Hamburg. Der Mannschaftskapitän hat sich in den Spielerrat der weltweit tätigen Profispieler-Vereinigung Fifpro wählen lassen.
Der Kapitän drehte zuletzt das eine oder andere lockere Ründchen im Mannschaftstraining. Belastungssteuerung, nichts riskieren. Jackson Irvine ist in seiner derzeitigen Verfassung für den FC St. Pauli unverzichtbar. Nicht nur, weil er der Siegtorschütze beim 1:0 gegen Hansa Rostock am vergangenen Sonntag war, sondern vor allem, weil er als Passgeber, Zweikämpfer, Ballgewinner und Vorbild vorangeht. Dieser auf den ersten Blick eher schmächtig wirkende Hippietyp steht für die neu gewonnene Widerstandsfähigkeit der Kiezkicker, die ein wesentlicher Grund für die Erfolgsserie von fünf Siegen in fünf Spielen sind. „Du musst an Dinge glauben, um sie zu erreichen“, sagte er nach dem fünften Rückrundensieg.
An Dinge zu glauben und anzustreben, sie umzusetzen, das ist eine Eigenschaft, die den vor fast 30 Jahren (Geburtstag am 7. März) in Melbourne geborenen Sohn eines schottischen Vaters und einer australischen Mutter auszeichnet. Sein soziales Engagement, das Eintreten für die Rechte von Minderheiten, gegen Homophobie, für eine gerechte Behandlung australischer Ureinwohner, den Umweltschutz ist so ehrlich wie glaubwürdig. „Der FC St. Pauli und seine Werte passen perfekt zu mir“, sagte Irvine, als er im Sommer 2021 am Millerntor anheuerte.
FC St. Pauli: Im Rat mit Tat
Vor der WM in Katar war Irvine einer der wesentlichen Initiatoren eines Videos der australischen Nationalmannschaft, in dem es hieß, „die Ausbeutung von Wanderarbeitern während des Stadionbaus kann nicht ignoriert werden“. Auch wegen dieser Aktivitäten abseits des Fußballplatzes sowie seines außergewöhnlichen Äußeren mit dem Schnurrbart, selbst gestochen Tattoos, schulterlangen Haaren und seit etwa zwei Wochen schwarz lackierten Fingernägeln ist Irvine der meist angefragte Spieler des FC St. Pauli. Er könnte ständig irgendwelchen Magazinen Interviews geben, bei Blogs auftreten oder sonst welche Medienaktivitäten mitmachen. Geht natürlich nicht.
Dennoch hat er sich eine zusätzliche Aufgabe „ans Bein gebunden“, weil er sie für wichtig hält. Vor einem Monat ließ sich Irvine in den Spielerrat der weltweit tätigen Profispieler-Vereinigung Fifpro wählen. „Das ist eine Ehre für mich“, sagte der Australier in einem Vereinsvideo: „Ich glaube, dass es für Profispieler wie für Arbeitnehmer aus allen anderen Arbeitsbereichen Leute braucht, die ihre Rechte verteidigen und dabei helfen, die jeweilige Industrie positiv zu gestalten.“
Die Fifpro (Fédération Internationale des Associations de Footballeurs Professionnels, Internationaler Bund der professionellen Fußballspieler) wurde im Dezember 1965 in Paris von französischen, niederländischen, italienischen, englischen und schottischen Spielern gegründet. Einer der wesentlichen Punkte, die die Vereinigung erreichen wollte, war das Recht der Spieler zu entscheiden, bei welchem Verein sie tätig sein wollen. Fifpro unterstützte deshalb den Belgier Jean-Marc Bosman bei seinem Rechtsstreit gegen das zuvor bestehende Ablösesystem.
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Durch das Bosman-Urteil 1995 wurde schließlich erreicht, dass Profis am Vertragsende ablösefrei wechseln können, wohin sie möchten. Für sechs grundsätzliche Prinzipien setzt sich Fifpro ein: Vertretung der Spielerinteressen, Vertretung der Spielergewerkschaften, Menschenrechte, Inklusion und Diversität, Schutz vor Missbrauch der Spieler und nachhaltiges Wachstum. „Es gibt eine große Bandbreite von Problemen, die wir bearbeiten“, sagt Irvine, „ich persönlich kümmere mich um soziale und politische Themen, weil mir diese von jeher sehr am Herzen liegen.“
FC St. Pauli: Jackson Irvine wird Mitglied im Spielerrat bei der Fifpro
Der Fifpro gehören Spielervertretungen aus 66 Ländern weltweit auf allen Kontinenten an. Die deutsche Vereinigung der Vertragsfußballer (VdV) ist neben Nordirland, Wales und Albanien sowie den baltischen Staaten und Belarus kein Mitglied, alle anderen europäischen Nationen sind dabei. Problematisch für die VdV ist, dass eine Mitgliedschaft in der Fifpro eine Übertragung der Persönlichkeitsrechte der Spieler beinhaltet.
„Eine Mitgliedschaft der VdV bei der Fifpro stünde im Widerspruch zur Rechtssituation in Deutschland und wäre daher gegenwärtig gar nicht möglich“, begründet VdV-Geschäftsführer Ulf Baranowsky die deutsche Abwesenheit. Ein konkretes Beispiel für die Rechtslage in Deutschland sind Fußball-Computerspiele wie die Fifa-Reihe. Damit die Spieler dort mit Klarnamen und Gesicht erscheinen können, hat EA-Sports Verträge mit der Fifpro abgeschlossen, in Deutschland aber mit der DFL.
Die politischen und sozialen Ziele der Fifpro teilt die VdV jedoch im Wesentlichen. „Wir sprechen auf internationalem Niveau über das Spielgeschehen mit den Vertretern von Fifpro und anderen Vereinigungen, um das Spiel noch besser zu machen“, sagt Irvine, „das ist etwas, was mich in den vergangenen Jahren interessiert hat, und ich hoffe, dass ich hier viele Jahre weiterarbeiten kann.“