Hamburg. St. Paulis Technischer Direktor berichtet über seine Anfänge als Profi in Bielefeld und seine Erfahrungen als gegnerischer Trainer.

Seit Dezember 2014 steht Ewald Lienen (65) beim FC St. Pauli unter Vertrag und ist damit unter den hauptamtlichen Führungskräften schon einer der dienstältesten. Noch etwas länger gehörte er, zusammengerechnet, Arminia Bielefeld an – zweimal als Fußballprofi, einmal als Cheftrainer. Vor allem feierte er bei den Arminen 1974 sein Debüt als Fußballprofi. Schon aus diesen Gründen ist es für den früheren Cheftrainer (bis Mai 2017) und aktuellen Technischen Direktor des FC St. Pauli mit ganz besonderen Gefühlen verbunden, wenn an diesem Montagabend (20.30 Uhr) das Team vom Millerntor bei der Arminia antritt.

Obwohl er seit Sonntagabend an einer internationalen Trainertagung in Kassel teilnimmt, will Lienen es sich nicht nehmen lassen, an diesem Montagabend einen Abstecher nach Bielefeld zu unternehmen. Das Abendblatt sprach zuvor mit Ewald Lienen über verschie­dene Aspekte seiner Beziehung zur Arminia. Im Einzelnen sagte er über:

… seine Jugend und die Anfänge bei Arminia: „Als ich als Kind in Schloss Holte groß geworden bin, spielte Profifußball in meiner Wahrnehmung überhaupt keine Rolle. Nur wenn die Nationalmannschaft spielte oder eine Weltmeisterschaft stattfand, habe ich mich dafür interessiert. 1960 habe ich angefangen, selbst im Verein zu spielen. Wir haben natürlich auch ständig auf dem Bolzplatz und hinter dem Haus gekickt. Ich habe in der Zeit nie den Traum oder das Ziel gehabt, Bundesliga-Profi zu werden. Als ich so 15 oder 16 war, sprach mich Hansi Büttner von Arminia Bielefeld an, ob ich nicht zu ihnen wechseln wollte. Das war für mich völlig abwegig, schließlich war Bielefeld rund 20 Kilometer entfernt von meinem Zuhause. Ich habe noch zwei Jahre im Erwachsenen-Bereich für Schloss Holte gespielt. Hansi Büttner kam dann noch einmal auf mich zu, da war ich auch bereit, nach Bielefeld zu gehen. Ich hatte den Plan, in Bielefeld zu studieren und mir mit dem Fußball nur das dafür nötige Geld zu verdienen. Und mich reizte die sportliche Aufgabe.

Im Profiteam der Arminia stellte ich dann schnell fest, dass mich einige meiner neuen Mitspieler nicht als Kumpel, sondern vor allem als Konkurrenten ansahen. Da bekam ich im Training ganz schön auf die Knochen, und auch der Umgangston war ziemlich rau. Ganz am Anfang wollte ich am liebsten schnell wieder nach Hause. Doch es gab auch einige tolle Kameraden wie etwa Manfred Wolf. Wir sind heute noch Freunde.“

… seine emotionalsten Spiele mit der Arminia: „Ich erinnere mich an unsere Relegationsspiele gegen 1860 München. Das Hinspiel in Bielefeld gewannen wir 4:0. Ich hatte aber schon für die kommende Saison bei Mönchengladbach unterschrieben. Das Rückspiel verloren wir 0:4. Es war ein Skandalspiel. Es hätte drei Platzverweise gegen die Münchner geben müssen. Später gab der Schiedsrichter zu, dass er das Spiel nicht durch Platzverweise entscheiden wollte. Das dritte, entscheidende Spiel verloren wir dann auch, und zwar vor allem wegen eines Platzverweises gegen uns.“

… die Spiele mit anderen Teams auf der Alm: „Ich habe es immer als schön empfunden, quasi nach Hause zu kommen, zumal ich fast immer gewonnen habe. Auch als Trainer bin ich mit Rostock, 1860 München und Hannover in Bielefeld gewesen und bin immer positiv aufgenommen worden. Besonders ist mir mein letztes Spiel mit St. Pauli in Bielefeld in Erinnerung geblieben. Es war in unserer starken Rückserie mit dem internen Rekord von 34 Punkten. Es ging um die Existenz. Wir führten bis in die Schlussphase mit 1:0, bevor Fabian Klos den Ausgleich für die Arminia erzielte. Dennoch war es ein gutes Spiel von uns und ein weiterer Schritt, um den zur Winterpause fast sicheren Abstieg zu vermeiden.“

... seine Trainertätigkeit in Bielefeld: „Als ich damals im Spätherbst 2010 kam, war es eine desaströse Situation mit ganz wenigen Punkten. Das erste Spiel mit mir gewannen wir zwar gegen Osnabrück, danach aber ging nicht mehr viel. Am Saisonende hätte ich trotz des Abstiegs in die Dritte Liga bei der Arminia bleiben können, das wollte ich aber nicht. Im Nachhinein betrachtet war es eher eine Fehlentscheidung, dass ich den Job angenommen hatte.“