Hamburg. Der Innenverteidiger spricht über das vom Kiezclub abgelehnte Angebot des VfB Stuttgart und seine harte Reha.
Der Zug nach Mönchengladbach soll an diesem Freitag schon um 8.37 Uhr ab Dammtor fahren – „damit die Chance steigt, dass wir auch pünktlich sind“, sagt Fabian Hürzeler, der Cheftrainer des FC St. Pauli. Sein Team bestreitet am Sonnabend (14 Uhr/Sky) das dritte Testspiel der Vorbereitung bei Borussia Mönchengladbach. „Das ist eine der spielstärksten Mannschaften in der Bundesliga“, sagte Hürzeler: „Das wird ein weiterer Härtetest. Aber wir gehen das Spiel so an, um da zu bestehen.“
In Mönchengladbach wird auf jeden Fall der neue Innenverteidiger Karol Mets (29) sein Debüt für die Braun-Weißen geben. Möglicherweise an der Seite von Jakov Medic, der auch das über 100-minütige Training im Dauerregen am Donnerstag voll durchzog. In der Hinrunde hatte der kroatische Innenverteidiger im Spiel gegen den HSV (3:0) eine Schulterverletzung erlitten und fehlte deshalb die letzten fünf Spiele der Hinrunde. Ohne Medic konnten die Kiezkicker nicht mehr gewinnen. Im Abendblatt-Interview spricht er über die harte Reha-Zeit und seinen (zunächst) geplatzten Bundesliga-Traum.
Herr Medic, Ihr neuer Mitspieler Maurides Roque Junior hat gesagt, Sie hätten sich seiner besonders angenommen. Wie kommt das?
Jakov Medic: Wir haben den gleichen Manager, er hat mich darum gebeten. Aber es ist sowieso normal bei uns im Club, dass wir neuen Spielern helfen, sich wohlzufühlen. Vor allem, wenn sie wie Maurides kaum Deutsch können. Zum Glück verstehe ich sehr viel und bin daher ein guter Ansprechpartner für ihn. Wir unterhalten uns allerdings gerade auf Englisch.
Haben Sie Maurides schon deutsche Wörter oder doch kroatische Kraftausdrücke beigebracht?
Ein bisschen von allem. (lacht) Aber im Ernst: Deutsch ist am wichtigsten für ihn, da es die meisten Mitspieler sprechen, daher deutsche Wörter.
Auch Sie mussten sich nach überstandener Schulterverletzung erst wieder ins Team integrieren. Erinnern wir uns kurz zurück an den 14. Oktober, das Derby gegen den HSV. Was waren nach der Diagnose Ihre ersten Gedanken?
Dass eine Verletzung zwar bitter, aber Teil des Fußballgeschäfts ist. Ich bin positiv geblieben, es wird Gründe dafür gegeben haben, die mir in anderen Lebensbereichen helfen. Ich habe einfach versucht, schneller wieder auf den Platz zurückzukehren als geplant, und ich habe hart dafür gearbeitet. Das ist gelungen, und ich bin glücklich. Trotzdem muss ich gestehen, dass die Reha sehr hart für mich war. Ich ertrage es kaum, meiner Mannschaft nur von der Tribüne oder vor dem Fernseher zuzuschauen.
Sie waren schon am 27. Dezember zurück im Training und dem Plan damit voraus. Wie sind Sie so schnell wieder fit geworden?
In Absprache mit dem FC St. Pauli durfte ich daheim in Zagreb mit meinem Privattrainer arbeiten. Dieses Vertrauen haben wir gerechtfertigt.
Wie haben Sie in Zagreb gearbeitet?
Wir haben täglich sechs bis acht Stunden geschuftet. Das war kompliziert, weil die Schulter bei fast jeder Bewegung belastet wird, mitunter musste ich durch den Schmerz durch trainieren, um eine Verbesserung zu erzielen. Ich bin geschwommen, habe Gewichte gestemmt, Beweglichkeitsübungen absolviert, Massagen bekommen, aber auch penibel auf gesunde Ernährung und viel Schlaf geachtet. All das hat die paar extra Prozentpunkte gebracht, die notwendig waren.
Wie bitte schön gelingt es denn, acht Stunden zu trainieren?
So bin ich, wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, ziehe ich das durch. Aber ich genieße das, Fußball ist mein Leben. Dazu hat es mir geholfen, in Kroatien nah bei meiner Familie zu sein. Das hat es einfacher gemacht, die Verletzung zu akzeptieren.
Hatten Sie Angst, nicht wieder topfit zu werden?
Die Struktur der Schulter ist komplex, dazu ein Bereich des Körpers, den Innenverteidiger ständig beanspruchen. Aber Angst hatte ich keine – allenfalls die, zu früh zu viel zu machen. Ich kenne mich. Aber nun bin ich schmerzfrei und habe auch keine Blockade im Kopf, in Zweikämpfe zu gehen.
Sie haben Hamburg mit Timo Schultz als Trainer verlassen und sind mit Fabian Hürzeler als neuem Chefcoach zurückgekehrt. Was zeichnet Ihren neuen Übungsleiter aus?
Er arbeitet sehr professionell, was sich an seiner Detailversessenheit bemerkbar macht. Dazu spricht er mit uns Spielern sehr viel, wir vertrauen ihm.
Was muss sich im Vergleich zur Hinrunde verbessern?
Ganz simpel, wir müssen mehr Tore schießen und weniger kassieren.
Damit kommen Sie nicht davon. Etwas konkreter darf es gern sein…
Wenn Sie wünschen. Ein guter Anfang wäre es, wenn wir uns über 90 Minuten fokussieren können. Häufig haben uns wenige unkonzentrierte Sekunden um ein erfolgreiches Resultat gebracht. Wir müssen da als Team gemeinsam dran arbeiten, aber uns fehlen nur Kleinigkeiten.
Sie stehen noch bis Sommer 2024 unter Vertrag beim FC St. Pauli. Gab es schon Gespräche über eine Verlängerung?
Mein Fokus liegt auf allem, was auf dem Platz geschieht. Den Rest klären mein Manager und der Verein. Ich bin nur hier, um St. Pauli zu helfen
Im vergangenen Sommer gab es ein Angebot aus der Bundesliga vom VfB Stuttgart, das letztlich abgelehnt wurde. Wie sehr hat Sie das frustriert?
Ich akzeptiere die Entscheidung von St. Pauli, stehe hier unter Vertrag. Es war schön zu wissen, dass ich interessant für Vereine aus der Bundesliga bin. Aber ich kann mich nicht mit der Vergangenheit aufhalten, sondern muss weiter zeigen, dass ich die Qualität für die Bundesliga besitze.
Gab es zuletzt Gespräche mit dem kroatischen Verband über eine mögliche Nominierung für die Nationalmannschaft?
Seit meinem letzten Spiel für die U 23 nicht mehr. Es ist hart, in die A-Mannschaft zu kommen, dafür muss man in der Ersten Liga spielen. Schauen Sie sich nur an, welche Spieler bei uns im Nationalteam auflaufen.
Welche Gründe haben die enormen Erfolge Kroatiens?
Wir haben generell viel Sporttalent. Nicht nur im Fußball, sondern beispielsweise auch im Wasserball, Handball, der Leichtathletik oder Tennis. Darauf bin ich sehr stolz und hoffe, selbst eines Tages Teil des Nationalteams zu sein.
Sind Kroaten im Allgemeinen stolzer auf ihre Sportler als andere Nationen?
Kann schon sein, es gibt aber auch Gemecker. Allerdings ist dafür wenig Raum. Unsere Fußballer haben es seit 1998 dreimal unter die ersten Drei einer WM geschafft, das ist unglaublich für ein Land mit vier Millionen Einwohnern. Ich hoffe aber, wir gewinnen in absehbarer Zeit auch Titel.
Was ist der Quell Ihrer Motivation?
Die war schon von Kindestagen an in mir drin. Mit neun Jahren habe ich begonnen, mit einem Individualtrainer zu arbeiten. Dazu hat mir mein Onkel (der frühere Star Dario Simic, d. Red.) klargemacht, dass ich 24 Stunden des Tages auf Fußball ausrichten muss, wenn ich es ernst meine. Es geht nicht nur darum, zwei Stunden täglich zu trainieren und danach ein normales Leben zu führen. Sonst erreichst du deine Ziele nicht. Aber ich will auf höchstmöglichem Niveau spielen und mag es, hart zu trainieren, wie ein Profi zu leben.
Was für ein Leben hat jemand, der gerne acht Stunden am Tag trainiert?
Ein entspanntes. Da ist nichts Verrücktes neben dem Fußball dabei, allenfalls mal ein Kaffee mit Freunden oder ein Abendessen mit Mitspielern. Du musst dir eben aussuchen, ob du Profifußballer sein willst oder lieber andere Sachen machst.