Hamburg. In einer denkwürdigen Pressekonferenz erneuert St. Paulis Coach Jos Luhukay seine Medienkritik und rechtfertigt seinen Führungsstil.
Die Medienvertreter waren bereits im Zoom-Meeting zugeschaltet, während Jos Luhukay intensiv mit Mediendirektorin Anne Kunze diskutierte. Die Mikrofone waren noch nicht freigegeben, doch die Körpersprache ließ erahnen, dass der vor dem Aus stehende Trainer des FC St. Pauli drei Tage nach seiner Generalkritik an Mannschaft und Journalisten einen weiteren medialen Rundumschlag vorhatte.
Und dieser hatte es vor dem letzten Heimspiel der Saison am Sonntag (15.30 Uhr, Millerntor-Stadion) gegen Jahn Regensburg dann auch in sich. Bühne frei für einen Trainer, der irgendwie versucht, um seinen Job, vor allem aber um sein Image zu kämpfen. Zu Beginn seiner denkwürdigen Pressekonferenz hielt Luhukay auf die Frage, wie er sich die schwache Leistung beim 0:4 gegen Hannover 96 erklären könne, einen 14 Minuten und zehn Sekunden langen Monolog, der nicht nur die Niederlage im Nordderby abdeckte.
„Die Ambitionen, die der Verein hat und warum ich gekommen bin, sind Veränderungen vorzunehmen in der Art, wie wir Fußball spielen wollen und wie wir den absoluten Willen hinbekommen, tagtäglich besser und stärker zu werden. Da gehören aus Trainersicht auch kritische Töne dazu. Ich bin ein Trainer, der die Fehler intern anspricht und den Spielern mit Ratschlägen zur Seite steht. Ich ende immer mit Positivität. Mein innerer Antrieb ist, mit absoluter Geschlossenheit sehr erfolgreich zu sein, um irgendwann an die Tür zur Bundesliga klopfen zu können. Meine Person wird seit Sonntag, wo ich vielleicht persönlich einen Fehler gegenüber Henk Veerman gemacht habe, kritisiert.“
Beim Gang in die Kabine hatte Luhukay beim Heimspiel am vergangenen Sonntag gegen Erzgebirge Aue (2:1) den Stürmer Veerman für alle hör- und sichtbar angebrüllt, weil dieser sich nicht den Ball für einen Elfmeter geschnappt hatte. Es war nicht das erste Mal, dass er Führungsspieler öffentlich demontierte. Vor dem Auswärtsspiel in Bochum (0:2) sprach er dem gesamten Team die Berechtigung, in der Startelf zu stehen, ab. So viel zum Thema interne Ansprachen und absolute Geschlossenheit. Luhukay fühlt sich dennoch von den Medien verfolgt und missverstanden.
„Ich verstehe es nicht. Wir hatten zwei richtig gute Phasen vor und nach der Winterpause sowie vor der Corona-Zeit, wo wir eine fantastische Serie hatten. Alles war gut und positiv. Und nach der Corona-Zeit richtet sich innerhalb von vier Tagen alles gegen den Trainer. Warum wird diese Diskussion aufgebracht, warum fliegen die Giftpfeile auf den Trainer? Und das alles ohne Fakten oder inhaltliche Wahrnehmungen.“
Auf Medienarbeit legt Luhukay keinen Wert
Die Chance, seine bisweilen kruden Entscheidungen zu erklären, hatte Luhukay. Anders als alle seine Vorgänger lehnt er seit seinem Amtsantritt Einzelinterviews und Hintergrundgespräche kategorisch ab. Auf Medienarbeit legt er keinen Wert, deshalb schwärmt er oft von seiner Zeit in Augsburg, wo das Medienaufkommen überschaubar ist. Nach Abendblatt-Informationen wurde Luhukay auch intern mehrmals gebeten, sich mehr nach außen zu öffnen. Dagegen sträubt er sich. Auch bei seinem letzten Arbeitgeber Sheffield Wednesday überwarf sich der Trainer unmittelbar vor dem Rauswurf mit den Medien.
„Nach einer Saison analysiert man, was man ändern kann oder muss. Aber nicht zwei Spieltage vor Saisonende. Ich bin kein Kritiker, der alles negativisiert. Es wird so dargestellt, dass der Luhukay indirekt erwartet, dass die Medien die Spieler kritisieren müssen. Absolut nicht. Ich bin der Hauptdarsteller, aber ich tue alles, um mit St. Pauli erfolgreich zu sein. Was die letzten Tage passiert ist, ist schade. Das beeinflusst unsere Spieler und vor allem unsere Fans, die meine Arbeit nicht tagtäglich beurteilen können, und die durch diese Berichterstattung beeinflusst werden. Fünf Trainer mussten vor mir, aus welchen Gründen auch immer, gehen. Die waren nicht alle schlecht. Ich lasse mich hier nicht von euch (Journalisten, die Red.) verunsichern. Ich bin 26 Jahre in Deutschland. So kann man einen Trainer nicht – wie soll ich es ganz nett sagen – niedermachen. Ihr (Journalisten, d. Red.) richtet die Pfeile voll auf mich, das kann auch für die Mannschaft eine Gefahr sein. Das muss man versuchen zu verhindern.“
Schuld haben die anderen
Diese Worte sorgen auch intern für Verwunderung. Schließlich war es Luhukay, der in Pressekonferenzen häufig den Eindruck erweckt hatte, dass im Misserfolgsfall alle Schuld hatten, nur eben er selbst nicht. So auch unter der Woche in Hannover, als er die in dieser Saison keinesfalls überragenden Niedersachsen über den grünen Klee lobte.
„Die Leistung war nicht top, wie bei so vielen Auswärtsspielen. Wir haben im Trainerteam mit André Trulsen, Markus Gellhaus, Hans Schrijver und mir 200 Jahre Berufserfahrung. Jeder darf mitsprechen. Es gehört dazu, dass man stimuliert, motiviert, aber auch korrigiert. Mein Auftrag ist nicht, nur hier zu sein, um dabei zu sein. Ich will nur das Beste für die Mannschaft und den Verein. Ich bin der größte Selbstkritiker und bin total mit mir im Reinen. Ich sehe, wie wir im Trainerstab arbeiten. Das lasse ich mir nicht kaputt machen. Das ist vielleicht gerade meine schwierigste Phase. Trotz der Tatsache, dass mir der Wind ins Gesicht bläst, ist meine Arbeit geprägt von sehr viel Energie, Spaß und Freude. Die vergangenen Tage haben mich noch kämpferischer gemacht, um mit der Mannschaft am Sonntag und eine Woche später in Wiesbaden zu gewinnen. Wir haben zwei Spiele vor Saisonende fünf Punkte Vorsprung auf Platz 16 und haben es in der eigenen Hand. Wenn wir gewinnen, sind wir in der Liga, und wir haben das Ziel für diese Saison erreicht.“
Auch die Außendarstellung wird Luhukay den Job kosten
Dabei sollte Luhukay mit St. Pauli vor der Saison eigentlich eine Platzierung unter den ersten sechs Teams angreifen. Neben der fehlenden sportlichen Entwicklung ist vor allem die Außendarstellung des 57 Jahre alten Niederländers intern ein Kritikpunkt, der ihn wohl nach dieser Spielzeit den Job kosten wird. Nach gut 20 Minuten kündigte Mediendirektorin Kunze um 14.23 Uhr an, dass der Trainer um 14.25 Uhr weg müsse. Auf die letzte Frage, ob er noch das Vertrauen der Vereinsführung spüre, antwortete er, ohne so richtig zu antworten.
„Darum geht es doch gar nicht. Es geht nicht um meine Person. Ich bin total unwichtig. Das Wichtigste ist am Sonntag die Mannschaft.“
Die 24 Minuten und zwei Sekunden dauernde Pressekonferenz endete so, wie sie begonnen hatte. Mit einem Monolog. Luhukay zählte auf, welche Spieler sich unter seiner Regentschaft verbessert hätten. „Wir werden wie bei den vergangenen drei Heimspielen eine schlagkräftige und charakterstarke Truppe auf dem Platz haben, die versucht, mit allem, was sie einbringen kann, gegen Jahn Regensburg zu gewinnen“, sagte Luhukay. Es klang wie die Ansage, das Feld bei St. Pauli nicht kampflos zu verlassen. Dafür ist es aber wohl zu spät.