Hamburg. Jackson Irvine ist ein ungewöhnlicher Profi und passt gerade deshalb zum FC St. Pauli. Zum Heimspiel fährt er mit der U-Bahn.

Angeregt unterhielt sich Jackson Irvine beim Auslaufen nach der ersten Trainingseinheit der Woche mit James Lawrence – natürlich auf Englisch. Der Australier mit schottischen Wurzeln ist glücklich, dass er sich im Team des FC St. Pauli mit dem walischen Nationalspieler intensiv austauschen kann. Grundsätzlich ist ja die allgemeine Verständigung mit den anderen Mitspielern kein großes Problem, aber so intensiv geht manches dann eben doch nur in der Muttersprache.

Gut drei Monate nach seiner Verpflichtung im Sommer ist der 28 Jahre alte Irvine inzwischen richtig beim FC St. Pauli und in Hamburg angekommen. Auf dem Feld wird der 1,89 Meter lange und nur 74 Kilogramm leichte Schlaks immer mehr zu einem Leistungsträger. Zuletzt beim 4:2 (0:1)-Sieg beim 1. FC Heidenheim am vergangenen Sonntag bereitete er die beiden Treffer von Guido Burgstaller zum 1:1 und 3:1 vor. Dazu eroberte er im Mittelfeld etliche Bälle und gab gescheite Pässe.

Es waren in seinem sechsten Punktspiel für St. Pauli seine ersten beiden direkten Torbeteiligungen. Auf seinen ersten Treffer wartet er derzeit noch, nachdem er beim 3:1-Sieg in Karlsruhe Ende September bei einem Kopfball aus kurzer Distanz zu hoch gezielt hatte.

Irvine: Mit unkonventioneller Art zum Erfolg

„Wie Jackson spielt, ist etwas unkonventioneller, aber es funktioniert mit seiner Art und Weise. Auch was seine tiefen Laufwege angeht. Das macht er richtig gut. Er ist auch in den Zweikämpfen präsent“, lobt ihn Trainer Timo Schultz. Viermal in Folge hat der Coach ihn jetzt von Beginn an auf das Feld geschickt, alle vier Spiele gewann St. Pauli.

Dabei hätte man am vergangenen Wochenende eine kleine Pause nachvollziehen können, denn erst drei Tage zuvor war Irvine von einer sportlichen Weltreise zurückgekommen. Mit der australischen Nationalmannschaft hatte er zunächst in Katar gegen den Oman (3:1) und danach in Japan gegen den Gastgeber (1:2) gespielt. „Er reißt eine Mange an Kilometern ab, aber Müdigkeit entsteht meistens nur im Kopf. Die hat er nicht“, sagte jetzt Schultz dazu.

Irvine selbst bestätigte dies am Dienstag in einer Videokonferenz mit Medienvertretern. „Ich bin es seit Jahren gewohnt, diese langen Reisen zum Nationalteam zu machen. Ich ernähre mich gut, und unser Verband tut alles dafür, dass wir unter den besten Bedingungen reisen können“, sagte er.

Irvine: Zum FC St. Pauli mit der U-Bahn

Nach gut drei Monaten seit seinem Wechsel von Hibernian FC Edinburgh ans Millerntor ist Irvine mit seiner Freundin Jemilla längst in Hamburg heimisch geworden. „Wir wohnen zwischen Schanze und Eimsbüttel“, erzählt er. „Wir haben uns ein paar Gegenden angeschaut, das hat uns am besten gefallen.“ Mittendrin im Leben also, und dort, wo die St.-Pauli-Fans in der Mehrheit sind.

Bislang kommt Irvine ohne eigenes Auto aus. „Zum Training fahre ich mit der U-Bahn oder dem Bus, auch zu den Heimspielen nehme ich meist die Bahn und gehe danach zu Fuß nach Hause“, erzählt er. Berührungsängste mit den Fans kennt er nicht – ganz im Gegenteil. Jüngst gönnte er sich auf dem Heimweg auch noch einen Abstecher in der Fankneipe Jolly Roger in der Budapester Straße. „Ich finde das öffentliche Transportsystem hier sehr effizient“, begründet er den Verzicht auf ein Auto. Dass diese Haltung ganz im Sinne der Ausrichtung des Vereins in Sachen Nachhaltigkeit ist, versteht sich von selbst.

Eines blieb dem Musikliebhaber, der selbst gern Gitarre spielt, bisher verwehrt: Die Playlist in der Kabine zu bestimmen. „Vielleicht darf ich das ja, wenn ich mein erstes Tor geschossen habe“, sagt er. Dabei warnt Irvine auch schon vor der Art seines Jubels. „Ich bin ein bisschen verrückt, wenn ich wütend bin und auch wenn ich ein Tor schieße“, kündigte er schon mal an. Die nächste Gelegenheit wird er am kommenden Sonntag (13.30 Uhr) im Heimspiel gegen den FC Hansa Rostock erhalten.

Jackson Irvine über sein Äußeres

Mit seinem Schnurrbart wirkt Jackson Irvine derweil wie ein Fußballprofi aus den 70er- oder 80er-Jahren. „Niemand hat etwas über meine langen Haare und mein Ohrringe gesagt. Aber mein Schnurrbart ist jetzt ein Thema“, sagt er und verrät, dass die Idee dazu aus „purer Langeweile in der Corona-Pandemie“ entstanden sei. Seine Freundin sei zunächst gar nicht begeistert gewesen, habe sich aber inzwischen damit abgefunden. Und so wird dieser Bart auch noch eine Weile sein Markenzeichen bleiben.

So wird es denn in absehbarer Zeit auch eine Chance geben, dass seine Familie den Schnurrbart live sehen kann. Wegen der strengen Corona-Beschränkungen in seinem Heimatland, war seit 18 Monaten nicht mehr in Australien. Und auch umgekehrt fiebert er darauf hin, dass ihn seine engen Verwandten bald einmal im Millerntor-Stadion Fußball spielen sehen.

  • Außenverteidiger Sebastian Ohlsson und Stürmer Etienne Amenyido, die beide wegen Verletzungen noch kein Pflichtspiel in dieser Saison bestritten haben, konnten am Dienstag das gesamte Trainingsprogramm mitmachen. Die Mittelfeldspieler Christopher Buchtmann und Afeez Aremu beendeten die Einheit vorzeitig.