Hamburg. Der frühere Kapitän des FC St. Pauli spricht im Abendblatt-Podcast über Siegesserien, Aufstiegschancen und seine eigene Zukunft.
Sein Puls schlägt noch etwas höher als normal, als sich Sören Gonther an seinen Rechner setzt, um per Zoom als fachkundiger Gast im Abendblatt-Podcast Millerntalk Rede und Antwort zu stehen. Die erhöhte Frequenz hat aber weder etwas mit der atemberaubenden Siegesserie des FC St. Pauli zu tun, dessen Kapitän er drei Jahre lang bis zum Sommer 2017 war, noch damit, dass seine Einschätzungen und Meinungen aufgezeichnet und danach im Podcast frei zugänglich sein werden.
FC St. Pauli: Ex-Kapitän Gonther ist Sky-Experte
„Ich bin gerade von der Autowerkstatt sechs Kilometer nach Hause gelaufen. Da musste ich ein bisschen mehr Gas geben, um pünktlich zu sein“, berichtet der heute 36 Jahre alte Verteidiger, der sich kürzlich entschlossen hat, seine Karriere als Fußballprofi für beendet zu erklären.
Laufen ist aber trotz des lädierten Knies weiter drin und Reden sowieso. Natürlich hat auch Sören Gonther, der inzwischen immer freitags als Zweitliga-Experte beim Bezahlsender Sky arbeitet, intensiv verfolgt, wie sich der FC St. Pauli seit der Winterpause aus der Abstiegszone befreit und nun sogar zu einem Kandidaten für den Bundesligaaufstieg entwickelt hat.
Gonther erlebte bei St. Pauli fünf Siege in Serie
Dabei hat er diese nun schon seit zehn Spielen andauernde Siegesserie zunächst mit gemischten Gefühlen betrachtet. „Bei einer Serie von fünf Siegen in Folge war ich ja auch noch dabei in meinem letzten Jahr bei St. Pauli. Da habe ich mich schon ein bisschen geärgert, als sie nun das sechste Mal gewonnen hatten“, gibt er mit einem Schmunzeln zu.
Aber jetzt, da am Sonntag (13.30 Uhr, Sky und Liveticker abendblatt.de) im Heimspiel gegen Eintracht Braunschweig schon Sieg Nummer elf folgen kann, sei er „ganz zu Recht raus aus der Nummer“. Vielmehr sagt er: „Ich hoffe, dass der Lauf ewig weitergeht.“
Parallelen zu St. Paulis Rückrunde 2016/17
Gewisse Parallelen zu jener Schlussphase der Saison 2016/17, als St. Pauli sechs der letzten sieben Spiele gewann, einmal unentschieden spielte und von Platz 17 auf sieben kletterte, erkennt Gonther dennoch. „Wir haben uns damals in einen Rausch gespielt und genau so ein Selbstverständnis entwickelt, wie es die Jungs auch heute haben“, stellt er fest.
Der entscheidende Unterschied ist allerdings, dass jetzt, sieben Spieltage vor dem Saison ende, nicht mehr der Abstieg droht, sondern der Blick ausschließlich nach oben gerichtet werden kann, auf Rang drei und sogar ein bisschen Platz zwei.
Stolpert St. Pauli gegen Braunschweig? Gonther hat „keine Bedenken“
Doch wie groß ist jetzt die Gefahr, dass das immense Selbstbewusstsein, das durch den jüngsten Sieg beim so heimstarken Tabellendritten Heidenheim („ein riesiges Ausrufezeichen“) noch einmal verstärkt wurde, in eine Leichtfertigkeit umschlägt, wenn es gegen einen vermeintlich leichten Gegner wie Braunschweig geht? „Ich glaube, das hätte sich dann schon in den letzten Spielen eingeschlichen. Ich habe da jetzt keine Bedenken“, sagt er.
„Ganz im Gegenteil: Der knappe Abstand, den sie jetzt nach dem Heidenheim-Spiel auf Platz drei haben, setzt eher noch mal Kräfte frei, dass sie in jedem Spiel noch mal einen Schritt mehr machen.“ Den einen, ganz präzisen Grund, warum es bei St. Pauli nach der von den Ergebnissen her schwachen Hinrunde nun derart perfekt läuft, kann auch Gonther nicht benennen. „Ich glaube nicht, dass man das jetzt einfach an dem Trainerwechsel festmachen kann“, sagt er, betont aber auch, dass er die Fähigkeiten von Fabian Hürzeler hoch einschätzt und auch dessen Handschrift im Spielsystem zu erkennen ist.
Gonther hätte auch Timo Schultz die Wende mit St. Pauli zugetraut
„Die Verstärkungen mit Karol Mets und Oladapo Afolayan haben der Mannschaft in der Abwehr und im Angriff enorm etwas gegeben“, sagt er und erwähnt auch Torwart Nikola Vasilj, der nach seinem Fingerbruch zu Beginn der Saison jetzt „eine sensationelle Rückrunde“ hinlege. Und nicht zuletzt sei das „Spielglück“ ein Faktor, das in der Hinrunde bei den meisten Spielen, die unentschieden ausgingen, fehlte und jetzt bei den knappen Siegen vorhanden sei.
So verwundert es nicht, dass Sören Gonther auf die Frage, ob er auch Hürzelers Vorgänger Timo Schultz (45) einen solchen Turnaround zugetraut hätte, ebenso klar wie knapp sagt: „Zu 100 Prozent ja.“ Schließlich habe der schon vor zwei Jahren bewiesen, dass er ein „Toptrainer“ und mit der Mannschaft aus dem Tabellenkeller herausmarschiert sei.
Ab Sommer Geschäftsfüher bei Hessen Kassel
Andererseits räumt Gonther ein, dass es nach einer 17-Punkte-Hinrunde legitim sei, über die Trainer-Personalie nachzudenken. „Zu kritisieren ist aber die Art und Weise, wie die Trennung über die Bühne ging. Drei Wochen nach dem letzten Spiel der Hinrunde und dann mit dieser Pressemitteilung“, sagt Gonther.
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Künftig kann er womöglich selbst beweisen, wie so etwas besser geht. Am 1. Juli wird er beim Regionalligisten Hessen Kassel Geschäftsführer Sport und Finanzen. Dort kann er dann nicht nur seine Profierfahrung, sondern auch die Inhalte seines absolvierten BWL-Studiums anwenden. Den FC St. Pauli, dem er fünf Jahre angehörte, wird er auch dort im Blick behalten.