Hamburg. Nach zwei unglücklichen Strafstößen müssen sich die Hamburger Werder mit 2:3 geschlagen geben. Fans honorieren dennoch die Leistung.

Fußball ist doch manchmal eine merkwürdige Geschichte. Gerade hatte Werder das Nordderby verdient mit 3:2 gewonnen und feierte mit der gekaperten HSV-Eckfahne vor den mitgereisten Fans im Volkspark. Die Bremer bleiben damit Tabellenführer vor Darmstadt 98, das am Sonnabendabend das späte Siegtor gegen Dynamo Dresden erzielt hatte. Und als wenn das nicht für die geschundene HSV-Fanseele reichen würde, steht mit dem FC St. Pauli auch noch Erzfeind Nummer zwei auf dem dritten Platz vor den Rothosen, die nach einem ganz bitteren Spieltag mal wieder nur ihren Aboplatz vier einnehmen.

Und wie reagierten die HSV-Anhänger? Mit Jubel. Beifall. Und Applaus. Während die Bremer die arme Eckfahne malträtierten, feierten die HSV-Fans ihre abgekämpften Helden und erinnerten daran, dass der nächste Höhepunkt schon für Mittwoch fest eingeplant ist: „Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin“, sangen die Zuschauer, für die „nach Bremen“ „vor Berlin“ ist – auch wenn dazwischen noch mindestens Karlsruhe liegt. Als Pokal-Viertelfinalgegner an diesem Mittwoch.

Und so durfte sich auch HSV-Trainer Tim Walter eine Dreiviertelstunde später bestätigt fühlen, als er von „einem tollen Spiel“ seiner „grandiosen Spieler“ sprach, von „richtig viel Spaß“, „ganz viel Mut“ und von einer Mannschaft, „auf die ich einfach stolz bin.“ Das einzige Pro­blem an diesem „grandiosen Fußball-Nachmittag“: Gewonnen hatte dann dummerweise doch Werder Bremen. Und auch wenn Walter das möglicherweise anders empfand: Wirklich unverdient war dieser Auswärtssieg nicht.

Wirbel um Handelfmeter gegen HSV

Dass der Nordrivale die drei Punkte nach 96 unterhaltsamen Minuten aus Hamburg entführen konnte, lag dann vor allem wieder an diesen Merkwürdigkeiten des Fußballs. Denn am Sonntagnachmittag entschieden im Volkspark eher die Hände als die Füße. So waren gerade einmal sechs Minuten gespielt, als Schiedsrichter Daniel Siebert nach einem Hinweis von Videoassistent Pascal Müller erstmals in Aktion treten musste. Bremens Leonardo Bittencourt hatte den Ball ins Tor geköpft, Siebert aber – zu Recht – auf Abseits entschieden.

Doch dann musste der Berliner noch mal zur Seitenlinie, um sich die ganze Szene ein weiteres Mal anzuschauen – und entschied zur Überraschung aller auf Strafstoß. Der Grund: Jonas Meffert hatte kurz zuvor einen Schuss Ömer Topraks aus kurzer Distanz an den Arm geschossen bekommen. Laut der Halbzeitanalyse von Bezahlsender Sky eine Fehlentscheidung, die Schiedsrichter Siebert nach der Partie aber verteidigte:  Das Handspiel bleibe „leider strafbar“, erklärte der Berliner, der auch nach Marvin Duckschs erfolgreichem Elfmeter zum frühen 0:1 (10.) an diesem Nachmittag noch mehr als genug zu tun hatte.

Denn nachdem Werder bis zum Halbzeitpfiff eigentlich schon 3:0 hätte führen müssen, dann aber ausgerechnet (oder merkwürdigerweise) Strafstoßverschulder Meffert direkt nach dem Wiederbeginn zum 1:1 traf, war es wenig später Bakery Jatta, der erneut den Meffert machte (51.). Ärgerlicherweise aber nur den Strafstoß-Meffert, nicht den Ausgleichs-Meffert. Auch der Gambier drehte sich bei einem Schuss aus kurzer Distanz von Mitchell Weiser weg, bekam den Ball an den Arm und rief erneut Videoassistent Müller und Schiedsrichter Siebert auf den Plan. Der Unparteiische erklärte: „Die Hand ist fast auf Kopfhöhe. Der Ball ist erwartbar, in beiden Elfmeterszenen übrigens. Deshalb ist es kein Alibi, auch wenn er sich wegdreht, die Hand auf dieser Höhe zu halten.“

Weitere HSV-Berichte:

Auch interessant

Warum HSV-Coach über Siebert schimpfte

Wenig merkwürdig war, dass HSV-Trainer Walter die Sachlage anders bewertete. „Da sollte man Dinge überdenken. Es gibt Menschen, die vielleicht mal Fußball gespielt haben und dann kann man darüber diskutieren.“

Auch ein nicht gegebenes Tor durch Moritz Heyer, nachdem Robert Glatzel Toprak geschubst haben soll, ärgerte die Hamburger. „Es war nur ein leichter Kontakt. Kontakt gehört dazu“, sagte Glatzel, der selbst für eine durch und durch merkwürdige Schlussphase sorgte. Denn nachdem Bremen bereits die Vorentscheidung zum 3:1 (76.) durch Ducksch (ausnahmsweise mit dem Fuß) feierte, war es eben Glatzel, dessen Treffer zum 3:2 (80.) für Hoffnung sorgte.

Und dann die Nachspielzeit: Wieder ein Tor (diesmal durch den eingewechselten Manuel Wintzheimer), wieder überprüften die Videorichter – und wieder zog der HSV den Kürzeren. Am Ende durften sich beide Mannschaften über ein starkes Fußballspiel freuen – doch nur eine Mannschaft konnte beim Handball punkten. Da wäre es fast schon merkwürdig, wenn sich der HSV nicht doch noch am Pokal-Mittwoch selbst belohnen könnte.