Hamburg. Zu oft bescherte der FC St. Pauli in dieser Saison die gegnerische Offensive. Machen die Spieler ihrem Trainer ein besonderes Präsent?

Timo Schultz hat ja erst an diesem Freitag Geburtstag. Und da man weder vorzeitig gratulieren noch Geschenke verteilen soll, bekam der Trainer des FC St. Pauli bei der Pressekonferenz am Donnerstagmorgen auch nicht das, was er sich wünscht – „Statistiken, die ich mir selber heraussuche, die mir gefallen“ –, sondern exakt das Gegenteil: knallhartes Zahlenwerk.

Das vor dem Heimspiel an diesem Sonnabend (13 Uhr/Sky) gegen den bislang herausragenden Zweitligatabellenführer SC Paderborn besonders bedrohlich wirkt. Fein säuberlich eingepackt, waren die Werte, die Schultz mit Schleifchen und blumigen Worten offeriert wurden.

FC St. Pauli: Dreierkette der Gegner bereitet Probleme

Vergiftetes Geschenk Nummer eins: Von 79 Pflichtspielen unter seiner Ägide spielten die Kiezkicker ganze 13 zu Null.

Vergiftetes Geschenk Nummer zwei: Spielt sein Team gegen einen Rivalen, der mit Viererkette agiert, holte es in den vergangenen 26 Partien durchschnittlich 2,04 Punkte. Trifft es auf einen Kontrahenten, der eine Dreierkette aufbietet, waren es in 16 Begegnungen nur 1,13 Zähler. Paderborn spielt, und damit dürfte nicht nur eine lange Geburtstagsfeier am Freitagabend für Kopfschmerzen beim nun 45-Jährigen sorgen, normalerweise in einem 3-1-4-2-System.

Und so tat Schultz das, was er auch dringend von seiner Mannschaft erwartet: Er ging in den Verteidigungsmodus über – indem er auf die besagten Statistiken zurückgriff, die ihm wiederum gefallen. „Es gibt ligaweit nur zwei Teams, die weniger Torschüsse als wir zulassen. Auf der Gegenseite haben wir die drittmeisten Versuche abgegeben, im Sechzehner sogar mehr als Paderborn“, so der Trainer. Das Problem: Bei den Ostwestfalen klingelt es bei 14,1 Prozent ihrer Schüsse, bei St. Pauli mit 7,6 Prozent gerade einmal halb so oft.

FC St. Pauli setzt auf "Rautendämmerung"

Genug der Zahlen. Denn schließlich gestand auch Schultz, der abgesehen von Defensivhybrid Adam Dzwigala einen kompletten Kader aufbieten kann, ein „es ist keine gute Bilanz unserer Verteidigung“. Ein Teil der Schwierigkeiten ist hausgemacht. „Unser System mit der Mittelfeldraute ist für Teams gedacht, die mit viel Ballbesitz spielen und auch ins Risiko gehen“, sagt Schultz.

Zuletzt stieg St. Pauli auch schon von der Raute auf ein flaches 4-4-2 um, der Blog „Millernton“ schrieb bereits von der „Rautendämmerung“. So weit wird es allerdings vorerst nicht kommen. Das Grundsystem bleibt erhalten, wurde dahingehend verfeinert, dass die maximale Breite gegen ein dichtes Zentrum besser ausgenutzt wird. Jedoch spreche laut Schultz „nichts“ dagegen, ab und an selbst mit einer Dreierkette zu spielen.

FC St. Pauli: Schultz fordert bessere Defensive

Hätte, hätte, Dreierkette: All diese Überlegungen sind überflüssig, wenn die Braun-Weißen abermals so intensitätslos und zweikampfschwach auftreten wie beim 0:2 in Rostock am vergangenen Sonntag. Über diesen Auftritt habe man sich unterhalten, so Schultz. „Deutlich zwar, aber nicht von oben nach unten, sondern mit allen Mannschaftsteilen.“

Resultat der Unterredung: „Wir müssen diese Gegentorquote drücken. Beginnend damit, dass wir im eigenen Strafraum konsequenter auftreten. Denn mir ist auch bewusst, dass wir langfristig nur oben dabei sind, wenn wir weniger Gegentore kassieren“, sagt Schultz. Man kann das auch mit dem Satz zusammenfassen, den Schultz eigentlich über seinen Ex-Spieler, den Paderborner Rechtsaußen Sirlord Conteh (26) im Vergleich zu dessen talentierterem, aber eine Liga tiefer spielenden Bruder Christian (22/Dynamo Dresden) sagte: „Mentalität schlägt Qualität.“

SC Paderborn überragt bisher in der Liga

Der SC Paderborn ist nur so ziemlich die letzte Mannschaft der Zweiten Liga, gegen die sich dieser Vorsatz leicht umsetzen lässt. 18 Tore hat die Mannschaft von Schultz’ Trainerlehrgangskollegen Lukas Kwasniok bereits erzielt, zuletzt Holstein Kiel mit 7:2 bezwungen. Felix Platte, der bislang überragende Akteur dieser Saison, dreht mit sechs Treffern einsam seine Kreise an der Spitze der Torjägerliste. „Ich hatte sie nicht grundlos schon vor der Saison als Favoriten genannt. Sie spielen sehr flexibel, sind kreativ und offensiv unberechenbar“, so Schultz.

Zunächst muss der Coach aber andere Unwägbarkeiten bewältigen. Es gilt die Frage zu klären, wie kreativ seine Familie bei der Geschenkauswahl war.

600 Gästetickets, die nicht in Anspruch genommen wurden, sind am Spieltag an der Tageskasse des Millerntor-Stadions erhältlich.