Hamburg. Mit einer Absichtserklärung ermöglicht die Stadt Hamburg den Ausbau des Trainingsgeländes in Niendorf bis 2026.

Andy Grote wirkte etwas orientierungslos. 12.03 Uhr, das Zelt auf dem Trainingsgelände des FC St. Pauli an der Kollaustraße war bereits gut gefüllt mit Interessierten – schließlich galt es Großes zu verkünden –, aber noch war niemand sonst vom Verein oder der Stadt zu sehen. „Ich geh mal gucken, wo der Rest bleibt“, sagte der Innen- und Sportsenator und machte sich noch einmal auf den Weg hinaus zu den Fußballplätzen.

Es sollte schließlich ein gemeinsamer Auftritt werden, denn gemeinsam hatten Stadt und Verein ja auch über Jahre erarbeitet, was an diesem 2. Februar 2022 mit einem – neudeutsch – „Letter of Intent“, also einer Absichtserklärung, fixiert wurde: nämlich „ein riesengroßer und zukunftsweisender Schritt für den Verein“, so Präsident Oke Göttlich. Ein „Durchbruch“, so Grote.

Nach sieben Jahren Planungen, Gesprächen, Zurückweisungen, Suche nach Alternativen und schließlich konkreten Ideen konnte nun ein genauer Plan für den Ausbau des Profi-Trainingsgeländes einschließlich des Nachwuchsleistungszentrums (NLZ) präsentiert werden. Bis Ende 2026 sollen in Niendorf vier weitere Fußballplätze sowie ein funkelnagelneues Funktionsgebäude erstehen.

St. Paulis Projekt: Viel Zeit bleibt nicht

Eimsbüttels Bezirksamtsleiter Kay Gätgens skizzierte den (ambitionierten) Zeitplan des Projekts. Bis Ende 2023 soll ein Bebauungsplan für die Grünfläche im Überschwemmungsgebiet der Kollau am Langenhorst erstellt werden. Danach könnte der Club zwei Fußballplätze dort errichten, die idealerweise bis 2025 fertiggestellt sind. 2025 will die Universität mit dem Fachbereich Informatik den „Campus Stellingen“ an der Vogt-Kölln-Straße Richtung Bundesstraße verlassen. Auf den dort dann frei gewordenen Platz kommt ein neues Baseballfeld (siehe Text rechts). Und auf der jetzigen, von den Hamburg Stealers sowie den ETV Knights genutzten Anlage können zwei weitere Fußballfelder gebaut werden.

Um mit dem NLZ umzuziehen, braucht es aber auch noch ein Haus für Umkleiden, Fitness, Physiotherapie und Büros, das wohl auf einem Teil des derzeit von einem Automobilkonzern genutzten Nachbargrundstückes geplant ist. Wenn das alles steht, dann kann der FC St. Pauli sein bislang für das NLZ genutzte Gelände am Brummerskamp in Schnelsen aufgeben und der Bezirk dort ein Großsportfeld errichten.

Was wie ein sehr komplizierter Ringtausch klingt, ist genau das. „Es war ein Puzzle, wo jedes Teil passen musste“, sagte Finanzsenator Andreas Dressel, zu dessen Behörde der Landesbetrieb für Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG) gehört, ohne den all dies nicht möglich ist. Tatsächlich gehört dem FC St. Pauli kein Stück der erforderlichen Fläche von knapp 90.000 Qua­dratmetern, es ist alles städtisches Eigentum. Verein und Stadt werden deshalb einen Erbbaurechtsvertrag über 60 Jahre mit Verlängerungsoption schließen. „Das schafft Sicherheit für den FC St. Pauli, auch für die Finanzierungsmöglichkeiten“, sagte Dressel.

30 Millionen für St. Paulis Trainingsgelände

Von einem Investitionsvolumen von mindestens 30 Millionen Euro war schon zu hören, am Mittwoch wollte Göttlich zu Zahlen aber noch nichts Genaues sagen: „Heute haben wir den ersten Schritt gemacht. Wir bekommen nichts geschenkt, es wird eine große Herausforderung für den FC St. Pauli. Wir werden die Abteilung Fördernde Mitglieder, die Mitgliedschaft insgesamt, die Abteilung Fußball-Herren brauchen.“

Möglicherweise wird auch das vor knapp drei Jahren schon einmal zum Zweck der Stadionfinanzierung erdachte Genossenschaftsmodell wieder aus der Schublade geholt. „Das ist ein Thema, was sehr nah an dem ist, was wir als Verein leben, und eine Finanzierungsmöglichkeit für größere Ausgaben, die man unter Umständen mit weiteren infrastrukturellen Maßnahmen hätte“, sagte Göttlich auf der Mitgliederversammlung im Dezember: „Wenn das steuerlich und rechtlich gut ausgehen kann, ist das ein Modell, das wir immer wieder bei uns auf dem Schreibtisch haben.“ Ärgerlich für den Verein ist, dass sich das Eigenkapital durch die coronabedingten Einnahmeverluste von rund 15 Millionen Euro auf etwa 7,5 Millionen halbiert hat.

Der Verein ist praktisch durch die Lizenzierungsbedingungen der DFL zu diesem Ausbau des Trainings- und NLZ-Bereiches gezwungen. „Die Anforderungen wachsen ständig“, erklärte Sportchef Andreas Bornemann, „tatsächlich laufen wir da schon etwas der Musik hinterher. Wir werden in Zukunft nun eine gemeinsame Heimat haben, wo auch ein intensiver Austausch zwischen den verschiedenen Jahrgängen bis hin zum Lizenzbereich erfolgen kann.“

Hamburg betont: St. Pauli wird gleichbehandelt

Etwa seit 2015 hat der FC St. Pauli das Projekt verfolgt. Flächen in der Großstadt sind jedoch knapp, und mit der Bereitschaft des LIG, über Möglichkeiten ernsthaft nachzudenken, war es auch nicht so weit her. Um nicht zu sagen: Sie war gar nicht vorhanden. Das führte am Ende so weit, dass der Club ernsthaft über einen Umzug nach Niedersachsen oder Schleswig-Holstein nachdachte, von wo es auch bereits Signale gab, dass man herzlich willkommen sei. Erst dieser Druck, dieser drohende Imageverlust, hat an oberster Stelle in der Stadt zu einem Umdenken etwa ab dem Sommer 2020 geführt.

Wichtig war Dressel, darauf hinzuweisen, dass St. Pauli nicht anders behandelt wurde als andere Vereine: „Es gibt keine Sonderrechte, wir orientieren uns an den Standards der Stadt.“ Auch beim Millerntor-Stadion oder beim Erbbaurechtsvertrag für den HSV am Volksparkstadion sei ähnlich vorgegangen worden.

„Es waren sehr intensive und anstrengende Gespräche über Monate“, sagte Grote und räumte ein: „Es war nicht sicher, dass wir das in Hamburg realisieren können.“ Aber nun ist es schließlich geglückt. „Hier wird etwas geschaffen werden, was über Jahrzehnte wichtig sein wird für den Verein“, sagte Göttlich, „die Steine der Erleichterung dürfen kullern.“