Hamburg. Beim 1:1 gegen Sandhausen bleibt die statistische Überlegenheit wertlos. Rächt sich jetzt die Zurückhaltung auf dem Transfermarkt?

Artig zollten die Spieler des FC St. Pauli nach dem Abpfiff den Fans auf den ausverkauften Rängen des Millerntor-Stadions Beifall für deren verbale Unterstützung, auch wenn sich in der zweiten Halbzeit ein paar Pfiffe in die Anfeuerungsrufe gemischt hatten. Die Körpersprache der Millerntor-Profis allerdings verriet sehr deutlich, dass sie über das 1:1 (1:0) gegen den SV Sandhausen ebenso enttäuscht und gefrustet waren wie die eigene Anhängerschar.

Dass das St.-Pauli-Team im eigenen Stadion in dieser Saison, wie zuvor erhofft, weiter ungeschlagen bleibt, war angesichts des Spielverlaufs ein schwacher, ja im Grunde überhaupt kein Trost angesichts zweier verlorener Punkte gegen einen arg limitierten Gegner.

„Aufwand und Ertrag halten sich nicht die Waage. Das muss man ganz klar sagen“, haderte am Ende St. Paulis Cheftrainer Timo Schultz. „Von der reinen Spiel­anlage machen es die Jungs gut, und eigentlich geht der Plan immer auf. Am Ende wünscht man sich aber, dass die Jungs die Situationen klarer zu Ende spielen. Es ist sehr frustrierend“, sagte der 45-Jährige weiter.

FC St. Pauli fehlt gegen Sandhausen effizienter Stürmer

Von den 23 Versuchen, das gegnerische Tor zu treffen, hatte lediglich ein Ball auch tatsächlich den Weg ins Netz der Sandhäuser gefunden. Bei der Flanke von Leart Paqarada und dem lehrbuchmäßigen Kopfball von Jackson Irvine (38. Minute) gab es immerhin einmal die Konsequenz im Abschluss, die notwendig ist, um einen Treffer gegen das defensiv gut organisierte SVS-Team zu erzielen. Pech hatte Außenverteidiger Manolis Saliakas mit einem Schuss an den linken Pfosten (65.) zum potenziellen 2:0.

Ansonsten aber wird immer deutlicher, dass dem Team der Saison 2022/23 – trotz aller gegenteiliger Beteuerungen der Verantwortlichen – ein Stürmer fehlt, der sich die bietenden Möglichkeiten mit einer gewissen Selbstverständlichkeit nutzt. Mit einem Guido Burgstaller in der Form, die er in der Hinrunde der Vorsaison an den Tag gelegt hatte, wäre das Spiel längst entschieden gewesen, bevor das Gegentor durch Ex-HSV-Profi David Kinsombi (71.) nach einem schlecht verteidigten Freistoß von Chima Okoroji fiel.

St. Paulis Zurückhaltung auf dem Transfermarkt rächt sich

„Ich schreie nicht nach Spielern, die nicht da sind. Ich habe Vertrauen in alle unsere Stürmer. Sie haben die Abläufe auch in der Defensivarbeit richtig gut gemacht“, betonte Schultz abermals. Das Problem ist nur, dass dieses Vertrauen nicht in Form von Toren zurückgezahlt wird. In den acht Ligaspielen haben David Otto und Igor Matanovic gar nicht sowie Etienne Amenyido, der gegen Sandhausen erstmals in der Startelf stand, erst einmal getroffen. Johannes Eggestein, der wie Irvine drei Tore zu Buche stehen hat, war in den vergangenen vier Spielen nicht mehr erfolgreich.

„Es sind zum Teil junge Spieler, die noch ihre Erfahrungen machen müssen“, sagte Schultz weiter und bestätigte damit indirekt, dass jedem einzelnen Angreifer ein Leitwolf an der Seite, wie es ein Burgstaller war, guttun würde. Bewusst hatte Sportchef Andreas Bornemann auf die Verpflichtung eines solchen Spielertyps im Sommer verzichtet und dies im Anschluss wortreich verteidigt.

Die Folge des nunmehr vierten Spiels in Folge ohne Sieg, davon drei Unentschieden nacheinander, ist an der Tabelle abzulesen. Mit zehn Punkten aus acht Spielen, also knapp einem Viertel der Saison, dümpelt St. Pauli als Tabellenzehnter im Mittelfeld der Liga. Der Rückstand auf die Spitzenplätze wächst weiter, die Gefahrenzone scheint in sicherer Entfernung. Derzeit spricht viel dafür, dass St. Pauli vor einer mittelmäßigen Saison ohne Angst, aber auch ohne Aufstiegschance steht.

„Hätten wir das Spiel gewonnen, würde vieles, was wir heute gezeigt haben, in einem besseren Licht stehen“, sagte Schultz und hatte damit gar nicht so unrecht. Die Defensive ließ kaum etwas zu, außer eben die Situation, die zum Ausgleich führte. Und auch die Kombinationen nach vorn haben eine ansehnliche Qualität. Wenn allerdings im gegnerischen Strafraum vier-, fünfmal der Ball per Kurzpass hin- und hergespielt wird, ehe aber doch ein gegnerischer Fuß dieses Gezocke beendet, ist dies nur brotlose Fußballkunst. Gleiches gilt für die eindrucksvollen statistischen Daten (siehe Text­ende) in Bezug auf Torschüsse, Ecken, Ballbesitz und Laufleistung. „Irgendwann wird man für den Aufwand auch belohnt“, bemühte Schultz das Prinzip Hoffnung.

„Die Leistung heute hätte für drei Punkte reichen müssen. So aber kommen wir in der Tabelle nicht voran“, stellte Sportchef Bornemann treffend fest. „Die Tendenz ist im Moment nicht, wie wir sie gerne hätten. Da wir es nicht geschafft haben, den Anschluss an das obere Tabellendrittel herzustellen, haben wir jetzt im Auswärtsspiel in Regensburg die Verpflichtung, verlorenen Boden gutzumachen.“ An der Unterstützung der eigenen Fans wird es dort am kommenden Sonntag sicher nicht mangeln. Ob diese nach Abpfiff Grund haben, ihrem Team Beifall zu zollen, wird sich noch zeigen müssen.

FC St. Pauli: Vasilj – Saliakas (86. Zander), Nemeth (86. Fazliji), Medic, Paqarada – Smith (79. Metcalfe) – Irvine, Hartel - Daschner – Eggestein (69. Matanovic), Amenyido (69. Otto).
SV Sandhausen: Drewes – Ajdini, Dumic, Zhirov, Okoroji – Trybull (62. C. Kinsombi) – Papela, Ochs (61. Soukou) – Bachmann, D. Kinsombi (90.+3 Höhn), Esswein (62. Pulkrab).
Tore: 1:0 Irvine (38.), 1:1 D. Kinsombi (71.).
Schiedsrichter: Michael Bacher (München).
Zuschauende: 29.546 (ausverkauft).
Gelbe Karten: Papela (2), Trybull (3).
Statistik: Torschüsse: 23:6 Ecken: 11:1 Ballbesitz: 65:35 Prozent, Zweikämpfe: 102:131, Laufleistung: 121,0:116,5.