Hamburg. Bei St. Paulis Sportchef sind die Erinnerungen an seine Amtszeit und Beurlaubung beim aktuellen Gegner 1. FC Nürnberg noch präsent.

Eines hat sich Andreas Bornemann für seine Rückkehr ins Nürnberger Max-Morlock-Stadion schon vor Tagen fest vorgenommen. „Damit ich nicht in eine alte Routine verfalle, sondern in die richtige Kabine und zur richtigen Bank gehe, werde ich den anderen von uns einfach hinterherlaufen“, verrät er im Gespräch mit dem Abendblatt. Erstmals seit seiner überraschenden Beurlaubung als Sportvorstand des 1. FC Nürnberg im Februar dieses Jahres wird Bornemann am Sonntag wieder das Stadion des „Club“ betreten.

Dreieinhalb Jahre hatte er hier gearbeitet – unter schwierigen finanziellen Bedingungen. Dennoch war im Frühjahr 2018 der Aufstieg in die Bundesliga gelungen. Nur neun Monate später schien das alles nicht mehr viel wert. Der Aufsichtsrat wollte, dass Trainer Michael Köllner geht, Bornemann war dagegen, weil er bei drei Punkten Rückstand auf den Relegationsplatz die sportliche Lage nicht für aussichtslos und Köllner für den richtigen Trainer für die weitere Entwicklung des Teams hielt. Prompt wurde er selbst daraufhin beurlaubt – und kurz danach auch Trainer Köllner. Das Team stieg dennoch ab.

Bornemann: "Eine andere Frage ist, ob ich das respektiere"

„Ich habe die Beurlaubung akzeptiert, weil es in diesem Geschäft nun einmal so laufen kann und es auch Leute gibt, die dazu legitimiert sind, so etwas zu tun“, sagt er heute dazu. Das aber ist, wie er zugibt, nur die eine, sehr nüchterne Betrachtungsweise. Deshalb fügt Bornemann an: „Eine andere Frage ist, ob ich das respektiere. Das habe ich damals nicht getan und ein Stück weit tue ich das auch heute noch nicht. Das klingt vielleicht verbittert, aber das bin ich nicht, zumal ich jetzt ja beim FC St. Pauli eine tolle neue Möglichkeit bekommen habe, etwas zu gestalten. Man tut jetzt gut daran, den Blick nach vorn zu richten und nicht alten Dingen nachzutrauern.“

Kurzfristig taucht beim Blick nach vorn St. Paulis Auswärtsspiel an diesem Sonntag (13.30 Uhr/Sky und Liveticker abendblatt.de) beim Tabellennachbarn 1. FC Nürnberg auf. Auf die Gelegenheit, schon ein, zwei Tage zuvor in die Frankenmetropole zu reisen und mit Bekannten und Freunden in Erinnerungen zu schwelgen, wird er allerdings verzichten. Die berufliche Pflicht geht vor.

Bornemann erwartet keine großen Emotionen

Am Freitagabend stand für ihn ein Besuch beim Spiel Darmstadt gegen Karlsruhe auf dem Programm, an diesem Sonnabend soll ein Abstecher zur Partie Sandhausen gegen Aue folgen. Schließlich sind die Darmstädter am 19. Oktober St. Paulis nächster Gegner im Millerntor-Stadion, und am 22. November steht das Match in Aue auf dem Plan. „Ich werde nur versuchen, rund um das Spiel die eine oder andere Begegnung zu realisieren. Nach so vielen Jahren gibt es einige private Verbindungen, die heute noch Bestand haben“, kündigt Bornemann an.

Und wie wird es mit seinen Gefühlen aussehen, wenn er wieder ins Stadion geht? „Das weiß ich jetzt noch nicht, ich lasse das einfach auf mich zukommen“, sagt er. Die ganz großen Emotionen seien allerdings nicht zu erwarten.

Es steht ja am Sonntag auch kein Ehemaligentreff an, sondern ein Zweitligaspiel zweier ambitionierter Teams, die beide seit jeweils fünf Spielen unbesiegt sind und jetzt ihren positiven Trend fortsetzen möchten. Dabei haben die Nürnberger am vergangenen Montagabend mit dem 4:0-Sieg beim Bundesliga-Mitabsteiger Hannover 96 ein „deutliches Ausrufezeichen“ gesetzt, wie es Bornemann formuliert. Das Team des FC St. Pauli konnte nach dem 2:0-Sieg im Stadtderby gegen den HSV mit dem 1:1 in Osnabrück und dem 2:0 gegen Sandhausen beweisen, dass es diesmal trotz aller Verletzungssorgen nicht unter einem „Derbyfluch“ leidet.

Bornemann wurde für Transferpolitik kritisiert

„Es müssen viele Dinge zusammenpassen, wenn wir unsere Serie fortsetzen wollen“, sagt Bornemann vor dem Spiel beim „Club“, vor dessen individueller Qualität in der Mannschaft er großen Respekt hat. „Allein die Achse mit Torwart Christian Mathenia, Innenverteidiger Georg Margreitter, Mittelfeldspieler Hanno Behrens und dem neuen Stürmer Michael Frey hat Klasse und sehr viel Erfahrung. Dazu kommt mit Johannes Geis ein Spieler, der sehr gute Standards schlagen kann. Es ist eine Mannschaft, die am Ende im oberen Tabellenbereich zu erwarten ist“, sagt Bornemann.

Dieses Ziel gilt ja grundsätzlich auch immer für den FC St. Pauli. Inzwischen scheint dies in dieser Saison auch möglich zu sein. „Am Anfang war ich überrascht, wie düster unsere Aussichten betrachtet wurden. Vielleicht lag das auch an der Rede des Trainers, als er berechtigterweise einige Missstände aufgezeigt hatte“, sagt Bornemann.

Er selbst stand im Sommer wegen der von vielen als als zu zögerlich beurteilten Transferpolitik in der Kritik. Als dann kurz vor Transferschluss ein weitgehend unbekannter Spieler nach dem anderen, dazu überwiegend auf Leihbasis, geholt wurde, stieß auch dies auf viel Unverständnis. „Grundsätzlich ist es so, dass der FC St. Pauli Spieler verpflichtet und nicht Andreas Bornemann. Es gab eine sehr schwierige Gesamtgemengelage mit einer sehr enttäuschenden Rückserie, vielen Verletzten, vielen offenen Personalien, einem neuen Trainer und neuen sportlichen Verantwortlichen und neun Abgängen. Mit dem Trainer war ich mir aber einig, dass wir auf dem Transfermarkt nur Dinge tun wollen, von denen wir wirklich überzeugt sind, auch wenn es etwas länger dauert. Wir wollten nicht etwas tun, nur um Gemüter zu beruhigen“, erläutert er das Vorgehen.

Neue Spieler überzeugen bereits

Inzwischen haben die meisten neuen Spieler bewiesen, dass sie dem Team helfen können, insbesondere haben sich die Innenverteidiger James Lawrence und Leo Östigard zu Leistungsträgern entwickelt. „Mit Genugtuung hat es nichts zu tun, dass die Spieler, die wir jetzt geholt haben, schon überwiegend überzeugt und die Skeptiker widerlegt haben. Ich freue mich einfach, dass es eine Entwicklung zu sehen gibt, gerade auch bei den jungen Spielern“, sagt Bornemann zu diesem Thema.

Doch wie ist das Ganze mit der mittelfristigen Entwicklung einer Mannschaft zu einem potenziellen Aufstiegskandidaten zu vereinbaren, wenn wichtige Spieler nur Leihgaben sind und nach der Saison wieder Abschied nehmen müssen? In diesem Punkt macht Andreas Bornemann den Anhängern erstmals öffentlich Hoffnung. „Es ist überhaupt nicht ausgeschlossen, dass aus den aktuellen Leihen für diese Saison eine weitere Leihe für die kommende Spielzeit oder auch eine feste Verpflichtung werden kann. Bei James Lawrence zum Beispiel gäbe es so eine Möglichkeit, auch wenn dies finanziell sehr ambitioniert wäre“, verriet der Sportchef jetzt dem Abendblatt. Offenbar existiert für den walisischen Nationalspieler also doch eine Kaufoption.

Sahin und Benatelli kommen mit

Andrang: Die Anhänger des FC St. Pauli haben sich im Vorverkauf 2650 Karten für den Gästeblock im Max-Morlock-Stadion gesichert. An der Tageskasse, die um 12 Uhr öffnet, sind weitere Tickets erhältlich.

Angebot: St. Paulis Trainer Jos Luhukay kündigte am Freitag an, dass erstmals Mittelfeldspieler Rico Benatelli sowie der zuletzt ebenfalls nicht berücksichtigte Cenk Sahin im 20er-Kader für das Spiel in Nürnberg stehen werden. Anlass sind die Ausfälle von Christian Conteh (Virus) und Kevin Lankford (Rückenprobleme).

Anstoß: Nürnberg: Mathenia – Sorg, Sörensen, Margreitter, Handwerker – Jäger – Geis, Behrens – Dovedan, Hack – Frey. St. Pauli: Himmelmann – Ohlsson, Östigard, Buballa, Penney – Becker, Knoll – Miyaichi, Möller Daehli, Sobota – Gyökeres. Schiedsrichter: Koslowski (Berlin).