Hamburg. Karlsruhes Co-Trainer Zlatan Bajramovic spricht über seine Beziehung zu Christian Eichner, seinen Ex-Club FC St. Pauli und Kriege.

Der Morgen danach begann im Zoo. Mannschaftsausflug in Hagenbecks Tierpark, so lautete das Programm für den KSC zur Frustbewältigung der bitteren Niederlage im DFB-Pokal-Viertelfinale nach Elfmeterschießen beim HSV. Und Zlatan Bajramovic war immer noch tierisch genervt, als die Aufnahme des „Millerntalk“-Podcasts mit dem Abendblatt beginnt. „So eine Chance hat man als kleiner Verein selten. Das tut weh, weil wir das Spiel in der Hand hatten“, sagt der Co-Trainer des Zweitliga-Neunten, der am Sonnabend (13.30 Uhr/Sky) beim FC St. Pauli antritt – dort, wo Bajramovic ab 1998 seine ersten vier Profijahre absolvierte.

Von seiner Heimatstadt hat sich der mittlerweile 42-Jährige über Stationen beim SC Freiburg, FC Schalke 04 und Eintracht Frankfurt emanzipiert, ist Vater dreier Söhne und, wenn man so will, zweifacher Ehemann. Denn neben seiner tatsächlichen Partnerin pflegt er ein quasi ehegleiches Arbeitsverhältnis zu KSC-Cheftrainer Christian Eichner. „Es hat vom ersten Tag an zwischen uns gefunkt. Wir bekommen regelmäßig Beschwerden von unseren Frauen, weil wir so viel Zeit miteinander verbringen“, sagt der 35-fache bosnische Nationalspieler.

Bajramovic verlängerte Vertrag

Eichner hat seinen Vertrag in Karlsruhe bis 2025 verlängert, Bajramovic seinen also gleich mit, obwohl ihn auch die Aufgabe als Chefcoach reizen würde. „Ich kann mir aber auch vorstellen, eine Ehe mit Christian zu führen, bis wir alt und richtig grau sind.“

In dieser Beziehung spielt Bajramovic dann auch den grauen Panther, der „die alten Zeiten“ liebt und Eichners Eloquenz mit direkt und offensiv formulierten Ansagen garniert. Und eine solche hat er für die Spielerberater-Branche parat: „Wenn die Agenten auf Trainingsplätzen sind, wo die Kinder gerade mal eine kleine Geschichte auf Deutsch schreiben können, tue ich mich damit ziemlich schwer.“

Zweitliga-Standard soll gehalten werden

Überhaupt: Der Jugendbereich ist generell ein Thema, bei dem Bajramovic eine aufrechtere Sitzposition einnimmt und sich in Wallung redet. Die harte Schule fehle ihm in der Ausbildung, „alles zu wachsweich“ heutzutage. Früher sei es an der Tagesordnung gewesen, dass jüngere Spieler freiwillig länger beim Training geblieben sind, und heute frage ihn sein eigener Sohn: „Papa, wie lange trainieren wir noch?“ Nur noch wenige hätten den Drive, die Widerstandsfähigkeit, mit der sich Bajramovic einst selbst bis in die Champions League hochkämpfte – „und das alles nur aus Liebe am Spiel, nicht um Profi zu werden“.

Zlatan Bajramovic debütierte 1998  für den FC St. Pauli, mit dem er 2001 in die Bundesliga aufstieg. Für den FC Schalke 04 spielte der Bosnier Champions League.
Zlatan Bajramovic debütierte 1998 für den FC St. Pauli, mit dem er 2001 in die Bundesliga aufstieg. Für den FC Schalke 04 spielte der Bosnier Champions League. © TimGroothuis/WITTERS | Unbekannt

Diesen Ansatz versucht er beim Karlsruher SC zu etablieren. Mit dem Ziel Bundesliga? Immerhin steht ein taugliches Stadion bereit, wenn der Umbau des BBBank Wildpark abgeschlossen ist. Doch Bajramovic winkt ab. Das Stadion sei eher notwendig, um den Zweitliga-Standard zu halten.

„Bei uns ging es steil bergauf"

„In den vergangenen Saisons ging es bei uns nur steil bergauf. Aber das erinnert mich fast an den Finanzcrash von 2009. Es kann nicht immer gut laufen, im Fußball kommt immer die Delle. Damit müssen wir rechnen. Natürlich wollen wir uns nach oben orientieren, aber mit den Gehältern, die beispielsweise der FC St. Pauli zahlt, können wir noch nicht ansatzweise mithalten“, sagt Bajramovic, der mit St. Pauli und Freiburg jeweils den Bundesliga-Aufstieg schaffte und ein Experte in dieser Kategorie ist.

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Expertise bringt er – leider – auch beim unvermeidlichen Thema Krieg mit sich. Seine Familie musste ihn selbst erleiden, sie stammt aus dem bosnischen Vitez, wo es 1993 während des Bosnienkriegs zu zwei Massakern kam. Bajramovic verbrachte seine ersten sechs Lebensjahre in Hamburg, ging anschließend drei Jahre im damaligen Jugoslawien zur Schule. Dann begannen erste Konflikte vor Ort, und Familie Bajramovic kehrte nach Deutschland zurück. Beim Ukraine-Krieg gebe es eine zentrale Parallele: „Einzelnen Männern ist ein Stück Land so viel wichtiger als viele Menschenleben. Das ist für mich unvorstellbar, auch dass man nicht aufs Reden, sondern direkt auf Gewalt zurückgreifen muss.“

Zlatan Bajramovic ist hungrig auf FC St. Pauli

Bajramovic selbst macht keine Unterschiede zwischen Serben, Kroaten und Bosniern. „Ich feiere mit allen.“ Und so soll auch der Besuch in der alten Heimat ein großes Fest werden. Für 14 Personen hatte er am Donnerstag einen Tisch im Rodizio bestellt. Der Abend könnte Spuren von Fleisch enthalten haben. Es war also wieder tierisch. Und nach der Schlappe gegen den HSV ist Bajramovic umso mehr tierisch hungrig auf den FC St. Pauli.

Die DFL hat die Spieltage 28-30 terminiert: Rostock – St. Pauli (Sa., 2.4., 20.30 Uhr), St. Pauli – Bremen (Sa., 9.4., 13.30 Uhr), Sandhausen – St. Pauli (Sa., 16.4., 13.30 Uhr).

Rechtsverteidiger Sebastian Ohlsson ist am Innenband des linken Knies operiert worden und fehlt dem FC St. Pauli längere Zeit. Am Sonnabend gegen Karlsruhe fehlen zudem mit Gewissheit James Lawrence, Philipp Ziereis, Eric Smith, Maximilian Dittgen und Etienne Amenyido.