Mayrhofen. St. Paulis Routinier Jan-Philipp Kalla (32) und Youngster Finn Ole Becker (19) in einem spannenden Dialog der Generationen.

13 Jahre und 306 Tage trennen Jan-Philipp Kalla (32) und Finn Ole Becker (19), den dienstältesten und den jüngsten Spieler im Profikader des FC St. Pauli. 151 Zweitliga- und fünf Bundesligaspiele hat Kalla bisher absolviert, Becker feierte zum Ende der vergangenen Saison unter Trainer Jos Luhukay sein Profidebüt und kam auf fünf Zweitligaspiele. Kürzlich wurde er in einem Testspiel sogar zum Kapitän ernannt. „Das war eine Geste, aber eigentlich möchte ich kein Kapitän sein“, sagte er jetzt dazu. Das Abendblatt bat Kalla und Becker im Trainingslager in Mayrhofen zu einem Generationen-Gespräch.

Hamburger Abendblatt: Herr Kalla, was halten Sie von Finn Ole Becker?

Jan-Philipp Kalla: Finn ist ein überragender Mensch, sehr freundlich und zuvorkommend. Er ist jemand, der anderen Leuten Hilfestellung gibt. Die jungen Spieler, die jetzt zum ersten Mal im Trainingslager dabei sind, können sich bei ihm schon ganz gut Tipps und Ratschläge holen. Auf dem Platz hat er im vergangenen halben Jahr eine tolle Entwicklung hingelegt. Er hat sich bei uns richtig reingebissen und ist nicht mehr der talentierte A-Jugend-Spieler, sondern eine richtige Alternative im Mittelfeld.

Wie erleben Sie ihn auf dem Platz?

Kalla: Er ist, wie er selbst auch sagt, eher der ruhigere Spieler, der versucht, mit Leistung zu überzeugen. In seinem Alter schon so eine Ruhe und Ballsicherheit zu haben, und das noch im Zentrum, wo man viel schneller vom Gegner gepresst wird, ist überragend. Dazu hat er auch noch einen guten linken Fuß.

Wie schätzen Sie, Herr Becker, Jan-Philipp Kalla ein?

Finn Ole Becker: Ich finde, dass er eine tolle Person ist. Was „Schnecke“ besonders gut macht, ist, dass er in den richtigen Momenten ernst bleibt und in anderen Momenten auch mal einen Spaß macht. Auf dem Platz ist bei ihm überragend, wie er vorausdenkt und Situationen erahnt. Er hat mir in den vergangenen zwölf Monaten bei den Profis sehr geholfen. Er stand mir immer zur Seite und hatte ein offenes Ohr. Meistens kam das auch aktiv von ihm.

Was unterscheidet Finn von vielen anderen jungen Spielern, den Sie in den vergangenen Jahren hier bei St. Pauli erlebt haben?

Kalla: Es ging alles ziemlich schnell bei ihm. Auch das spricht für seine Qualität. Bei mir war es anders. Ich habe nach zwei Jahren in der A-Jugend bei den Amateuren gespielt und konnte erst mit Anfang 20 ins Profigeschäft hineinschnuppern. Finn hat mit 19 schon fünf Zweitligaspiele zu Buche stehen und drei davon sogar von Anfang an gemacht. Es sieht auch nicht so aus, dass er in seiner Entwicklung stehen bleibt, sondern mit seinem Tempo, das er auf dem Platz hat, weiter voranmarschiert. Er ist auch einer, der Braun-Weiß im Herzen trägt. Das ist vielleicht auch ein Punkt, der ihn von anderen Jungen, die ich hier erlebt habe, unterscheidet.

Welche ersten Erinnerungen haben Sie an den jeweils anderen?

Becker: Ich habe „Schnecke“ das erste Mal auf dem Fernsehschirm wahrgenommen. Ich bin als Zwölfjähriger zum FC St. Pauli gekommen. Von da an habe ich die Spiele der „Großen“ im Fernsehen angeschaut. Der persönliche Kontakt kam erst, als ich richtig dabei war.

Kalla: Bei uns an der Kollau läuft man sich mal im Kraftraum über den Weg, wenn die U-19-Mannschaft gleichzeitig mit den Profis trainiert. Das waren die ersten Berührungspunkte. Seit Finn bei uns trainiert hat, war der Kontakt richtig da. Ich habe mich sehr gefreut, dass er bei uns fast die ganze Zeit mittrainieren konnte, obwohl er noch A-Jugendlicher war. Das hat mich beeindruckt.

Herr Kalla, was trauen Sie Finn Ole Becker in seiner Fußballkarriere zu?

Kalla: Ich glaube, dass Finn das Zeug dazu hat, in den kommenden zehn Jahren Profifußball zu spielen. Er bestimmt am Ende ganz alleine, ob das in der Ersten, Zweiten oder Dritten Liga, sein wird. Er weiß, glaube ich, auch selbst, dass ihm nichts geschenkt wird und er weiter arbeiten muss.

Herr Becker, könnten Sie sich eigentlich vorstellen, auch so ein Urgestein wie Jan-Philipp Kalla zu werden, der sein ganzes Profileben bei St. Pauli bleibt? Wie finden Sie es generell, dass es Profis gibt, die ihr ganzes Leben nur bei einem Verein gespielt haben?

Becker: Ich finde das super. Seit meiner Kindheit bin ich ja auch ein riesiger Fan von Lionel Messi. Ich habe mir immer gewünscht, dass er beim FC Barcelona bleibt. Ob ich das selber auch machen werde, weiß ich heute nicht. Aber jetzt spiele ich für St. Pauli und gebe alles für den Verein. Ich mag den Verein unheimlich gern, bin hier aufgewachsen und finde es super, dass hier einige Profis langfristig spielen.

Fühlen Sie sich nach Ihrem starken Einstieg stärker unter Druck gesetzt, oder können Sie Ihre Unbekümmertheit erhalten?

Becker: Eigentlich mache ich mir darüber keinen Kopf. Ich will eigentlich nur Fußball spielen, und das ganze Drumherum interessiert mich nicht wirklich viel. Ich glaube, dass mir dies hilft.

Erzählt Jan-Philipp Kalla eigentlich viel von früher? Wie empfinden Sie das?

Becker: Das finde ich gar nicht schlecht. Aber die Zeiten haben sich nun einmal geändert. Die Älteren behaupten immer, dass es früher schwerer war, im Profikader Fuß zu fassen.

Herr Kalla, war das so?

Kalla: Ich glaube schon, dass heutzutage die 18- und 19-Jährigen, die in die Profimannschaft kommen, einen leichteren Einstieg haben innerhalb des Teams, als das vor zehn, 20 oder 30 Jahren der Fall war. Das Miteinander ist ein anderes geworden. Die jungen Spieler wurden auch damals nicht wirklich schlecht behandelt, aber es gab so gewisse Rollenverteilungen und klare Hierarchien. Aber vor zehn Jahren gab es im Profiteam vielleicht ein oder zwei Spieler unter 20. Heute sind das deutlich mehr. Dadurch ist die Verteilung innerhalb des Teams auch anders. Grundsätzlich gibt es immer mehr sehr junge Spieler im Profibereich und nur noch sehr wenige ganz Alte, die bis Ende 30 spielen wie ein Lothar Matthäus. Das hat sich alles verschoben. Ich glaube, das ist ein Indiz dafür, dass die Jungen es heute einfacher haben.

Was können Sie gegenseitig voneinander lernen?

Becker: Die Erfahrung – nicht nur im Spiel, sondern auch neben dem Platz. Wir er vorangeht, wie er Dinge macht, wie er mit Menschen umgeht.

Kalla: Das höre ich gern, da habe ich ihn gut erzogen. Das hat sich bei mir ja auch erst entwickelt. Aber Finn ist für sein Alter schon relativ weit, ich habe mit 19 noch viel schüchterner dagesessen. Seine Antworten, sein Verhalten sind schon relativ fokussiert und klar. Das macht er schon ganz gut. Seine Ruhe auf dem Platz und mit dem Ball könnte ich noch lernen. Und wie er in Drucksituationen die Übersicht behält.

Kommen wir vom Platz zur Kabine: Wie sieht es mit Ihren Musik-Favoriten aus?

Becker: Hier werden ja auch Malle-Schlager gehört von „Schnecke“ und Florian Carstens. Das mag ich nicht so gern. Ich bin eher Fan von Hip-Hop oder Pop.

Kalla: Finn hat meinen Musikgeschmack schon angedeutet. Ich habe nichts, worauf ich speziell stehe oder bei dem ich weghöre. Im Kraftraum kann gern etwas für die gute Laune dabei sein. Mallorca-Schlager höre ich gern, wie von Mickie Krause oder Pur. Wenn ich im Kraftraum meine Musik anmache, schütteln einige Leute den Kopf oder gehen raus.

Abschließend gefragt: Gibt es überhaupt auch irgendetwas, das Sie beide trennt?

Kalla: Finn ist bei seinem Führerschein noch in der Probezeit.