Hamburg. Der frühere NDR-Journalist und Buchautor war die „Stimme des Millerntors“ und blieb seinem Stil treu. Jetzt ist er mit 79 Jahren verstorben.

Die „Stimme des Millerntors“ ist verstummt. Rainer Wulff, der langjährige Stadionsprecher des FC St. Pauli, erlag in der Nacht zum Mittwoch im Alter von 79 Jahren einer langen, schweren Krankheit. Von 1986 bis 2017 hatte der Journalist und Buchautor am Stadionmikrofon die Heimspiele des FC St. Pauli begleitet, hatte Spieler vorgestellt, Tore angesagt und, wenn nötig, die Fans ermahnt, das Abbrennen von Pyrotechnik zu unterlassen.

Es sprach für seine Persönlichkeit und Charakterstärke, dass er sich dabei seinen ganz eigenen, weitgehend unaufgeregten Stil beibehielt. Während sich andernorts die Stadionsprecher als verbale Einpeitscher verstehen und teils in schrillen Klamotten über den Rasen hüpfen, bewahrte Wulff die Contenance und verzichtete ebenso auf die mehrmalige und immer lauter werdende Wiederholung der Torschützennamen der eigenen Mannschaft wie auf das „Danke! Bitte!“-Wechselspiel mit den Fans.

St. Paulis Stadionsprecher Rainer Wulff machte beim NDR Karriere

In Hamburg geboren, war Rainer Wulff in seiner beruflichen Laufbahn 37 Jahre lang bis 2003 für den NDR tätig, zunächst als Student als freier Mitarbeiter in Kiel, von 1972 an in Festanstellung. Im selben Jahr schon berichtete er von den Olympischen Spielen in München. Vor allem war er Berichterstatter und Kommentator des Zeitgeschehens, zudem profilierte er sich als Gastgeber der ersten öffentlichen Radio-Talkshow. Bekannte Sendungen wie „Kurier am Mittag“, „Das Echo des Tages“ und der „Fünf-Uhr-Club“, über Jahrzehnte Ikonen des NDR-Hörfunk-Programms, waren die Bühne für seine Berichte.

Von 1981 an leitete Rainer Wulff die Magazinredaktion des NDR und war damit auch für Großveranstaltungen wie die NDR-Silvesterparty verantwortlich. 1989 folgte der Wechsel in die Kulturredaktion, wo er Chef vom Dienst wurde, aber auch die Opernredaktion leitete.

Wulff bewies auch in satirischen Texten Humor

Das passte es doch bestens, dass bei St. Pauli zum Auflaufen der Mannschaften vor Spielbeginn in dieser Zeit der Triumphmarsch aus der Oper Aida aus dem Lautsprechern schallte. Erst als dies inflationär in den Arenen der ganzen Republik gespielt wurde, ertönten stattdessen die „Hell’s Bells“ von AC/DC am Millerntor. So ist es bis heute geblieben.

2016 würdigten die St.-Pauli-Fanns Rainer Wulff anlässlich seiner 30-jährigen Amtszeit.
2016 würdigten die St.-Pauli-Fanns Rainer Wulff anlässlich seiner 30-jährigen Amtszeit. © imago/Baering

Nach seinem letzten Spiel als Stadionsprecher am 28. April 2017, einem 3:0 gegen Heidenheim, schrieb er auf seiner Homepage: „Der Kreis schließt sich, konnte ich doch auch 1986 bei meiner Premiere einen klaren Sieg bejubeln: 5:1 gegen Rot-Weiß Oberhausen nach frühem Rückstand. Zweimal durfte ich Dirk Zander und dreimal Franz Gerber als Torschützen ausrufen. Die Rentner waren damals unsere Ultras. Die kämpften nicht etwa gegen Rassismus oder Homophobie, sondern allein gegen Blasenleiden, Bluthochdruck und Bronchial-Asthma.“ Diesen Humor verewigte Wulff auch in satirischen Texten, die er auf Kleinkunstbühnen vortrug, und in seinem Hörbuch „Vom Runden ins Eckige“.

Das Abendblatt hatte Rainer Wulff vor rund eineinhalb Jahren dafür gewonnen, die Gäste des Podcasts „Millerntalk“ rund um den FC St. Pauli in seinem Stadionsprecherstil anzukündigen. Dafür bereitete er sich immer akribisch vor, recherchierte über die Personen und fand teilweise lustige Anekdoten über sie heraus, um sie in seinem kurzen Beitrag zu Beginn unterzubringen.

Vor allem aber rief seine markante, unverwechselbare Stimme bei den Gästen immer wieder Erinnerungen hervor. „Das ist für mich das Millerntor“, sagten unisono die früheren Spieler des FC St. Pauli, aber auch Funktionäre, wenn sie im Trailer zu Beginn des Podcasts von ihm angekündigt wurden. Erst vor Kurzem hatte Rainer Wulff dem „Millerntalk“-Team mitgeteilt, dass sich sein Gesundheitszustand leider derart verschlechtert habe, dass er nicht mehr in Lage sei, die Gäste vorzustellen. Nur wenige Tage später ist er verstorben.

Der Fanclub-Sprecherrat des FC St. Pauli stellt klar, dass er, anders als am Mittwoch berichtet, nicht von sich aus, sondern erst auf Anfrage mehrerer Medien eine Stellungnahme zur Bewertung der Saison veröffentlicht hat.