Hamburg. Seine Worte zum Abschied sind bezeichnend: Warum Luhukay beim FC St. Pauli gescheitert ist und wer sein Nachfolger werden könnte.
Aus für Jos Luhukay beim FC St. Pauli: Wie der Kiezclub am Montag mitteilte, haben sich beide Parteien auf eine Trennung geeinigt. Dieser Schritt war allgemein erwartet worden, denn hinter den Kulissen brodelte es zuletzt schon gewaltig. Die interne Kritik an Luhukay, der noch einen Vertrag bis 2021 besitzt, nahm zu.
Ganz so friedlich, wie es der Hamburger Zweitligist verkündet, ist die Trennung daher nicht. Schon vor dem letzten Saisonspiel bei Wehen Wiesbaden (3:5) am vergangenen Sonntag war klar, dass Luhukay keine Zukunft mehr bei St. Pauli hat. Der oftmals engstirnige Niederländer ist vom Verein freigestellt und von seinen Aufgaben entbunden worden.
Schultz oder Köllner könnten Luhukay ersetzen
St. Pauli schloss die Saison auf einem enttäuschenden Platz 14 ab. Wer Luhukays Nachfolger wird, ist noch unklar. Wie das Abendblatt erfuhr, besitzen alle im Club gehandelten Namen einen gültigen Vertrag. Somit dürfte in jedem Fall eine Ablöse fällig werden. Einer von vielen Kandidaten, mit denen Sportchef Andreas Bornemann nun Gespräche führen wird, ist U-19-Trainer Timo Schultz.
Nach Abendblatt-Informationen gehört auch Michael Köllner zum engeren Kandidatenkreis. Der aktuelle Trainer von Drittligist 1860 München und Bornemann kennen sich bereits aus ihrer gemeinsamen Zeit beim 1. FC Nürnberg. Gegen Köllner spricht allerdings die große Nähe zu Bornemann – eine Konstellation, die nicht unbedingt ideal sein muss.
Auch wenn die Saison beendet ist und noch nicht feststeht, wann das nächste Pflichtspiel ansteht, kann sich St. Pauli nicht ewig Zeit lassen mit der Trainerfrage. Denn die so wichtige Kaderplanung kann erst vorangetrieben werden, wenn der noch zu findende neue Coach seine Einschätzung über das aktuelle Spielerpersonal abgegeben hat.
St. Pauli will Dauerkritiker Luhukay nicht mehr
„Jos wurde geholt, um den Finger in die Wunde zu legen. Das hat er getan, vielleicht für unseren Verein manchmal etwas zu tief", lässt sich Bornemann vom Verein vielsagend zitieren. „Trotzdem hat er mit seiner unumstrittenen Fachkompetenz Defizite aufgezeigt, junge Spieler an die erste Mannschaft herangeführt und notwendige Richtungswechsel eingeleitet. Hiervon werden wir auch in Zukunft profitieren."
Trotz eines miserablen Schnitts von 1,12 Punkten, der schlechtesten Bilanz aller St.-Pauli-Trainer, die mindestens 20 Spiele in der Verantwortung standen, soll sich Luhukay nach Angaben von Bornemann „einen festen Platz in der Vereinshistorie gesichert" haben. Als Grund nennt der Manager hierfür die beiden Derbysiege gegen den HSV.
Warum Luhukay bei St. Pauli gescheitert ist
Tatsächlich gelang es Luhukay, junge Talente wie Finn Ole Becker (20), Christian Conteh und Luis Coordes (21) an die Mannschaft heranzuführen. Ihnen gehört die Zukunft. Folgerichtig schickte Conteh via Instagram einen Dankesgruß zu seinem Ex-Trainer. „Vielen Dank, dass Sie an mich geglaubt haben und dass Sie mir die Chance zu meinem Profidebüt gegeben haben", schrieb der Flügelflitzer.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass sich der Coach mit nahezu allen Führungsspielern verkrachte. Bezeichnend hierfür steht der Dauerstreit mit Top-Stürmer Henk Veerman, den Luhukay sogar trotz eines Tors zur Halbzeit beim Heimsieg gegen Aue (2:1) vor versammelter Presse auf dem Weg in die Kabine rundgemacht hatte. Spätestens ab diesem Moment war klar, dass Luhukays Wege und die des FC St. Pauli sich trennen werden.
Reumütig, aber zu spät, gab nun auch Luhukay in dem Kommuniqué des Vereins zu, „bei der öffentlichen Darstellung der intern gewünschten und notwendigen Kritik heute sicher einiges anders" umzusetzen.
Einige Führungsspieler nahmen es Luhukay auch übel, St.-Pauli-Ikone Jan-Philipp „Schnecke" Kalla (33) nach 17 Jahren im Verein bei dessen letztem Spiel seiner Karriere nicht eingewechselt zu haben. „Keine Worte für dieses unwürdige Ende unserer Legende!!!", schrieb Christopher Avevor bei Instagram. Der Adressat seiner Botschaft dürfte klar sein: Jos Luhukay.
Luhukay fand nie eine Stammelf
Hinzu kommt, dass der Bundesliga-erfahrene Luhukay 34 Spieltage lang nach einer Stammelf suchte – und sie immer noch nicht gefunden hat. Jede Partie tauschte er mehrere Schlüsselpositionen aus. Eine eingespielte Mannschaft konnte sich dadurch nie bilden. Am Ende der Saison stehen 37 eingesetzte Spieler zu Buche – das bedeutet einen unschönen Rekord in ganz Europa.
Was Luhukay zum Aus bei St. Pauli sagt
„Wir können nicht zufrieden sein", lautet daher auch Luhukays Fazit der Saison. Er habe den Verein zwar „wachgerüttelt" und „neue Reize" gesetzt, doch ein „enttäuschendes Auftreten auswärts" habe eine bessere Platzierung verhindert. Tatsächlich wäre St. Pauli sang- und klanglos abgestiegen, wenn der Verein nur auswärts gespielt hätte. In 17 Spielen in der Fremde holte die Mannschaft mickrige neun Punkte – das ist die mit Abstand schlechteste Ausbeute aller Zweitligisten.
Deutlich besser liest sich die Bilanz am heimischen Millerntor. Hier fuhr der Kiezclub 30 Zähler ein. In Erinnerungen bleiben vor allem die auch von Luhukay zum Abschied erwähnten Top-Leistungen gegen Spitzenteams. So siegte St. Pauli als nur eines von zwei Teams gegen Zweitliga-Meister Bielefeld (3:0), erkämpfte sich ein 1:1 gegen Aufsteiger VfB Stuttgart sowie ein 0:0 gegen den Dritten aus Heidenheim und zwang – natürlich – den ungeliebten Nachbarn HSV mit 2:0 in die Knie.
Trotzdem ist das Kapitel Luhukay beim FC St. Pauli nun beendet. Das Schlusswort gebührt dem freigestellten Coach: „Ich wünsche dem FC St. Pauli bei den auch in Zukunft notwendigen Veränderungen auf dem Weg viel Erfolg und bin sehr dankbar, dass ich für diesen tollen und besonderen Verein arbeiten durfte.“ Notwendige Veränderungen also. So ganz ohne Kritik kann Luhukay eben nicht.