Hamburg. Im “Millerntalk“ spricht der Präsident des Kiezclubs auch über die Folgen der Energiekrise, seine neue Rolle und den Saisonstart.

Gut gelaunt und aufgeräumt kommt Oke Göttlich in die Redaktion des Hamburger Abendblatts am Großen Burstah, um als Gast des Podcasts „Millerntalk“ den ersten größeren medialen Auftritt in seiner neuen Funktion als hauptamtlicher Präsident des FC St. Pauli zu bestreiten.

Gute 75 Minuten werden es am Ende, in denen der 46-Jährige über die neuen Rahmenbedingungen seines Wirkens für den Millerntor-Club, die aktuellen Herausforderungen wie Energiekrise und Inflation sowie
natürlich die an diesem Wochenende startende Zweitligasaison und die Rolle seines Vereins dabei spricht.

FC St. Pauli: Göttlich will Bierdusche zum Einstand nachholen

Bei der Frage, wie er denn seinen Einstand als erster bezahlter Präsident des FC St. Pauli auf der Geschäftsstelle zelebriert hat, muss er aber gleich mal passen. „Wir machen beim FC St. Pauli ja Dinge immer etwas anders. Niemand hat Spalier gestanden. Meine Bierdusche zum Einstand wird noch folgen. Dafür war die Woche zu kurz und waren die Themen, die wir vor dem Saisonstart hatten, zu vielfältig“, berichtet er. Ohnehin sei ja jetzt nur seine siebenjährige Probezeit beendet.

Tatsächlich war Göttlich von November 2014 bis jetzt ehrenamtlicher Präsident. Nun ist er täglich auf der Geschäftsstelle. „Es macht mir wahnsinnig Spaß, die Energie zu spüren, die dort herrscht“, sagt er.

Auf die teilweise kritischen Einwürfe, schon bei der letzten Wahl Ende vergangenen Jahres hätte man den Mitgliedern von den Plänen eines hauptamt­lichen Präsidenten berichten können, hat er eine plausible Antwort parat. „Es war zum Zeitpunkt der Wahl faktisch keine Überlegung. Und schon gar nicht war es eine Überlegung, so zu tun, als wolle man etwas Ehrenamtliches machen, um es klar in die Hauptamtlichkeit zu überführen“, stellt er klar.

Göttlich sorgt sich um Folgen der Energiekrise

Die Herausforderungen des zweiten Corona-Winters mit all seinen Beschränkungen, aber auch der russische Angriffskrieg mit seinen Folgen auch in wirtschaftlicher Hinsicht haben in den Monaten nach der Wahl den Entschluss reifen lassen, einen hauptamtlichen Präsidenten zu installieren, um dringende Entscheidungen zu beschleunigen.

Und schon liegt das Thema Energiekosten auf dem Tisch. „Muss das Flutlicht am hellichten Tag angeschaltet werden?“, fragt Göttlich. „Ich brauche diese volle Ausleuchtung zum Fußballschauen im Fernsehen nicht“, spricht er ein heikles Thema an, räumt aber auch ein: „Ich bin kein Fernsehexperte. Es fühlt sich natürlich anachronistisch an, in diesen Zeiten extrem hohe Energiekosten zu produzieren.“

Ganz grundsätzlich aber gelte: „Ein Stadion kann keinen Nachhaltigkeitspreis gewinnen mit all der Rasenpflege, dem Flutlicht und den 30.000 oder 60.000 Menschen, die es für wenige Stunden zu beherbergen gilt.“

Allein so betrachtet habe, so Göttlich etwas sarkastisch, die Weltmeisterschaft im November und Dezember in Katar doch etwas Gutes. So müsse in diesen dunklen Monaten kein Flutlicht im Millerntor-Stadion angeschaltet werden, weil die Liga in dieser Zeit pausiert.

„Dennoch würde ich mir die WM woanders wünschen“, stellt er klar. Ganz im Ernst verrät Göttlich dann, dass der FC St. Pauli aktuell mit einer Steigerung seiner gesamten Energiekosten für das Millerntor-Stadion, die hier integrierte Geschäftsstelle und die Trainingsanlage an der Kollaustraße von mehr als einer Million Euro im Jahr ausgeht.

FC St. Pauli will auf erneuerbare Energien setzen

Nicht allein aus Kostengründen, sondern auch ökologisch motiviert habe sein Verein den Plan, die Beleuchtung auf LED umzustellen sowie Fotovoltaikmodule auf die Dächer der Stadiontribünen zu installieren.

Gleichzeitig aber betonte Oke Göttlich auch, dass diese geplanten Investitionen wie auch die in die Erweiterung des Nachwuchsleistungszentrums keinesfalls zulasten des Etats für die Profifußballer gehen werden. „Unsere sportliche Ambition ist klar formuliert. Wir wollen unter die besten 25 Mannschaften in Deutschland. Dafür müssen wir auch Mittel bereitstellen“, sagt er.

Dass diese auch aus Transfers – wie zuletzt der von Daniel-Kofi Kyereh für rund 4,5 Millionen Euro zum SC Freiburg – kommen müssen, sei notwendig. „Wir werden ohne die Säule der Transfereinnahmen nicht in ein höheres wirtschaftliches Cluster kommen können“, sagt er.

FC St. Pauli dringt in neue Transfersphären vor

Dabei rechnet er vor, dass der FC St. Pauli bis 2015 diese Möglichkeit kaum genutzt habe. „Am Ende schießt dann doch Geld auch ein bisschen Tore, auch wenn man mit viel Geld auch viel Mist bauen kann“, sagt er. Inzwischen könne St. Pauli neue Spieler aus anderen „Regalen“ verpflichten als vor geraumer Zeit. „Einen David Nemeth wie jetzt aus Mainz hätten wir vor drei Jahren noch nicht holen können.“

Mit Blick auf die nun startende neue Saison strahlt Göttlich trotz des enttäuschenden Endes der vergangenen Spielzeit und der prominenten Abgänge einen erstaunlichen Optimismus aus und formuliert diesen auch überraschend forsch. „Ich bin wirklich davon überzeugt, dass es keine einzige Mannschaft gibt, bei der man von vornherein sagen kann, dass sie deutlich stärker oder besser aufgestellt ist als der FC St. Pauli.“

Weitere Texte zum FC St. Pauli:

Solche Töne hat man bei St. Pauli bisher kaum einmal gehört. Selbst vor der vergangenen Saison, als die Ausgangslage deutlich besser als jetzt schien, waren die Verantwortlichen verbal zurückhaltender. „Ich habe vielleicht den Vorteil zu wissen, dass wir bestimmt noch auf einer Position oder auch auf zweien etwas tun werden. Aber keine Mannschaft ist von der Qualität besser aufgestellt.“

Göttlich sieht den HSV als "spannende Mannschaft"

Dann nennt er „den Stadtnachbarn“, also den HSV („eine spannende Mannschaft“) Fortuna Düsseldorf, St. Paulis ersten Gegner 1. FC Nürnberg und auch den zweiten Gegner Hannover 96 als die vermutlich größten Konkurrenten. „Wir haben aber in der vergangenen Saison auch mit Werder und Schalke mithalten können. Deshalb weiß ich nicht, vor wem wir uns jetzt verstecken müssen“, sagt er.

Dabei betont er die Strategie, die sport­lichen Ziele mit Spielern erreichen zu wollen, die talentiert sind, aber ihr höchstes Leistungsniveau noch nicht erreicht haben. Am Ende aber gibt Göttlich auch zu, vor dem ersten Spiel „ordentlich aufgeregt“ zu sein.