Hamburg. Chefcoach Fabian Hürzeler absolviert neben dem Job an der Kollaustraße seine Ausbildung zum Profitrainer. Einigung mit Angreifer.

Die einzige Prüfung, die für den FC St. Pauli wirklich zählt, die muss Fabian Hürzeler zum Saisonende am 28. Mai erfolgreich bestanden haben: Klassenerhalt in der Zweiten Liga. Persönlich steht für den neuen Cheftrainer der Kiezkicker schon vorher eine kaum weniger wichtige Aufgabe an. Er muss erfolgreich den Pro-Lizenz-Lehrgang des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) bestehen, um danach die Berechtigung zu haben, Vereine im Profibereich zwischen 3. Liga und Bundesliga zu trainieren. Diese Ausbildung ist für den 29-Jährigen also in gewisser Weise lebensentscheidend.

Dauerstress also – aber natürlich gewollt. An diesem Sonnabend (14 Uhr/Sky) spielt sein Team bei Borussia Mönchengladbach, die Mannschaft ist dafür schon Freitag aufgebrochen.

Ein weiterer wichtiger Test vor dem Rückrundenstart am 29. Januar beim 1. FC Nürnberg.

FC St. Pauli ist sich mit Stürmer Afolayan einig

Gleichzeitig liefen weiter die Bemühungen um den englischen Stürmer Oladapo Afolayan (25). St. Pauli ist sich nach Abendblatt-Informationen mit den Bolton Wanderers über eine Ablöse von etwa 560.000 Euro einig, allerdings bieten auch zwei englische Zweitligisten mit. Und der Spieler muss vom Sprung weg von der Insel überzeugt werden, was wohl nicht so einfach ist. „Meines Wissens ist noch nichts unterschrieben“, sagt Hürzeler vor der Abfahrt in den Westen.

Das ist das Alltagsgeschäft – und dann ist da noch die Schulbank, sozusagen. Am 28. Februar 2022 begann an der neuen DFB-Akademie in Frankfurt am Main der aktuelle Lehrgang, in dem A-Trainer in einem letzten Schritt auf die Arbeit im professionellen Hochleistungsbereich vorbereitet werden sollen. Für den einstigen Co-Trainer Hürzeler war das schon eine Doppelbelastung, der Cheftrainer Hürzeler muss einen echten Spagat zwischen Job und Ausbildung hinlegen.

St. Pauli: Hürzeler lobt DFB-Lehrgangsleiter

„Ich möchte den DFB, speziell Lehrgangsleiter Daniel Niedzkowski, loben, der mir sehr entgegenkommt. Wir sind in einem ständigen Austausch“, sagt Hürzeler. Zweimal für je drei Tage muss er noch in Präsenz in Frankfurt an der Akademie erscheinen, um seine Kompetenz in verschiedenen Lernmodulen nachzuweisen.

Inhaltlich wird der Lehrgang dann Ende März beendet sein, der formale Abschluss ist Anfang April. In den Kapiteln „Ich“, „Spiel&Spieler*in“, „Organisation“ und „System Fußball“ werden die Inhalte vermittelt. Eine klassische Abschlussprüfung gibt es nicht mehr, praktisch fortlaufend müssen die angehenden Trainer Leistungsnachweise bringen, nur ganz am Ende steht noch eine „Abschlussleistung“ an.

Lehrgang kostet 19.000 Euro pro Schüler

Insgesamt haben die 16 Teilnehmer und eine Teilnehmerin des Lehrgangs dann 700 Lerneinheiten bewältigt, viele davon digital und durch Arbeit in ihrem Stammverein. Monatlich, insgesamt 15-mal, müssen sie beim DFB drei Tage vor Ort sein. Viel praktische Arbeit findet aber in der Heimat statt. „Wir können eine Trainerin beziehungsweise einen Trainer am individuellsten und differenziertesten ausbilden, wenn sie oder er mit der eigenen Mannschaft arbeitet“, sagt Niedzkowski (46) dazu.

19.000 Euro kostet die Teilnahme an dem Lehrgang pro Schüler, dazu kommen Kosten für Unterkunft, Anreise, Verpflegung an den Präsenztagen. Der Verein trägt Belastung und Kosten mit, er profitiert ja auch von dem Wissensgewinn seines Coaches. Hürzeler konnte Ende Dezember sofort Nachfolger von Timo Schultz werden, weil der DFB Interesse daran hat, seine Studenten in Lohn und Brot zu bringen, eine Ausnahmegenehmigung oder einen „Strohmann“ mit gültiger Lizenz braucht man im Gegensatz zu früher nicht mehr.

FC St. Pauli war bei Hürzeler ein Punkt wichtig

„Trainer dürfen Jobs in der Ersten und Zweiten Bundesliga formal schon ab dem Moment übernehmen, in dem sie die Pro-Lizenz-Ausbildung begonnen haben“, erklärt Niedzkowski. St. Paulis Sportchef Andreas Bornemann räumt ein: „Das war ein zentraler Punkt in unseren Überlegungen, ihn zum Cheftrainer zu machen. Die Absprachen mit dem Lehrgangsleiter funktionieren harmonisch.“

„Fabian Hürzeler ist aus meiner Sicht ein absolutes Trainertalent und bringt sehr viel für eine tolle Karriere mit“, sagt Daniel Niedzkowski (46), Lehrgangsleiter der Pro-Lizenz-Ausbildung an der DFB-Akademie.
„Fabian Hürzeler ist aus meiner Sicht ein absolutes Trainertalent und bringt sehr viel für eine tolle Karriere mit“, sagt Daniel Niedzkowski (46), Lehrgangsleiter der Pro-Lizenz-Ausbildung an der DFB-Akademie. © Thomas Boecker/DFB | Thomas Boecker/DFB

Offenbar ist Hürzeler auch ein Musterschüler. „Er ist aus meiner Sicht ein absolutes Trainertalent und bringt sehr viel für eine tolle Karriere mit“, lobt Niedzkowski: „Er erkennt Situationen, Zusammenhänge und Entwicklungen auch bei hoher Spieldynamik sofort, kann sie sehr schnell und im Detail analysieren und hat direkt Lösungen parat, die er klar kommunizieren kann.“

Hürzeler kann als Beispiel für seine Kommilitonen dienen

Der Bayer Hürzeler, der seine erste Cheftrainererfahrung schon mit 23 Jahren vier Jahre als Spielertrainer beim Regionalligisten FC Pipinsried gemacht hat, ist überzeugt, dass er für seine Arbeit jetzt bereits Wichtiges gelernt hat: „Ich profitiere auch von den Inhalten, die bisher vermittelt wurden, auch im Austausch mit den anderen Teilnehmern.“

So ist das ein pädagogisches Hin und Her. Denn „Musterschüler“ Hürzeler kann als Beispiel für seine Kommilitonen dienen: „In erster Linie freuen wir uns natürlich alle für Fabian, dass der FC St. Pauli ihm das Vertrauen für diese Aufgabe geschenkt hat“, sagt Niedzkowski: „Für den Lehrgang bedeutet es vor allem, dass wir seine Erfahrungen der vergangenen Wochen einfließen lassen können und dass die anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer von diesen Erfahrungen profitieren können.“

Das klingt alles ganz großartig – und doch: Die wichtigste Prüfung für Club und Trainer bleibt die in zwei Wochen beginnende Rückrunde.