Hetlingen. St. Paulis klarer Sieg beim Hetlinger MTV kann den Bedarf an den notwendigen Verstärkungen bei den Kiezkickern nicht übertünchen.

Es waren heimische Gefühle, die bei Timo Schultz am Sonntagnachmittag aufkamen. „Mit dem Deich hinter der Trainerbank habe ich mich als Ostfriese natürlich besonders wohlgefühlt“, sagte der Trainer des FC St. Pauli nach dem 13:0-Sieg im Testspiel beim Hetlinger MTV (Kreis Pinneberg) in Sichtweite der Unterelbe. Der Deich entlang der Seiten­linie war denn auch von zahlreichen der rund 2800 Zuschauenden gesäumt, die ein wie erwartet einseitiges, aber doch unterhaltsames erstes St.-Pauli-Testspiel beim Hamburger Bezirksligisten sahen.

Ein bisschen war auch Guido Burgstaller noch mit dabei. Obwohl der schon länger feststehende Wechsel des Torjägers zu Rapid Wien am Sonnabend auch offiziell vollzogen worden war, wurde in der Halbzeitpause ein Burgstaller-Trikot verlost. Der Clou dabei: Es war ein Trikot mit dem erst am Freitag vorgestellten Design der Saison 2022/23 – also einem Textil, wie es Burgstaller nie getragen hat und nie tragen wird. Die glückliche Gewinnerin nennt nun also ein einigermaßen kurioses Unikat ihr eigen.

FC St. Pauli: Torreigen kann die Stürmernot nicht übertünchen

Angesichts der 13 Treffer könnte man spontan auf die Idee kommen, dass der Verlust des 18-Tore-Stürmers nicht sonderlich ins Gewicht fällt und ein adäquater Ersatz für ihn auch gar nicht so dringend nötig ist, weil andere für ihn in die Bresche springen. Allerdings war das Hetlinger Team, das im Lauf des Spiels munter durchwechselte, nicht ansatzweise ein Maßstab für einen ambitionierte Zweit­ligisten.

Wie groß St. Paulis aktuelle Personalnot in der Offensive derzeit ist, wurde schon allein daran deutlich, dass Innenverteidiger Jakov Medic nach seiner Einwechslung zur zweiten Halbzeit als Mittelstürmer agierte. Diese Aufgabe hatte der Kroate zwar schon mal beim Drittligisten SV Wehen Wiesbaden übernommen, eine ernsthafte Alternative für die Punktspiele ist dies allerdings nicht, schließlich ist Medic zusammen mit Neuzugang David Nemeth als Innenverteidiger-Duo vorgesehen. Immerhin bewies Medic einmal seinen Torjäger-Instinkt und erzielte den Treffer zum zwischenzeitlichen 8:0.

Der neue Innenverteidiger David Nemeth trifft gleich doppelt

„Ich glaube, Jakov ist im Kopf lieber Mittelstürmer als Innenverteidiger. Das lässt er im Training auch gern mal raus. Ich glaube aber nicht, dass er am Ende Stürmer spielen wird“, sagte Mittelfeldspieler Marcel Hartel mit einem Schmunzeln. „Er hätte noch ein paar weitere Tore machen können. Das war aber heute eine Ausnahme, Jakov hat seine Stärken ganz klar in der Innenverteidigung, und da ist er auch eingeplant“, stellte Trainer Schultz klar. „Aber vielleicht kommt es ja in der Saison auch mal zu so einer Ausnahme.“

Als einziger nomineller Stürmer des Profikaders lief in Hetlingen Etienne Amenyido auf, der einen der 13 Treffer beisteuerte. Neben ihm spielte U-23-Talent Serhat Imsak. Wegen einer noch nicht auskurierten Schulterblessur fehlte auch noch Igor Matanovic, was die Situation im Angriff nach den Abgängen von Burgstaller, Maximilian Dittgen und Simon Makienok noch einmal verschärfte. Daran ändert auch nichts, dass Schultz betonte, dass auch Lukas Daschner und Carlo Boukhalfa „sehr offensiv“ agieren können. Beide sind nun einmal keine echten Stürmer. Sportchef Andreas Bornemann ist nun gefordert, recht zügig zumindest den ersten neuen Stürmer zu verpflichten, damit er sich an die Mannschaft gewöhnen kann. „Wir sind da auf der Suche nach Lösungen und werden Spieler finden, die uns auf der Position weiterbringen“, deutete Schultz an, dass es alsbald Ersatz für Burgstaller geben soll.

Neuzugang Carlo Boukhalfa erzielte zwei Treffer.
Neuzugang Carlo Boukhalfa erzielte zwei Treffer. © WITTERS | TimGroothuis

FC St. Pauli: Ablöse für Burgstaller eher niedrig

Geld dafür brachte Burgstallers Ablöse von rund 500.000 Euro zwar nur zu einem Teil ein. Vier bis fünf Millionen Euro sind aber wohl mit Daniel-Kofi Kyereh zu erzielen, auch wenn dessen Wechsel zu Werder Bremen endgültig vom Tisch ist. Die Tendenz geht derzeit zum SC Freiburg.

Ein paar zusätzliche Erkenntnisse konnte Trainer Schultz aus dem sehr einseitigen Test nach einer Woche Training dann auch noch gewinnen. „Wir hatten uns zum Beispiel vorgenommen, mit den Außenverteidigern noch höher zu agieren. Das ist uns sehr gut gelungen“, sagte er und dachte vor allem an den offensiv sehr auffälligen Neuzugang Manolis Saliakas, der gleich drei Tore vorbereitete. Zudem bewies der neue Innenverteidiger David Nemeth mit zwei Treffern seinen Instinkt auch im gegnerischen Strafraum.

FC St. Pauli 1. Halbzeit: Smarsch – Sali­akas, Nemeth, Senger, Paqarada – Smith – Roggow, Jessen – Daschner – Amenyido, Imsak. 2. Halbzeit: Ahlers – Zander, Beifus, Senger, Ritzka – Roggow – Jessen (71. Met­calfe), Hartel – Boukhalfa – Imsak, Medic.
Tore:
0:1 Daschner (10.), 0:2 Imsak (16.), 0:3 Amenyido (19.), 0:4 Nemeth (28.), 0:5 Daschner (33.), 0:6 Nemeth (38.), 0:7 Roggow (44.), 0:8 Medic (50.), 0:9 Boukhalfa (56.), 0:10 Beifus (68.), 0:11 Jessen (70.), 0:12 Boukhalfa (82.), 0:13 Hartel (86.).