Hamburg. St. Paulis Trainer schenkt konsequent Nachwuchsspielern das Vertrauen, verursacht damit aber auch Frust in der Mannschaft.
Am trainingsfreien Mittwoch hatten die Spieler des FC St. Pauli noch einmal Gelegenheit, ihren Derbysieg gegen den HSV Revue passieren und sacken zu lassen. Wenn sie an diesem Donnerstag von 13.30 Uhr an ihre nächste Übungseinheit absolvieren, soll das Geschehen vom Montagabend keine Rolle mehr spielen, sondern der Fokus ganz auf das Auswärtsspiel am Sonntag (13.30 Uhr) beim heimstarken Aufsteiger VfL Osnabrück gerichtet sein.
Gerade für die zahlreichen jungen Spieler des FC St. Pauli, für die der Derbysieg das bisher wichtigste Ereignis in ihrer noch kurzen Karriere war, wird dies sicher kein leichtes Unterfangen sein. Dennoch spricht viel dafür, dass Cheftrainer Jos Luhukay auch am Sonntag wieder auf einige Spieler setzen wird, die zwischen 19 und 21 Jahre jung sind. In der Nachbetrachtung des Derbys hatte der Niederländer von sich aus die von ihm eingesetzten Youngster überwiegend explizit gelobt.
„Es ist unglaublich, was die jungen Spieler geleistet haben. Ich wünsche ihnen, dass sie die Erfahrungen aus dem Derby für ihre Karriere mitnehmen“, sagte er. Konkret hatten aus der Jugend-Fraktion Verteidiger Leo Östigard, Mittelfeldspieler Finn Ole Becker (beide 19) und Außenbahnspieler Christian Conteh (20) von Beginn an gespielt, Matthew Penney und Youba Diarra (beide 21) wurden eingewechselt.
„Leo hat sein erstes Spiel gemacht und mit James Lawrence ein Duo gebildet, das sehr stabil war und Ruhe ausgestrahlt hat“, lobte Luhukay. Über Eigengewächs Becker, auf das er schon nach seiner Amtsübernahme im April gesetzt hatte, sagte er jetzt: „Finn ist noch nicht so auffällig, dass man nach jedem Spiel über ihn spricht, aber er macht eine unglaubliche Entwicklung.“
Etablierte Profis haben bei Luhukay das Nachsehen
Kritik musste diesmal dagegen Christian Conteh einstecken, der in dieser Saison eigentlich nur für das U-23-Team vorgesehen war, sich aber mit seinem Tempo und bereits zwei Treffern bei den Profis profilierte. „Er war sehr unruhig und wild in seinen Aktionen. Was dieser Junge in so einer kurzen Zeit erlebt, ist nicht zu unterschätzen. Er stand zu sehr unter Spannung“, sagte Luhukay, der Conteh nach gut einer Stunde vom Feld genommen hatte.
Mit den Einwechslungen von Penney für Conteh und später von Diarra für Knoll gab er auch Youngstern den Vorzug vor älteren Spielern. Luhukays Jugendstil ist also jetzt kein Zwang mehr, der sich aus einer Personalnot ergibt. Vielmehr spielen einige etablierte Profis, die teils über Jahre das Bild des FC St. Pauli prägten, nur noch eine nachgeordnete Rolle. Christopher Buchtmann (27) und Waldemar Sobota (32) etwa verfolgten den Derbysieg nur von der Bank, Ex-Kapitän Johannes Flum (31) und Marc Hornschuh (28) standen nicht einmal im 20-Mann-Kader.
Der Aufschwung mit sieben Punkten aus den jüngsten drei Spielen gibt Luhukay in seiner Personalpolitik recht. Sein Job ist es aber auch, aufkommenden Frust bei Etablierten in Grenzen zu halten und ihnen das Gefühl zu geben, jederzeit wieder wichtig werden zu können. Derzeit sieht Luhukay den Zusammenhalt nicht gefährdet. „Alle feiern zusammen in der Kabine, auch die Spieler, die heute nicht im Kader waren. Das zeigt, dass es eine echte Mannschaft ist“, betonte er nach dem Derbysieg.