Ingolstadt/Hamburg. Die Kiezkicker gewinnen bei Schlusslicht FC Ingolstadt mit 3:1, bangen aber um Leart Paqarada – Erkenntnisse für kommende Spiele.

„Es ist manchmal komisch. Da wählen wir einen defensiveren Ansatz, und dann kommt das Paqa offensiv noch mehr zugute. So konnte er von weiter hinten kommen, hatte mehr Raum, aber weniger Personal vor sich. Vielleicht ist das eine Erkenntnis für die kommenden Wochen.“ Was Cheftrainer Timo Schultz, im humoristischen Sinn, weniger komisch finden dürfte: Diese Erkenntnis könnte ihm in besagten kommenden Wochen wenig helfen.

Denn angesprochener Leart Paqarada, beim 3:1 (2:1)-Sieg des FC St. Pauli beim FC Ingolstadt einmal mehr einer der dominantesten Akteure, humpelte bei der Ehren­runde mit einem dicken Eispaket um den linken Knöchel in Richtung der mit­gereisten 650 Fans in der Kurve. Der Erfolg beim Tabellenletzten könnte sich als teuer erkaufter Schritt nach vorn mit Rückschlagscharakter erweisen.

FC St. Pauli: Wertvoller Sieg gegen Ingolstadt

Es gibt zwei Sichtweisen auf die Prognose Paqaradas. Die optimistische: Der linke Außenbahnspieler, der kurz vor Ablauf der regulären Spielzeit einen Schlag von der Seite abbekam, hat sich, wie Schultz hofft, nur eine schwere Prellung im Waden- oder Knöchelbereich zugezogen. Die pessimistische: Dem Deutsch-Kosovaren steht eine Pause bevor, da die Bänder im Sprunggelenk ärger in Mitleidenschaft gezogen wurden, das DFB-Pokalviertelfinale am Dienstag bei Union Berlin kommt auf jeden Fall zu früh.

Für zweitgenannte Variante spricht, dass Paqarada bei der halbstündigen Radtour ums Trainingsgelände an der Kollaustraße am Sonntagnachmittag nicht dabei war. Zweites, nicht anwesendes Mitglied der Viererkette war Philipp Ziereis. Der Kapitän hatte im Audi-Sportpark bereits Mitte der ersten Hälfte muskuläre Probleme am Oberschenkel signalisiert und wurde zur Pause als Vorsichtsmaßnahme gegen Luca Zander ausgewechselt.

Zwei Verletzte, zwei Angeschlagene, drei Punkte

Marcel Hartel, bärenstark in der Raute, hielt sich nach gut einer Stunde die Brust und musste raus. „Vielleicht war es die Rippe, aber drei Minuten später war wieder alles in Ordnung“, so Schultz. Adam Dzwigala biss erst auf die Schmerztablette und sich dann mit Adduktorenproblemen durch. Beide gaben am Sonntag radelnde Entwarnung.

Zwei Verletzte, zwei Angeschlagene, drei Punkte. Das wirft nicht etwa die Frage auf, ob es das wert war – Spoiler: selbstverständlich ist es ein Sieg im Aufstiegsrennen wert –, sondern vielmehr: Wie viel Wert besitzt dieser Erfolg gegen das abgeschlagene und dem Abstieg entgegentrudelnde Ingolstadt? In Oberbayern war bei St. Pauli ein leichter Paradigmenwechsel erkennbar. Die Hamburger traten etwas kontrollierter, etwas defensiver auf, mit einem Mann mehr als üblich hinter dem Ball.

Eine einfache Personalie löst das Standardproblem

„Wir werden eine Mannschaft bleiben, die gestalten will. In den vergangenen Wochen gab es aber einfach zu viele Konterchancen und Gegentore nach defensiven Standards. Heute haben wir bewusst in Kauf genommen, etwas an Spielwitz zu verlieren“, sagte ein gelöst wirkender Schultz im Anschluss an die Pressekonferenz.

Das Standardproblem löste eine simple Personalie: Simon Makienok. Der 2,01 Meter große Däne köpfte aber nicht nur raus, was rauszuköpfen war, er diente auch als Anspielstation bei der zuvor eher selten genutzten Option langer Bälle. Das gelang ihm, nicht nur wegen seines Kopfballtors zum 3:1 nach punkt­genauer Paqarada-Flanke, so gut, dass er zum zweiten Mal in dieser Saison durch- und erstmalig seit dem 24. November 2021 mehr als 65 Minuten spielte. Es funktioniert. Erkenntnisgewinn Schultz.

Gegen Ingolstadt: „Zweitligafußball at it’s best“

Und noch etwas, das Zuversicht vermitteln sollte: Nachdem der FC Ingolstadt, für den es immerhin ums blanke sportliche Überleben ging und der zuletzt Achtungserfolge sammelte, druckvoll aus der Halbzeit kam, waren die Gäste umgehend in der Lage, den Schalter wieder auf geballte Offensive inklusive Gegenpressing umzulegen. Ebenso flüssig der Wechsel von der Raute ins flache 4-4-2 in der Schlussphase.

Ein derart vielseitiges, widerstandsfähigeres St. Pauli kann selbst einen Ausfall Paqaradas kurzfristig überstehen. Fehlt der Außenbahn-Artist längere Zeit, wird es aber wohl auch kommende Saison wieder das geben, was Schultz in Ingolstadt beobachtete: „Zweitligafußball at it’s best.“ Alles andere wäre komisch.