Hamburg. Die Kiezkicker lassen erstmals in diesem Jahr Punkte liegen. Warum die Spieler das vor dem Derby gar nicht so negativ sehen.

Die erste Niederlage des FC St. Pauli unter Trainer Fabian Hürzeler war gerade 20 Minuten alt, da richtete Kapitän Leart Paqarada den Blick auch schon wieder nach vorn. „Das hat vielleicht sogar noch eine aufweckende Rolle für Freitag“, sagte der Kapitän der Braun-Weißen nach dem 1:2 (0:2) gegen Eintracht Braunschweig. Was am Freitagabend sein wird, das war schon vor dem Spiel am frühen Sonntagnachmittag eifrig diskutiert worden – das Stadtderby beim HSV im Volksparkstadion.

FC St. Pauli: Abstand zum HSV bleibt bei sechs Punkten

Nach der 0:2-Niederlage eben dieses Stadtrivalen am späten Sonnabendabend beim 1. FC Kaiserslautern malten sich die St.-Pauli-Anhänger schon so schön aus, dass ihr Team mit einem Sieg im Volkspark mit den Rothosen nach Punkten in der Tabelle gleichziehen könne. Doch die nötige Voraussetzung dafür trat eben nun nicht ein – es wäre ein Heimsieg gegen die bis dahin schwächste Auswärtsmannschaft der Liga gewesen.

Genau diesen gab es aber nicht. Das 1:2 beendete auch die überragende Serie von zehn Siegen in Folge seit dem Beginn der Zweitliga-Rückrunde. Die echte Krönung blieb damit dem St.-Pauli-Team verwehrt. Sieg Nummer elf hintereinander hätte den alleinigen Rekord bedeutet, seit es die eingleisige Zweite Liga gibt. Nun muss man sich diesen Siegesserien-Bestwert mit dem Karlsruher SC erst einmal weiter teilen.

Paqarada: "Ein Derby kommt nie zur falschen Zeit"

Der Tatsache, dass nun ausgerechnet vor dem Spiel beim HSV dieser kaum erwartete Dämpfer gekommen ist und die atemberaubende Serie beendet hat, mochten die Spieler des FC St. Pauli als gar nicht so negativ und niederschmetternd werten, wie es vielleicht anzunehmen war.

„Beim Derby spielt es gar keine Rolle, was in den Tagen und Wochen davor passiert ist“, sagte Paqarada. „Ein Derby kommt nie zur falschen Zeit.“ Dabei bemühte er die insgesamt so wenig erfolgreich und in vielen Spielen unglücklich verlaufene Hinrunde seiner Mannschaft. „Da lief es auch nicht gut. Und dann haben wir das Derby 3:0 gewonnen“, erinnerte er an den Triumph Mitte Oktober vergangenen Jahres.

St. Paulis Irvine beschwört Mentalität seines Teams

Davor hatte St. Pauli das Hinspiel in Braunschweig ebenfalls mit 1:2 verloren. Nach dem Sieg im Derby aber gab es bis zum Hinrundenende auch keinen Erfolg mehr, was letztlich zur Beurlaubung von Trainer Timo Schultz führte.Eine solche Entwicklung, also ein Austrudeln der Saison, soll jetzt aber unbedingt vermieden werden, auch wenn der vage erhoffte Bundesligaaufstieg nun wieder deutlicher entfernt ist.

„Unsere Serie ist zwar vorbei, die Saison aber noch lange nicht. Es sind noch einige Spiele zu absolvieren und viele Punkte zu holen“, beschwor auch Co-Kapitän Jackson Irvine die Mentalität seines Teams. Davon hatten der Australier selbst und seine Teamkollegen auch gegen Braunschweig durchaus einiges an den Tag gelegt, auch wenn spielerisch und vor allem im Torabschluss längst nicht alles gelang. Ein wirklich schlechtes Spiel lieferte St. Pauli trotz der ersten Heimniederlage der Saison aber keineswegs ab.

Medic gelang nur noch der Anschluss für St. Pauli

Bis zum Ende kämpfte das Team zunächst um den Anschlusstreffer, der dann auch in der 85. Minute durch den in der Schlussphase als Mittelstürmer agierenden Innenverteidiger Jakov Medic nach Zuspiel von Marcel Hartel fiel. Doch zum Ausgleich kam es trotz allen Bemühens nicht mehr.

„Es hat sich gewissermaßen wie in der Hinserie angefühlt. Wir haben einfach das Tor nicht getroffen. Wir haben genug Chancen erspielt, es war ein frustrierenden Nachmittag, es ging einfach nicht in unsere Richtung“, konstatierte Irvine weiter. „Dass der Tag irgendwann kommen wird, war eigentlich klar. Die meisten haben wahrscheinlich erwartet, dass das in Heidenheim passiert. Das ist es nicht. Heute kam es jetzt eher unerwartet. Das wird analysiert und dann aber auch abgehakt“, sagte Leart Paqarada kämpferisch.

St. Paulis Trainer Hürzeler übt Selbstkritik

Eine bemerkenswerte Selbstkritik übte derweil Trainer Fabian Hürzeler, der nun auch das Erlebnis einer Pflichtspielniederlage in der Zweiten Liga in seinen Erfahrungsschatz aufnehmen muss. „Wenn wir verlieren, habe ich in der Vorbereitung etwas falsch gemacht. Beide Tore sind in ähnlicher Art und Weise gefallen“, sagte er. „Wir haben Dinge im Angriffspressing falsch gemacht.“

Auch die Spieler berichteten, dass Hürzeler im Vorwege eindringlich vor dem Umschaltspiel der Braunschweiger gewarnt hatte. Die Gegentore durch Multhaup schon nach 40 Sekunden und durch Ex-HSV-Profi Manuel Wintzheimer fielen aber genau aus diesen Situationen. „Die Braunschweiger haben genau das auf den Platz gebracht, was wir die ganze Woche vorbereitet haben, nämlich kontern und umschalten. Das haben wir gar nicht hinbekommen. Dafür wirst du dann bestraft“, sagte Paqarada.

Hürzeler sieht sogar spielerischen Schritt nach vorn

Bei aller Kritik am taktischen Verhalten bei den Gegentoren fand Hürzeler auch einige positive Aspekte im Spiel seiner Mannschaft. „Speziell in der zweiten Halbzeit hatten wir gute Abläufe und sind gut hinter die letzte Kette gekommen. Mit dem Ergebnis sind wir natürlich nicht zufrieden, mit dem Spiel an sich und angesichts der Leistung war es aber ein Schritt nach vorn. Darauf werden wir aufbauen.“

Tatsächlich hatte sein Team speziell im zweiten Abschnitt mehr Zug und bessere Kombinationen gezeigt als in manchem Spiel zuvor, etwa zuletzt beim 1:0 gegen Regensburg, als man sogar den Gegner benötigt hatte, um überhaupt ein Tor zu erzielen. Doch diesmal reichte es eben am Ende nicht. Passend dazu sprach auch Braunschweigs Trainer Michael Schiele davon, das „nötige Matchglück“ an diesem Tag auf seiner Seite gehabt zu haben.

Schiedsrichter verwehrte St. Pauli einen Handelfmeter

Das betraf auch die Überprüfung einer Handspielszene im Braunschweiger Strafraum. Videoassistent Robert Kampka hatte Schiedsrichter Robert Hartmann darauf aufmerksam gemacht, dass Anton Donkor den Ball mit der Hand berührt hatte. Hartmann sah sich die Szene an und befand die Aktion als nicht strafbar.

„Niederlagen sind für uns als Gruppe gut, um daraus zu lernen. Wir müssen uns umso besser auf das Spiel nächste Woche vorbereiten“, sagte St. Paulis Stürmer Oladapo Afolayan abschließend mit Blick auf sein erstes Derby gegen den HSV.

FC St. Pauli: Vasilj – Dzwigala (35. Aremu), Medic, Mets – Saliakas (77. Saad), Irvine, Hartel, Paqarada (86. Beifus) – Metcalfe (46. Eggestein), Daschner (77. Otto), Afolayan. Eintracht Braunschweig: Ron-Thorben Hoffmann – de Medina, Benkovic, Kurucay, Donkor – Multhaup (77. Kijewski), Henning (60. Krauße), Nikolaou, Lauberbach (77. Bonga) – Wintzheimer (86. Marx), Ujah (77. Kaufmann). Tore: 0:1 Multhaup (1.), 0:2 Wintzheimer (25.), 1:2 Medic (85.). SR: Robert Hartmann (Wangen). Zuschauende: 29.546 (ausverkauft). Gelbe Karten: Saad – Henning (4), Donkor (5). Statistik: Torschüsse: 21:10 Ecken: 4:1, Ballbesitz: 64:36 % Zweikämpfe 155:98, Laufleistung: 122,38:121,73 km.