Hamburg. Trotz Corona-Krise versucht Sportchef Andreas Bornemann den Kader zu planen. Ein Nackenschlag kommt dem Club jetzt zugute.

Meldungen wie diese haben derzeit Seltenheitswert. Der FC Barcelona will den Vertrag mit seinem deutschen Nationaltorwart Marc-André ter Stegen vorzeitig um drei Jahre verlängern. St. Paulis Sportchef Andreas Bornemann kann eine solche Nachricht, die eigentlich typisch ist für diese Zeit im Jahr, nur schmunzelnd zur Kenntnis nehmen. Er selbst wird in absehbarer Zeit derartige Neuigkeiten nicht verkünden können. Dabei müsste die Kaderplanung für die kommende Saison jetzt normalerweise Fahrt aufnehmen.

Doch normal ist in diesen Tagen und Wochen im Zeichen von Corona eben nichts mehr. Derzeit ist an Verpflichtungen von neuen potenziellen Leistungsträgern nicht zu denken, selbst Vertragsverlängerungen mit Stammspielern, deren Kontrakte am Saisonende auslaufen und die dann ablösefrei den Club verlassen könnten, sind im Moment so gut wie tabu.

Die Maßgabe ist eindeutig: Jeder auslaufende Vertrag bedeutet für den Verein ein Stück mehr Liquidität nach dem 30. Juni. Daher verbietet es sich wegen der unsicheren Lage geradezu, sich schon jetzt durch Verlängerungen seines noch vorhandenen finanziellen Spielraums zu berauben – so wünschenswert es im Einzelfall auch wäre, aus diesem Kreis Spieler zu behalten.

FC St. Pauli: Corona erschwert Kaderplanung

Bei zehn der 31 Spieler des Zweitligakaders laufen die Verträge aus. Darunter sind mit Waldemar Sobota, Dimitrios Diamantakos und Johannes Flum Akteure, bei denen sich Verlängerungen anbieten würden. Gleiches gilt für James Lawrence, Leo Östigard und Viktor Gyökeres, bei denen die Problematik hinzukommt, dass sie nur ausgeliehen sind und St. Pauli sich auch mit deren Stammvereinen einigen müsste.

„Die Kaderplanung für die kommende Saison ist derzeit so schwierig, weil es sowohl in sportlicher als auch in wirtschaftlicher Hinsicht in den Sternen steht, wo wir am Ende dieser Saison stehen werden. Dies müssen wir aber wissen, um festlegen zu können, mit welchen Parametern wir in eine neue Spielzeit gehen“, sagt Andreas Bornemann im Gespräch mit dem Abendblatt.

Niemand kann derzeit seriös abschätzen, wie sich die Einnahmesituation der 36 Proficlubs in der Ersten und Zweiten Liga bis zum Sommer oder gar später entwickeln wird. Sollten die restlichen neun Spieltage nicht einmal als „Geisterspiele“ ausgetragen werden und den Clubs neben den Ticketeinnahmen auch knapp ein Viertel der TV-Sponsorengelder fehlen, wird dies massive Auswirkungen auf die Budgets der kommenden Serie haben.

Möller Daehlis Verkauf hilft St. Pauli jetzt

„Diese Problematik betrifft in gewisser Weise alle Clubs, und das auch auf internationaler Ebene“, sagt Bornemann und sieht für seinen Club durchaus Perspektiven. „Grundsätzlich kommt uns zugute, dass beim FC St. Pauli in den vergangenen Jahren gut gewirtschaftet wurde. Zudem hilft uns der Transfer von Mats Möller Daehli im Januar jetzt finanziell noch mehr, als wir es zu jenem Zeitpunkt gedacht hatten. Insgesamt sehe ich uns gut aufgestellt, um auch im schlechtesten Fall wirtschaftlich über die Runden zu kommen“, sagt Bornemann. Der Wechsel des norwegischen Nationalspielers zum KRC Genk (Belgien) bringt St. Pauli bekanntlich bis zu 3,5 Millionen Euro.

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„Es ist nachvollziehbar, dass wir auch bei den schon begonnenen Gesprächen über mögliche Neuzugänge die Geschwindigkeit herausnehmen mussten“, sagt Bornemann weiter, stellt aber auch klar: „Wir machen aber auch keine Vollbremsung und ziehen dazu noch die Handbremse.“

Er stoße bei Spielern und Beratern auch auf Verständnis für die aktuelle Zurückhaltung. „Wir erhalten die Kontakte aber natürlich aufrecht, auch wenn die geplanten Treffen im Moment nicht zustande kommen können.“