Nach 686 Tagen feiert der Kiezclub beim 3:2 in Hannover wieder einen Auswärtssieg und hat neue Hoffnung im Tabellenkeller.
Es war ein ungewohntes Gefühl, mit dem die Profis des FC St. Pauli am Sonnabendnachmittag den Rasen der HDI Arena verließen. 686 Tage nach dem 1:0-Sieg beim SC Paderborn (Torschütze: Alexander Meier) konnte die Mannschaft von Trainer Timo Schultz beim 3:2 (2:0) bei Hannover 96 erstmals wieder ein Spiel außerhalb der Hamburger Stadtgrenze gewinnen. Umjubelter Siegtorschütze war der 17-Jährige Igor Matanovic, der in der Nachspielzeit seinen ersten Profitreffer bejubeln konnte. Trotz des zweiten Saisonsieges bleibt der Kiezclub aber auf dem direkten Abstiegsplatz 17. „Meine Emotionen gehen rauf und runter, mein ganzer Körper zittert. Es ist ein wunderbares Gefühl“, sagte der Youngster und ergänzte: „Vom Tor bis jetzt weiß ich überhaupt nicht, was ich denken soll. Es ist einfach nur wunderbar“, so das Eigengewächs.
Personell nahm Trainer Schultz nur eine Veränderung vor. Für Adam Dzwigala rückte der zuletzt gelbgesperrte Rechtsverteidiger Sebastian Ohlsson in die Startelf. Für Neuzugang Eric Smith (23) war im Kader noch kein Platz. Der Schwede selbst hatte eingeräumt, dass er noch körperliche Defizite hat. Er hofft, sein Debüt in der kommenden Woche gegen Jahn Regensburg feiern zu können.
FC St. Pauli: Zalazar sorgte für den Hamburger Blitzstart
In Hannover merkte man dem Kiezclub nichts von den atmosphärischen Querelen der vergangenen Tage an. Vor dem Nordderby drehte sich alles um die fragwürdige Trennung des langjährigen Stammtorhüters Robin Himmelmann (31). Davon ließen sich die Hamburger nicht berirren.
Nach 71 Sekunden brachte Rodrigo Zalazar die Gäste nach einer schönen Kombination über Omar Marmoush und Guido Burgstaller bereits in Führung. Und diese frühe Führung tat St. Pauli richtig gut. Defensiv stabil und mit starkem Umschaltspiel brachten die Gäste Hannover immer wieder in Verlegenheit.
Burgstaller erzielt erstes Tor für St. Pauli
Vor allem den überragenden Zalazar bekamen die Niedersachen sie in den Griff. Und da überraschste es auch nicht, dass es der Uruguayer war, der in der zehnten Minute mit einer butterweichen Flanke das 2:0 von Guido Burgstaller vorbereitete.Für den lange verletzten Österreicher war es der erste Treffer für St. Pauli. "Die Neuzugänge tun uns gut. Mit ihrem frischen Wind, nicht nur sportlich, sondern auch von ihrer Art", lobte Trainer Schultz.
Hannovers Topstürmer Ducksch ohne Wirkung
Nach dem Doppelschlag beruhigte sich die Partie etwas. St. Pauli war gegen erschreckend ideenlose Hannoveraner, die sich zuletzt wieder Hoffnung gemacht hatten, Druck auf die Aufstiegsplätze ausüben zu können, die klar überlegende Mannschaft. Der Abstiegskandidat aus Hamburg war es, der die Partie diktierte. Daran änderte auch der früher Doppelwechsel (Weydandt und Muslija für Schindler und Sulejmani) von Hannovers Trainer Kenan Kocak nichts.
Die Gastgeber fanden offensiv überhaupt nicht statt. 96-Stürmer Marvin Ducksch war bei den Innenverteidigern Philipp Ziereis und Daniel Buballa bestens aufgehoben. Der ehemalige Hamburger gab in der 39 Minute den ersten Torschuss für die Niedersachsen ab. Zuvor hatten Zalazar (31.) und Daniel-Kofi Kyereh (36.) gute Möglichkeiten, die hochverdiente Führung weiter auszubauen.
Haraguchi schockt St. Pauli mit Doppelpack
Auch nach dem Seitenwechsel änderte sich das Bild nicht. St. Paulis neuer Stammkeper Dejan Stojanovic erlebte einen extrem entspannten Arbeitstag und sah, wie Kyereh mit dem ersten Angriff der zweiten Halbzeit aus 50 (!) Metern beinahe das "Tor des Jahres" erzielte. Es war eine Aktion, die das Selbstvertrauen der Hamburger offenbarte.
Nichts deutete daraufhin, dass Hannover in die Partie zurückkommen könnte. Doch der Fußball ist manchmal verrückt. Praktisch aus dem Nichts sorgte Hannovers Japaner Genki Haraguchi per Doppelpack innerhalb von drei Minuten für den Ausgleich. Bei beiden Gegentoren waren die Hamburger im Defensivverbund viel zu passiv. "Nach dem ersten Gegentor haben wir komplett den Faden verloren, haben sehr ungeduldig gespielt. Hannover ist immer stärker geworden. Aufgrund der ersten Halbzeit haben wir uns den Sieg erarbeitet", lobte Torschütze Burgstaller.
Hannover 96 drängte auf das 3:2
Die beiden Treffer waren psychische Tiefschläge für St. Pauli, die Wirkung gezeigt haben. Hannover war fortan die klar bessere Mannschaft, und hatte durch Ducksch in der 63. Minute die Riesenchance zum 3:2, doch der Schuss des Torjägers strich Zentimeter am Pfosten vorbei. Auch St. Paulis Trainer Schultz sah, dass sich das Spiel zunehmend drehte.
Hannover wird klarer Elfmeter verweigert
In der Schlussphase stellte er mit der Einwechslung von Innenverteidiger Adam Dzwigala, der für Zalazar kam, auf ein 3-5-2-System um, in dem die Hamburger wieder mehr Stabilität hatten. In der 76. Minute hatte St. Pauli aber riesiges Glück, als Torhüter Stojanovic stark gegen Florent Muslija hielt. Fünf Minuten vor dem Ende hätte Hannover einen Foulelfmeter erhalten müssen. St. Paulis Torhüter Stojanovic foulte Hendrik Weydant, doch zur Überraschung aller blieb die Pfeife von Referee Sören Storks stumm. Auch der Videoschiedsrichter griff nicht ein.
Pech für Hannover, Glück für St. Pauli, die nach der Gelb-Roten Karte für 96-Profi Jaka Bijol die letzten drei Minuten in Überzahl agierten, und durch den eingewechselten Igor Matanovic in der Nachspielzeit zum Auswärtssieg kamen. "Wir sind erleichtert. Die Jungs haben gezeigt, dass sie eine Einheit sind. Es war eine gute Stimmung in der Mannschaft. Hinten raus war es ein glücklicher Sieg", bilanzierte Trainer Timo Schultz.