Hamburg. Für den Zweitligisten kommt die Anpassung der möglichen Stadionauslastung vor dem Duell gegen Paderborn sehr kurzfristig.

Für Timo Schultz steht vor dem Heimspiel seines FC St. Pauli gegen den SC Paderborn (Sonnabend, 20.30 Uhr/Sport1 und Liveticker auf abendblatt.de) allenfalls eine Partie Rasen-Schach auf dem Programm. Die taktische Ausrichtung der heimstärksten Mannschaft der 2. Fußball-Bundesliga will präzise vorbereitet werden, um gegen das beste Auswärtsteam zu bestehen. Dahingegen dreht sich bei den Verantwortlichen aus mehreren Abteilungen des Vereins tatsächlich alles ums Schachbrett.

5000 Zuschauer? 10.000? Alle auf einer Tribüne oder eben im besagten Schachbrett-Muster? Wohl dem beim Kiezclub, der so entspannt wie Trainer Schultz auf die Thematik blicken kann: „Entscheidend ist, dass überhaupt wieder Zuschauer da sind. Am schönsten ist es vor ausverkauftem Haus. Aber 2000, 5000 oder 7000 helfen auch schon.“

10.000 Zuschauer? Kaum Zeit beim FC St. Pauli auf Anpassung zur reagieren

So sehr die Hamburger Proficlubs über die Entscheidung der Staats- und Senatskanzleien erleichtert sein dürften, bei überregionalen Großveranstaltungen wieder bis zu 10.000 Zuschauer im Freien bei einer Auslastung von maximal 50 Prozent sowie 4000 in Innenräumen bei maximaler Auslastung von 30 Prozent zuzulassen, so gibt sie dem FCSP doch kaum Zeit, bis zum nächsten Heimspiel auf die Anpassung zu reagieren. Bereits vor der Partie gegen Erzgebirge Aue am 15. Januar hatte die Stadt erst zwei Tage vor Anpfiff eine Ausnahmegenehmigung für eine Aufstockung erteilt. Damals allerdings nur von 1000 auf 2000 Fans. Der nun größere Sprung erfordert ein an mehreren Stellen überarbeitetes Hygienekonzept.

Bislang hat der FC St. Pauli 5000 Fans gegen Paderborn beantragt. Die Stadt würde sich nach Abendblatt-Informationen nicht sträuben, einem Antrag für eine Aufstockung auf 10.000 Zuschauer stattzugeben. Nur ist dieser Antrag bislang nicht eingegangen. „Grundsätzlich ist es so, dass wir in der Lage sind, mindestens 5000 Fans ins Stadion zu lassen. Alles Weitere müssen wir prüfen“, erklärt St. Paulis Mediendirektorin Anne Kunze.

FC St. Pauli: Beim Gesundheitscheck unterstützen freiwillige Helfer den Club.

Das Problem ist vielschichtig. So ist beispielsweise die Anordnung im Schachbrett-Muster aufwendiger, da sie zur Frage führt, wie viele Tribünen geöffnet werden müssen – und wie viele geöffnet werden sollen. Schließlich geht dies neben komplexerer Zuwegung und Öffnung weiterer Tore mit einem Mehraufwand an Kosten und Ordnern einher. Speziell Ordner sowie das Sicherheitspersonal sind derzeit knapp. Da es nur wenige Unternehmen in diesem Bereich gibt, ist unklar, ob sich der Bedarf rechtzeitig decken lässt. Beim notwendigen Gesundheitscheck unterstützen freiwillige Helfer den Club.

Personalprobleme quälen Schultz dagegen nur begrenzt. Zwar plagt Rechtsverteidiger Sebastian Ohlsson der Hüftbeuger und sind Spielmacher Daniel-Kofi Kyereh, der frischgebackene Vater Afeez Aremu (beide Oberschenkelverletzung) sowie der mit Corona infizierte Christopher Buchtmann keine Optionen. Dafür sei Jackson Irvine verhältnismäßig frisch von den WM-Qualifikationsspielen aus seinem Heimatland Australien und dem Oman zurückgekommen. Überhaupt: „In dieser Länderspielpause waren endlich mal fast alle Spieler hier“, betont Schultz, „wir konnten durchtrainieren und sind im Rhythmus.“ Aus diesem strauchelte der Tabellenzweite bei der 1:3-Hinspielpleite in der sechsten Minute, als Kapitän Philipp Ziereis einen Platzverweis kassierte. Die folgenden 85 Minuten in Unterzahl sind nur ein Grund, weswegen das erste Aufeinandertreffen nicht als Maßstab dient.

Sven Michel wechselt zu zu Bundesligist FC Union Berlin

Der zweite: Sven Michel. Der mit 14 Treffern zweitbeste Torjäger der 2. Bundesliga und erste Verfolger von St. Paulis Guido Burgstaller (15) wechselte am finalen Tag der Transferperiode für rund zwei Millionen Euro zu Bundesligist FC Union Berlin. Ein Anzeichen dafür, dass die neuntplatzierten Ostwestfalen, die fünf Punkte Rückstand auf Relegationsrang drei besitzen und Teile des Transfererlöses in den international erfahrenen Angreifer Kemal Ademi investierten, die weiße Flagge im Aufstiegskampf schwenken.

Schultz relativiert jedoch: „Man muss auf die Möglichkeiten schauen, die Vereine wie Paderborn oder wir haben. Natürlich ist Michels Wechsel ähnlich eines Ausfalls von Kofi bei uns. Dafür erwarte ich, dass sie ohne ihn mehr auf Ballzirkulation denn Umschaltspiel setzen werden.“ Das Szenario Michel ist für die Hamburger übrigens nur aufgeschoben, nicht aufgehoben, da sie im Viertelfinale des DFB-Pokals bei Union antreten.

Gute Vorzeichen also, um auch im zehnten Heimspiel ungeschlagen zu bleiben. Wie sehr allerdings die fluktuierenden Zuschauerzahlen (siehe Grafik) das Aufstiegsrennen beeinflussen können, zeigt ein Blick auf die Statistik.

FC St. Pauli: Schultz plant die nächsten Züge

Zugegeben, die Zahlen sind über drei Saisons, unterschiedliche Kader und Gegner hinweg betrachtet, nur begrenzt aussagekräftig. Dennoch zeigt die Diskrepanz eine Tendenz auf. Aus 17 Geisterspielen am Millerntor seit Pandemie-Beginn holten die Braun-Weißen durchschnittlich 1,4 Punkte, aus 13 Partien mit partieller Zuschauerzulassung 2,5 Zähler, wobei besonders die überragende Hinrunde der aktuellen Spielzeit ins Gewicht fällt.

Schultz möchte daraus keine Rückschlüsse ziehen. Er schaut voraus. Plant die nächsten Züge. Wie ein Schachspieler.