Hamburg. St. Paulis Trainer reagiert auf Äußerungen seiner Führungsspieler. Diese bewerten Luhukays Aussagen unterschiedlich.
Am Tag nach dem 1:1 (0:1) bei Arminia Bielefeld konnte sich St. Paulis Trainer Jos Luhukay bestätigt fühlen. „Die Mannschaft hat eine Reaktion gezeigt. Sie ist bei der nötigen Mentalitätsveränderung zu einer hundertprozentigen Professionalität auf einem guten Weg. Es sind aber auch noch viele Schritte zu gehen“, sagte St. Paulis Cheftrainer, der am vergangenen Sonntag, also nur einen Tag vor dem Start in die neue Zweitligasaison, mit einer Art Generalabrechnung diverse Missstände im gesamten Verein angeprangert hatte. „Die Bequemlichkeit und die Komfortzone gehören in die Mülltonne“, hatte er gesagt sowie eine zu große Freundschaft untereinander und eine mangelnde Professionalität beklagt.
Nach dem Spiel in Bielefeld, in dem St. Pauli sogar bis in die 90. Minute mit 1:0 in Führung gelegen hatte, gingen mit Marvin Knoll und Vizekapitän Daniel Buballa zwei Führungsspieler auf Distanz zu Luhukays Aussagen. „Jeder hat seine eigene Meinung zu diesem Thema. Der Trainer hat die Meinung, ich habe eine andere. Ich kann nur sagen, dass ich die Jungs so liebe, wie sie sind. Sie haben Herz und Charakter. Es ist nicht einfach, das so wegzustecken, wenn man es einen Tag vor dem Spiel so liest. Da muss ich ein Kompliment an die Mannschaft machen. Wir haben gezeigt, dass wir ein Team sind“, sagte Marvin Knoll, dem ganz offenbar die Kritik Luhukays an der angeblich zu großen Freundschaft im Team und der insgesamt noch fehlenden personellen Qualität missfallen hatte.
Buballa: "Er will uns eigentlich nur helfen"
„Ich würde keinen von den Jungs eintauschen. Ich war überrascht, aber ich akzeptiere das, weil ich ehrliche Menschen mag. Trotzdem habe ich eine andere Meinung, die sollte man auch akzeptieren. Ich bin sehr glücklich mit der Mannschaft so wie sie ist. Sie hat gezeigt, dass sie bestehen kann. Wir sind auch keine Maschinen, wir wollten eine Reaktion zeigen, das ist uns gelungen“, sagte der Innenverteidiger weiter, der selbst eine gute Leistung gezeigt hatte.
Daniel Buballa sagte derweil: „Wenn man so etwas von seinem Chef hört, freut man sich natürlich nicht als Spieler. Das darf uns aber nicht belasten, wir müssen unsere Arbeit einfach weitermachen. Der Trainer ist nun mal ein Perfektionist. Selbst wenn wir 1:0 gewinnen, hat er etwas zu meckern.“ Der Außenverteidiger befand aber auch: „Das hilft uns, uns zu verbessern. Deshalb denke ich, dass er uns eigentlich nur helfen will.“
Luhukay schlägt Deeskalationskurs ein
Angesprochen auf diese Aussagen reagierte Luhukay am frühen Dienstagnachmittag – etwas überraschend – ziemlich entspannt. „Ich gehe sehr gelassen damit um, was Marvin Knoll gesagt hat. Ich finde es sehr gut, wenn Spieler mitdenken, mitreden und eine Meinung vertreten. Es wäre für mich enttäuschend, wenn Spieler sich nicht äußern dürfen können oder möchten“, sagte er. Der Trainer schlug also ganz betont einen Deeskalationskurs ein. Offenbar ist ihm die Gefahr bewusst, die Spieler, die er besser machen will, auf die er aber auch angewiesen ist, mit einer fortgesetzten öffentlichen Kritik zu verlieren.
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Anders als Knoll bewerte unterdessen der von Luhukay zum Kapitän ernannte Christopher Avevor den gesamten Vorgang. „Kritische Worte gibt es immer. Der Trainer hat von Anfang an gesagt, dass er kein Blatt vor den Mund nimmt, dass er ehrlich sagt, wie er die Dinge sieht. Ich denke, dass das immer einfacher ist, als wenn Dinge nicht gesagt werden und es hintenrum herauskommt“, sagte der Innenverteidiger. „Die meisten Jungs wissen, dass es nicht böse gemeint ist, sondern dazu dient, uns besser zu machen. Der Trainer ist ein extrem ehrgeiziger Typ. Es juckt uns nicht, dass es in der Öffentlichkeit war.“
Avevor erinnert an vergangene Saison
Avevor erinnerte dabei auch daran, dass der Vorwurf der zu großen Harmonie im Team nicht neu ist. „In der letzten Saison wurden vielleicht Dinge nicht so klar angesprochen, als es für uns nicht so gutlief. Damit ist gemeint, dass wir uns auf dem Platz auch mal die Meinung sagen können. Es ist kein Problem, wenn man sich mal anschreit“, sagte der Abwehrchef. Dabei erinnerte Avevor an eine Szene der vergangenen Saison. „Wenn ich daran denke, dass sich Johannes Flum und Philipp Ziereis an den Kragen gegangen sind, tut so etwas gut. Das brauchen wir. Danach können sich beide wieder in die Augen gucken, sich nach dem Spiel die Hand schütteln und alles ist gut und vergessen. So ein Feuer brauchen wir“, sagte er. Das dürfte auch Luhukay gefallen.
Luhukay hatte die Schelte nicht geplant
„Die Spieler wissen, dass ich immer versuche, ihnen zu helfen, sie zu korrigieren und zu stimulieren. Ich spüre volle Rückendeckung von unserem Sportdirektor Andreas Bornemann, Präsidenten Oke Göttlich und auch von Geschäftsleiter Andreas Rettig“, sagte Luhukay. „Gemeinsam wollen wir einen Weg verfolgen, der viel Energie kosten wird, aber sich lohnt, um den Erfolg zu erzwingen.“
Sportchef Andreas Bornemann gab sich in Bezug auf Luhukays Generalabrechnung wie schon zuvor Oke Göttlich gelassen. „Inhaltlich war das nichts, was mich überrascht hat“, sagte er. Dass der Trainer allerdings die Pressekonferenz vor dem Spiel in Bielefeld dafür nutzen würde, habe er auch nicht gewusst. Das konnte er auch nicht, wenn es stimmt, was Luhukay am Dienstag berichtete. „Das kam einfach aus der Emotion heraus. Ich wollte nur die Diskrepanz zwischen der Erwartungshaltung und der Realität darstellen“, sagte er. Das war ihm mit viel Aufsehen gelungen.