Hamburg. Der FC St. Pauli und Arminia Bielefeld haben zuletzt zweimal in Folge verloren. Wie die Trainer darauf reagieren.

Bielefeld – das gibt es doch gar nicht! Von wegen. Die augenzwinkernd vorgetragene Verschwörungstheorie über die Nicht-Existenz der ostwestfälischen Gemeinde erklärten die Stadtväter 2019 offiziell als widerlegt. Auch Trainer Fabian Hürzeler vom FC St. Pauli weiß vor dem Zweitligaspiel am Sonnabend (13 Uhr/Sky) gegen Arminia Bielefeld sehr genau, dass er mit einem äußerst lebhaften Gegner rechnen muss: „Die Mannschaft spielt mit unheimlicher Energie.“

„Gibt´s doch nicht“ denken Beobachter höchstens, wenn sie die aktuelle sportliche Situation des Traditionsvereins sehen. Platz 15 mit nur einem Punkt Vorsprung auf den direkten Abstiegsrang 17. Rund um die „Alm“ läuten inzwischen alle Alarmglocken, dem Team droht der freie Fall binnen eines Jahres von der Bundesliga in die dritte Liga. Ein Super-Gau.

Trainer Uwe Koschinat soll Absturz stoppen

Aufhalten soll diesen unerwarteten Absturz Trainer Uwe Koschinat (51). Seit dem 9. März leitet er die Arminen an, als bereits dritter Übungsleiter in dieser Saison. Zunächst war da der Italiener Uli Forte (48), der nach vier Niederlagen zum Saisonauftakt schon am 17. August wieder gehen musste. Dann folgte Daniel Scherning (39), der in 19 Partien durchschnittlich nur 1,11 Punkte holte – zu wenig, um aus dem Tabellenkeller zu kommen.

Also musste auch er gehen – und der langjährige Sportchef Samir Arabi gleich mit. Seit März 2011 war Arabi bei der Arminia verantwortlich, der Bundesligaaufstieg 2020 war der größte Erfolg, für den aber Trainer Uwe Neuhaus eher die Meriten erntete als der Sportchef. Trainerwahl und Kaderzusammenstellung in dieser Spielzeit wurden dem 44-Jährigen nun angekreidet, der offiziell selbst zurücktrat.

Schwerer Rückschlag für Arminia in Hannover

„Wir wollen die Position des Hauptverantwortlichen für den Sport neu besetzen“, erklärte der Aufsichtsratsvorsitzende Hartmut Ostrowski, „kurzfristig geht es nur um den Klassenerhalt.“ Erst wenn feststeht, in welcher Liga der DSC Arminia in der kommenden Saison spielt, soll der neue Sportchef kommen. Der müsste dann eine fast komplett neue Mannschaft zusammenstellen, denn die allerwenigsten Spielerverträge gelten für die dritte Liga. Das darf es nicht geben.

Koschinat muss es nun also richten, unterstützt nur von (Finanz)Geschäftsführer Christoph Wortmann (46), der selbst erst seit 1. Januar im Amt ist. Mit Koschinat blieb das Team in den ersten vier Spielen ungeschlagen, gewann sogar gegen Tabellenführer Darmstadt 98. Zuletzt gab es aber wieder zwei Niederlagen, wobei das 1:3 gegen Hannover 96 ein Rückfall in vergangen geglaubte Zeiten war. „Das war ein Rückschritt, den kannte ich in dieser Form nicht“, sagte Koschinat offenbar verwundert: „Viele sagten mir aber, das sei typisch für den Verlauf der Saison.“

Der erfahrene Trainer, der 2019 und 2020 mit Sandhausen den Klassenerhalt geschafft hatte, hat die Woche genutzt, um seinen Spielern klar zu machen, was er erwartet. „Gegen 96 haben die Bedingungslosigkeit und die Leidenschaftlichkeit gefehlt“, sagte er , Wir hatten viel aufzuarbeiten, inhaltlich als auch emotional.“

Trainer Hürzeler will bis zum Ende jedes Spiel gewinnen

Da hatte er in der vergangenen Woche viel mit Fabian Hürzeler gemeinsam, der auch zwei äußerst frustrierende Niederlagen aufarbeiten musste. „Ich habe im Training gesehen, dass wir wieder positiver wurden, dass die Jungs gemerkt haben, es geht weiter“, sagte der St.-Pauli-Coach nun: „Deshalb bin ich sehr positiv gestimmt und meine Spieler auch.“

Auf keinen Fall soll die Saison nun austrudeln oder oder dazu genutzt werden, Spielern Einsätze zu verschaffen, die noch nicht so oft auf dem Platz standen. „Wir haben jetzt keine neuen Ziele entwickelt, weil auch davor unser Ziel war, jedes Spiel zu gewinnen“, erklärte Hürzeler: „Ich stelle die Spieler auf, von denen ich glaube, sie werden uns maximalen Erfolg bringen. Wir sind im Leistungssport, da geht es um Ergebnisse.“

Beide Trainer ähnelten sich auch im Lob für das jeweils andere Team. „Wir treffen auf das Top-Team der Rückrunde“, sagte Koschinat, „St. Pauli ist trotz der zwei Niederlagen in einer fantastischen Verfassung.“ Sein Hamburger Kollege warnt vor der Laufstärke, dem schnellen Umschalten und der Kompaktheit des Gegners: „Es wird sehr wichtig sein, dass wir nicht den selben Fehler machen wie gegen Braunschweig.“ Erstaunlich ist, dass Hürzeler die Arminia „tief stehend“ erwartet. Denn gerade das war bei Koschinat weniger der Fall, die Spieler attackierten durchaus offensiv. „Unsere erfolgreichste Art ist die aktive Spielweise“, sagte Koschinat, „deshalb wollen wir daran festhalten. Es gibt überhaupt keinen Grund sich mit dieser Mannschaft einzuigeln.“

Möglich – oder er flunkert. Koschinat wird jedenfalls alles geben, um mit Bielefeld Erfolg zu haben. Noch nie hat er einen so großen Verein trainiert, der mit seiner Tradition, der Verwurzelung in der Region und seinen Fans normalerweise immer eine Erfolgsperspektive hat. Aber eben nur, wenn es in der kommenden Saison mit Blick auf die Zweite Liga nicht heißt: „Bielefeld – das gibt es nicht!“

FC St. Pauli: Vasilj – Dzwigala, Medic, Mets – Saliakas, Irvine, Hartel, Paqarada – Metcalfe, Daschner, Afolayan

.DSC Arminia Bielefeld: Fraisl - Jäkel, Ramos, Andrade - Klünter, Prietl, Vasiliadis, Oczipka - Hack, Consbruch - Klos.