Hamburg. Die Teams sind mit großen Erwartungen in die Saison gestartet. Jetzt treffen die beiden Mannschaften aufeinander.

Da musste Jos Luhukay schlucken, diese miese Statistik war ihm gar nicht so ganz klar. Acht Spiele hat er als Trainer mit den unterschiedlichsten Vereinen gegen Bundesliga-Absteiger Hannover 96 bestritten – und gewonnen hat er? Nie! „Dann wird es wirklich Zeit“, sagt der verantwortliche Übungsleiter des FC St. Pauli also vor dem Aufeinandertreffen mit den „Roten“ an diesem Sonnabend (13 Uhr/Sky) am heimischen Millerntor, „wir müssen mit Selbstvertrauen die eigenen Stärken abrufen und den Erfolg erzwingen.“

Rund 150 Kilometer entfernt sagt der Trainer Ähnliches: „Wir brauchen schnellstens Punkte und Erfolgserlebnisse“, erklärt Hannovers Kenan Kocak. Nach dem 1:2 gegen Darmstadt 98 ist es erst das zweite Spiel für den Nachfolger des vor drei Wochen entlassenen Mirko Slomka. Mittlerweile hatte er eine weitere Woche, mit seinem Team zu arbeiten und die Probleme zu analysieren. „Wir müssen an uns glauben, die Köpfe freikriegen“, fordert er, „und dann bei St. Pauli punkten.“

Diese Partie ist ein Krisengipfel

Beinahe so identisch wie diese phrasenschweinverdächtigen Statements ist die sportliche Lage beider Vereine. Statt wie erhofft um den Aufstieg zu kämpfen, stecken beide nach 14 Spieltagen tief im Tabellenkeller, Hannover auf Relegationsplatz 16, St. Pauli einen Punkt davor auf Rang 13. St. Pauli hat in den vergangenen fünf Spielen nur zwei Pünktchen geholt – niemand hat weniger –, und Hannover konnte ebenfalls sieglos auch nur einen Zähler mehr sammeln. Diese Partie ist ein Krisengipfel. „Hannover ist als einer der Topfavoriten in die Saison gestartet. Die Realität ist eine andere. Das konnte niemand erwarten. Aber da ist nun viel passiert“, meinte Luhukay. „Hannover ist vom Torwart bis in den Angriff jedoch qualitativ eine der besten Mannschaften der Liga.“

Das dachten sie an der Leine auch. Fakt ist ein harter Aufprall im Fußball-Unterhaus mit einer nach dem Abstieg mit wenig Geld zusammengestellten Mannschaft, die offenbar nicht zueinander passt, in der viele Spieler das Gefühl zu siegen kaum noch kennen. Sportchef Jan Schlaudraff, die hauseigene Günstiglösung nach dem Abgang von Horst Heldt im Mai, musste sparen. 3,75 Millionen Euro konnte er für Zugänge ausgeben. Teuerste Verpflichtung bislang ist der ehemalige St.-Pauli-Stürmer Marvin Ducksch, der für 1,5 Millionen aus Düsseldorf kam – und bislang vor allem mit negativer Körpersprache auffiel.

Abgänge für 24 Millionen Euro

Dem standen Abgänge für 24 Millionen Euro gegenüber. Die Rechnung sieht gut in der Bilanz aus, zahlte sich sportlich aber bisher nicht aus. „Wenn nach Ende der Hinrunde die Erkenntnis ist, wir müssen etwas tun, dann werden wir etwas tun“, kündigte Hauptgesellschafter Martin Kind (75) am Mittwoch an. Die Vertragsverlängerung mit dem Stadionsponsor schafft jetzt neue Möglichkeiten. „Wir brauchen den Turnaround“, forderte Kind, „nicht nur in der Mannschaft, auch in die Stadt und bis die Fanszene hinein.“

Dass die Wende nun mit einem neuen Trainer versucht wird, passt Luhukay nicht. Alle Vorbereitungen auf den Gegner sind plötzlich Makulatur – wie lässt der Neue spielen? „Ich kann das nicht einschätzen, es war erst ein Spiel“, sagt der Niederländer. Also am besten selbst initiativ werden. „Wir Spieler stehen in der Verantwortung, auch gegenüber unseren Fans“, meinte Mittelfeldspieler Mats Möller Daehli, der nach der Niederlage in Aue richtig sauer war: „Wir müssen als Mannschaft besser spielen, besser verteidigen, torgefährlicher werden.“

Luhukay kritisiert Team nicht mehr, er lobt es jetzt

Am Mittwoch haben sie alle Fehler der 1:3-Pleite in Aue noch mal analysiert. Nachdem er in dieser Saison seine Spieler und ihre Einstellung auch schon hart kritisiert hatte, fährt Luhukay nun den gegenteiligen Kurs: „Ich glaube an diese Mannschaft. Wir haben insbesondere gegen die ersten drei der Tabelle fantastische Spiele gemacht.“ Auch das Klagen über die Verletztenmisere ließ er trotz erneut zahlreicher Ausfälle sein: „Wir werden wieder eine schlagkräftige Mannschaft auf den Platz stellen.“

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Natürlich ist das Millerntor ausverkauft, es geht um viel, auch wenn St. Paulis Trainer abwiegelt: „Ich sehe das Spiel nicht als richtungweisend, die Liga ist so eng zwischen Platz vier und 18.“ Er weiß aber auch: „Wir sind eine erfolgsorientierte Gesellschaft. Das erfährt jeder Trainer, wenn die Ergebnisse mal nicht stimmen.“ Er sollte also an seiner Statistik gegen Hannover 96 arbeiten.

Luhukays Zweifel

  • Sicherheit: Obwohl es zuletzt Spannungen zwischen den beiden Fangruppen gab, ist die Partie nicht als Sicherheitsspiel eingestuft. Dennoch gibt es außer auf der Haupttribüne ein Fanfarbenverbot für die jeweils „gegnerischen“ Bereiche und einen leicht erhöhten Ordnungsdiensteinsatz. Unsicherheit: Trainer Jos Luhukay versteht die Auslegung bei der Handspielregel nicht: „Ich könnte nicht sicher sagen, wann Elfmeter gegeben wird.“
  • St. Pauli: Himmelmann – Zander, Ziereis, Lawrence, Kalla – Knoll – Sobota, Möller Daehli – Miyaichi, Gyökeres – Veerman.
  • Hannover: Zieler – Jung, Anton, Felipe, Albornoz – Bakalorz, Prib – Maina, Haraguchi, Muslija – Weydandt.
  • Schiedsrichter: Robert Hartmann (Wangen).