Vorsaison mit 13 Treffern der erfolgreichste Lauterer Akteur. Auch beim 2:1-Sieg der Roten Teufel im Hinspiel auf dem Betzenberg traf der 14-malige US-amerikanische Nationalspieler. Medic ist mit seiner Physis jedoch genau der richtige Mann gegen den 32-Jährigen, der zudem als eher zurückhaltender Anläufer gegen den Ball die gelegentlichen Schwierigkeiten Medics beim Spielaufbau nicht offenbaren dürfte.
Erik Durm gegen Elias Saad: Oder auch: Regionalligakicker gegen Weltmeister. Das Abstruse daran ist, dass Senkrechtstarter Saad inzwischen sogar der individuell bessere und im Mannschaftskonzept des jeweiligen Teams wichtigere Akteur sein dürfte als der mittlerweile 31 Jahre alte Ex-Nationalspieler, der 2014 in Brasilien zum WM-Kader zählte, allerdings zu keinem Einsatz kam.
Saad wiederum spielte noch bis Ende der vergangenen Hinrunde in Norderstedt Regionalliga, kam bei St. Pauli erst langsam, dann stürmisch zum Zug. Die Vorbereitung hat verdeutlicht, dass der Linksaußen nicht mehr wegzudenken ist. Seine Kreativität und für Zweitligaverhältnisse unorthodoxen „Zockerfähigkeiten“ auf engstem Raum verleihen St. Pauli eine weitere Dimension im Offensivspiel. In Durm wartet auf den 23-Jährigen wohl eine seiner bislang größten Herausforderungen, schließlich ist der Ex-Dortmunder und -Frankfurter Duelle mit Weltklassespielern gewohnt gewesen.
FC St. Pauli auf dem Betzenberg: Es wird auch ein Duell der Trainer
Kenny Prince Redondo gegen Manolis Saliakas: Zwei Spieler mit unterschiedlichem Profil, aber spektakulärer Spielweise werden die Außenbahn des Fritz-Walter-Stadions beackern. Redondo blühte in der Vorsaison in Kaiserslautern so richtig auf, ist einer der schnellsten Spieler der Zweiten Liga und traf im Hinspiel gegen St. Pauli. Seine blitzschnellen Vorstöße über links in den Raum zu kontrollieren, wenn die Pfälzer nach Ballgewinn umschalten, wird eine der Hauptaufgaben St. Paulis sein. Zu lösen ist sie nur im Kollektiv. Zugleich ist es für die Gastgeber äußerst kompliziert, Saliakas in den Griff zu bekommen. Der Grieche hat nach dem Abgang von Leart Paqarada noch mehr an Bedeutung gewonnen, das Aufbauspiel läuft nun deutlich häufiger über seine rechte Seite. Die Flanken des 26-Jährigen sind brandgefährlich, seine Distanzschüsse eine Herausforderung für jeden Torwart.
Philipp Klement gegen Jackson Irvine: Kaiserslauterns Spielmacher Klement erlebte seine mit Abstand beste Saison bereits 2018/19, als er nach dem Aufstieg mit dem SC Paderborn auf 16 Treffer und sieben Torvorlagen kam. Prompt ließ sich der aus der Bundesliga abgestiegene VfB Stuttgart seine Dienste 2,5 Millionen Euro Ablöse kosten. Doch an die Leistungen bei den Ostwestfalen kam der heute 30 Jahre alte Standardspezialist nie wieder heran, sein Marktwert ist inzwischen auf 750.000 Euro (laut transfermarkt.de) gesunken. Gegen den FC St. Pauli spielte er bisher dreimal, mehr als zwei Unentschieden kamen dabei nicht heraus. Es wird zu Jackson Irvines Aufgaben gehören,
Klements Wirkungskreise einzuengen. Dabei hat St. Paulis laufstarker, 1,89 Meter langer Kapitän in der Luft auf jeden Fall klare Vorteile gegenüber dem 14 Zentimeter kleineren Lauterer. Insbesondere bei Standards, wenn Irvine mit in den gegnerischen Strafraum eindringt, wird FCK-Trainer Dirk Schuster einen anderen Mann zur Bewachung des kopfballstarken Irvine abstellen müssen. Andererseits könnte St. Paulis Australier am Boden Probleme mit dem wendigen Klement bekommen.
Marlon Ritter gegen Marcel Hartel: Dieses Duell könnte auch trockener Ruhrgebietshumor gegen Kölsche Frohnatur lauten. Jedenfalls werden sich Wege des in Essen geborenen und fußballerisch bei RWE und Schalke 04 großgewordenen Ritter im zentralen Mittelfeld mehr als einmal mit dem aus der Rheinmetropole stammenden Hartel kreuzen. Der wiederum wird versuchen, sich durch ein Ausweichen auf die Flügel einer zu engen Bewachung Ritters zu entziehen, der in der vergangenen Saison mit vier Gelben Karten in 30 Spielen noch zu den zahmeren Roten Teufeln gehörte.
Zuletzt wurde Hartel auch dadurch auffällig, dass er in den Strafraum vordrang und prompt zu Torerfolgen kam. Dass St. Paulis Trainer Fabian Hürzeler von Beginn an sogar die Variante wagt, Hartel wie in der zweiten Hälfte im Test gegen Hapoel Tel Aviv (3:0) als „falsche Neun“ aufzubieten, scheint weniger wahrscheinlich. Dann bekäme es der 1,77 Meter große Hartel nicht mit dem noch vier Zentimeter kleineren Ritter, sondern mit den Abwehrrecken Jan Elvedi (1,87 Meter) oder Jan Tomiak (1,91 Meter) zu tun.
Dirk Schuster gegen Fabian Hürzeler: Das Trainerduell ist ein ziemlich ungleiches, wenn man das Alter und die Profierfahrung zugrunde legt. Genau 200 Bundesligaspiele, 52 Partien in der DDR-Oberliga und 114 Matches in der Zweiten Liga hat Schuster als Innenverteidiger bestritten. Dazu kamen sogar noch drei A-Länderspiele für die Bundesrepublik und vier für die DDR für den in Chemnitz, das damals noch Karl-Marx-Stadt hieß, gebürtigen Schuster. Seine größten Erfolge aber feierte er im Badischen, genauer beim Karlsruher SC, was man ihm allerdings derzeit in der Pfalz nicht übel nimmt. Vielmehr feiern ihn die FCK-Fans, weil er genau die kampfbetonte Spielweise propagiert, die auf dem Betzenberg geliebt wird.
„Wir müssen bereit sein, uns selbst und dem Gegner wehzutun, dann können wir gegen jeden Gegner bestehen“, sagte er denn auch mit Blick auf das Spiel gegen St. Pauli. Genau das will man rund um das Fritz-Walter-Stadion hören. In 48 Bundesliga- und 169 Zweitligaspielen hat er seinen „Schuster-Fußball“ spielen lassen. Wie der aussieht, bekamen zuletzt im Februar die Zuschauer im Millerntor-Stadion zu sehen. 22-mal foulten die Lauterer einen Gegner, sechsmal gab es Gelb. St. Pauli war überlegen, aber tat sich schwer und mühte sich zu einem 1:0-Sieg.
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Ein Vierteljahrhundert jünger ist St. Paulis Trainer Fabian Hürzeler, der gerade einmal die Erfahrung von 17 Zweitligaspielen als Cheftrainer aufzuweisen hat. Von denen aber hat er 13 gewonnen und zwei Unentschieden erreicht, was mit 2,41 zu einem weitaus besseren Punkteschnitt als Schusters Bilanz (1,38) geführt hat.
Nicht ganz uneigennützig schiebt Schuster seinem Pendant und dessen Team die Favoritenrolle zu. „Die sind durch die Vorbereitung marschiert und für mich neben einigen anderen Mannschaften ein ganz heißer Kandidat für den Aufstieg“, sagte Kaiserslauterns Coach jetzt. Es wird spannend zu erleben sein, mit welchen taktischen Finessen beide Trainer versuchen werden, ihr Gegenüber zu überraschen – auf der einen Seite der Erfahrene, auf der anderen Seite der akribische Ehrgeizige.
1. FC Kaiserslautern: Luthe – K. Kraus, Elvedi, Tomiak – Durm, Klement, Ritter, Zuck – Opoku, Redondo – Boyd.
FC St. Pauli: Vasilj – Medic, Smith, Mets – Saliakas, Irvine, Hartel, Treu – Metcalfe, Albers, Saad.