Magdeburg/Hamburg. Nach dem Sieg in Magdeburg darf St. Pauli schon einen kleinen Blick nach oben wagen. Welchen Protagonisten das zu verdanken ist.

Leart Paqarada brachte es auf den Punkt. „In der Hinrunde wäre der Kopfball von Jacko an den Pfosten gegangen, und das Tor von Jakov hätte wegen Abseits nicht gezählt“, sagte der Kapitän des FC St. Pauli nach dem 2:1 (0:1)-Auswärtssieg seines Teams beim 1. FC Magdeburg.

Er beschrieb damit, wie knapp im Fußball Erfolg und Krise beieinander liegen und wie schwierig zu erklären es ist, warum es immer wieder Phasen gibt, in denen gefühlt alles schiefläuft, und dann wieder solche, in denen trotz mancher Schwächen so gut wie alles gelingt.

Seit Rückrundenbeginn surft die Mannschaft vom Millerntor jedenfalls auf einer inzwischen atemberaubenden Erfolgswelle – zumindest, was die Ergebnisse angeht. Vier Spiele, vier Siege, zwei davon auswärts – und jetzt wurde in Magdeburg erstmals seit dem 16. Oktober 2021 (4:2 beim 1. FC Heidenheim) wieder ein Rückstand in einen Vorsprung gedreht und über die Zeit gebracht. Damit beendeten die Hamburger die nächste Negativserie.

Welchen Anteil hat Hürzeler an St. Paulis Aufschwung?

Dass dieser, nach der Hinserie mit nur 17 Punkten, kaum zu erwartende Aufschwung zusammenfällt mit der Installation des bisherigen Co-Trainers Fabian Hürzeler, ist eine unbestreitbare Tatsache. Welchen Anteil der 29-Jährige daran hat, welche Rolle die drei in allen Rückrundenspielen eingesetzten Winterzugänge Karol Mets, Oladapo Afolayan und Maurides Roque Junior spielen und wie wichtig die Rückkehr von Innenverteidiger Jakov Medic nach seiner Schulter-Operation ist – darüber kann trefflich diskutiert werden.

„Es war in der Hinrunde nicht alles schlecht“, betont Hürzeler immer wieder und ist weit davon entfernt, die aktuelle Erfolgsserie nur auf seine – zweifellos akribische und zielgerichtete – Arbeit zurückzuführen. „Wir entscheiden immer im Trainerteam. Dazu haben wir einen Staff, der die Spieler optimal vorbereitet. Und die Mannschaft setzt das auf dem Platz um. Es ist immer ein Miteinander und keine One-Man-Show“, sagte Hürzeler jetzt.

Das Spiel in Magdeburg war nach einem guten Beginn lange Zeit das schwächste seiner Mannschaft in der Rückrunde. Nötig waren auch ein wenig Glück und zwei starke Paraden von Torwart Nikola Vasilj, um einen höheren Rückstand zu verhindern. „Mit einem 2:0 wäre schon fast der Deckel drauf gewesen“, haderte denn auch Magdeburgs Trainer Christian Titz, der schon geahnt hatte, dass das 1:0 von Baris Atik letztlich zu wenig für einen Sieg sein könnte.

„Gezocke!“ Hürzeler kritisiert seine Profis

Mit seinen personellen und taktischen Umstellungen in der Pause und dann noch einmal nach knapp 70 Minuten gab Hürzeler schließlich die entscheidenden Impulse. Dazu kamen strenge Worte angesichts der übertriebenen Verspieltheit einiger seiner Kicker.

„Es ist ein Unterschied zwischen Zocken und Fußball spielen. In den ersten 20 Minuten haben wir klar Fußball gespielt, dann wurde es ein Gezocke mit Außenrist, Hacke und Beinschuss – das funktioniert nicht. Ich habe den Jungs deutlich kommuniziert, dass es so nicht geht“, verriet er über seine Ansprache. „Es war fatal, dass sie nach 20 Minuten dachten, es geht so locker weiter.“

Kapitän Paqarada gestand später ein, vor dem 0:1 zu viel Risiko gespielt zu haben, was zum entscheidenden Ballverlust führte. „Ich bin aber in einem Alter, in dem mich das nicht im Spiel nicht mehr beschäftigt. Es tut mir dennoch leid für die Mannschaft“, sagte der 29-Jährige, der später mit einem Eckball das 1:1 durch den Kopfball von Jackson Irvine einleitete.

„Wir wissen, dass Jacko sehr gut köpfen können. Standards können in dieser Liga einiges bewirken“, sagte er weiter und stellte treffend fest: „In diesem Stadion mit diesem Publikum nach einem Rückstand zurückzukommen, gelingt nicht so vielen Mannschaften. Das spricht für unsere Mannschaft und ihren Charakter.“

Muss St. Pauli noch den Abstieg fürchten?

Für die komplette Wende des Spiels sorgte letztlich ein genialer Pass von Marcel Hartel auf Innenverteidiger Medic, der sich noch im Magdeburger Strafraum tummelte und eiskalt Torwart Dominik Reimann zum 2:1 überwand. „Momentan läuft es für uns, aber wir wissen, dass es noch viel Spielraum nach oben gibt.“

Diese Erkenntnis ist auch für Trainer Hürzeler eine gute Basis, um weiter auf Verständnis für seine körperlich und geistig anspruchsvolle und bisweilen ausgedehnte Trainingsarbeit zu stoßen.

Bleibt die Frage, ob sich St. Pauli als Tabellenachter und angesichts von nun neun Punkten Vorsprung auf Relegationsplatz 16 immer noch in Abstiegsgefahr fühlen muss? „Ja, in dieser Liga geht es so schnell“, war Hürzelers deutliche Antwort auf ebendiese Frage. „Wir sind immer noch in einem Prozess und definieren uns nicht über die Tabellensituation.“

St. Pauli darf träumen – vom Aufstieg?

Genau diese erlaubt nach 21 Spieltagen aber doch schon einmal einen kleinen, verstohlenen Blick nach oben. War zur Saisonhalbzeit Relegationsplatz drei noch 16 Punkte entfernt, sind es vier Spiele und vier Siege später „nur“ noch elf.

Der Fanblog „Magischer FC“ schrieb nach dem Sieg: „51-Punkte-Rückrunde weiterhin möglich.“ Träumen wird ja wohl noch erlaubt sein nach dem bezaubernd optimalen Rückrundenstart. Irgendwann klingelt der Wecker sowieso wieder.

Die Statistik:

  • Magdeburg: Reimann - Heber, Elfadli, Sechelmann - Bockhorn (80. Lawrence), Kwarteng, Conde (85. Rieckmann), Ullmann - El Hankouri (61. Ito), Brünker (61. Castaignos), Atik. - Trainer: Titz
  • St. Pauli: Vasilj - Medic, Fazliji (69. Otto), Mets - Wieckhoff (46. Maurides), Irvine, Hartel, Paqarada - Metcalfe, Daschner (87. Matanovic), Afolayan (90.+3 Beifus). - Trainer: Hürzeler
  • Schiedsrichter: Patrick Alt (Illingen)
  • Tore: 1:0 Atik (39.), 1:1 Irvine (74.), 1:2 Medic (88.)
  • Zuschauer: 24.287
  • Gelbe Karten: Kwarteng (2), Sechelmann (2) - Paqarada (3)
  • Torschüsse: 12:19
  • Ecken: 3:9
  • Ballbesitz: 50:50 Prozent