Hamburg. Einen Tag nach dem Aus für Luhukay trennen sich auch die Wege von Vizepräsident Pawlik und dem FC St. Pauli. Die Hintergründe.
Nur einen Tag nach der Beurlaubung von Cheftrainer Jos Luhukay wird der FC St. Pauli von einer weiteren, in diesem Fall überraschenden Personalveränderung durchgeschüttelt. Joachim Pawlik legt mit dem Ende der Saison 2019/20, also an diesem Dienstag, sein Amt als Vizepräsident nieder. Der 55-Jährige war im November 2014 auf der Mitgliederversammlung des Millerntorclubs erstmals gewählt worden – ebenso wie Präsident Oke Göttlich. 2017 wurde er von den Mitgliedern bis 2021 im Amt bestätigt.
Offiziell wird Pawliks Rücktritt vom FC St. Pauli mit der starken beruflichen Belastung als geschäftsführender Gesellschafter der international tätigen Unternehmensberatung Pawlik Consultants begründet. Aufgrund dessen habe er seinem eigenen Anspruch, wie er das Vizepräsidentenamt ausfüllen will, nicht mehr gerecht werden können.
Vizepräsident verlässt St. Pauli im Streit
Dies ist nach Informationen des Abendblatts allerdings nur die halbe Wahrheit – wenn überhaupt. Seit geraumer Zeit schwelte im Präsidium des FC St. Pauli ein Streit über die zu setzenden Prioritäten unter den verschiedenen Aufgabenbereichen.
Dabei machte sich Pawlik immer wieder dafür stark, dem Thema Profifußball, also dem vermeintlichen Kerngeschäft des Zweitligaclubs, mehr Bedeutung als bisher beizumessen und sich konsequenter und mit einem größeren finanziellen Engagement für die Entwicklung des Profiteams einzusetzen.
Stattdessen werde aber vor allem zu viel Energie für diverse politische Themen verwendet, die sich der Kiezclub auf die Fahnen geschrieben hat. Nicht zufällig kursiert schon seit einiger Zeit der Spruch, der FC St. Pauli sei im Grunde gar kein Proficlub, sondern eigentlich nur ein Politbüro mit angeschlossener Sportabteilung.
Was Pawlik über seinen Abschied sagt
Die Tatsache, dass das Zweitligateam allein in vier der vergangenen sechs Spielzeiten bis weit in die Rückrunde in Abstiegsgefahr schwebte, scheint ein Beleg für die These zu sein, dass dem Profifußball intern zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt werde.
„Dieser Schritt ist mir sehr schwergefallen" sagt Pawlik in einem vom Club verbreiteten Statement über seinen Rücktritt. Die Zusammenarbeit im Präsidium und dem Aufsichtsrat sei „durch ein hohes Maß an Vertrauen und Hingabe geprägt" gewesen. „Gemeinsam haben wir viel von dem umgesetzt, was wir uns vorgenommen hatten", sagt er offiziell.
Pawlik zieht nun Konsequenzen
Joachim Pawlik zieht mit seinem Rücktritt nun die Konsequenzen daraus, dass er sich mit seinen Forderungen nach Stärkung des leistungssportlichen Bereiches innerhalb des Führungsgremiums nicht durchsetzen konnte. Auch im Aufsichtsrat fand er offenbar nicht die nötige Unterstützung für sein Anliegen.
Da er auf der einen Seite den derzeitigen Kurs des Vereins nicht mehr nach außen vertreten, andererseits aber auch nicht illoyal sein wolle, war der Rücktritt die einzig verbleibende Konsequenz. Klar ist, dass das Präsidium eine fachliche Kapazität und ein sehr gut vernetztes Mitglied verliert.
„Joachim hat für sich eine persönliche Entscheidung getroffen, die vor dem Hintergrund der aktuellen Situation schade, aber nachvollziehbar ist", sagte Präsident Göttlich, der sich bei Pawlik für sein Engagement bedankte. Mit dem Rückkauf der Vermarktungsrechte im Jahr 2015 habe Pawlik „wichtige Weichen für die Zukunft des Vereins gestellt".
Was Pawliks Aus für St. Pauli bedeutet
Pawlik hatte in der Saison 1985/86 für die erste Mannschaft des FC St. Pauli 20 Spiele in der Oberliga Nord, der damals dritthöchsten Spielklasse bestritten und besaß damit innerhalb des Präsidiums die größte Erfahrung als Leistungsfußballer.
Verantwortlich war er im Führungsgremium allerdings nicht für den Sport, sondern für das Thema Vermarktung. In dieser Funktion war er federführend am Rückkauf der Merchandisingrechte Ende 2015 und zuletzt an der Überführung der Vermarktung und Sponsoren-Akquise in den Verein beteiligt.
St. Paulis Präsidium wird nun als Quartett statt als Quintett weiterarbeiten. Neben Präsident Oke Göttlich gehören ihm noch Christiane Hollander, Jochen Winand und Carsten Höltkemeier an. Während Winand wie Göttlich und Pawlik bereits seit 2014 ins Amt gewählt wurde, kamen Hollander und Höltkemeier 2017 dazu und ersetzten Thomas Happe und Reinher Karl.
Neuwahlen des Präsidiums stehen erst 2021 an. Bei der Mitgliederversammlung Ende dieses Jahres, sofern sie angesichts möglicher Corona-Beschränkungen stattfinden kann, könnte ein Modell auf den Weg gebracht werden, das erstmals teilweise eine Hauptamtlichkeit im Präsidium vorsieht. Der aus sieben Personen bestehende Aufsichtsrat wird erst im Herbst 2022 neu gewählt.